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Verein für Historische Waffenkunde [Editor]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 2
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Ehrenthal, Max von: Genuesische Klingen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0040
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26

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

II. Band.

marken nicht selten vorkommt, haben allerdings die
beiden Sicheln keine Beziehungen; ebensowenig zeigt
die Gestalt der Marke die Eigentümlichkeiten bekannter
italienischer Waffenschmiedzeichen. Es möge da-
her der Vermutung Raum gegeben werden, dass
die «ausgezahnte Sichel» schon anderwärts im Ge-
brauch und im Handel bekannt und begehrt war,
bevor sie von den Genuesen für die Erzeugnisse
ihrer Klingenindustrie angenommen wurde.
Was nun die genuesischen Klingen selbst an-
betrifft, so treten bei ihnen fast ausnahmslos so
charakteristische Merkmale hervor, dass sie bei
einiger Uebung unschwer herauszuftnden sind. Zu
den Erkennungszeichen gehören in erster Linie zwei
bis vier schmale, fei.a ausgearbeitete Blutrinnen, die
bei den Schwertklingen etwa bis zur Hälfte, bei den-
jenigen von Krummschwertern und Säbeln etwa bis
dreiviertel ihrer Länge laufen; ferner die Art der
Austeilung an derjenigen Stelle, an der die Rücken-
klinge in die breitere, zweischneidige Spitze über-
geht, und endlich die: Vortrefflichkeit der Qualität
des Stahles. Besonders häufig findet man in den
Sammlungen Rückenklingen genuesischer Her-
kunft, so dass hieraus der Schluss zu ziehen ist, dass
besonders diese einen Spezialartikel der dortigen
Klingenschmiede gebildet haben.
Die älteste Klinge mit der Sichelmarke (vergl.
Fig. i) im Historischen Museum stammt aus der
Zeit um 1520. Es ist eine Rückenklinge von 1,03 m
Länge mit zweischneidiger Spitze, wie sie bei den
älteren Schweinsschwertern vom Ende des 15. und
Anfang des 16. Jahrhunderts vorzukommen pflegt.
Das Stück befindet sich im Saal M, No. 51.
Das nächstälteste Stück in genannter Sammlung
ist ein Landsknechtschwert aus der Zeit zwischen
1530 und 1540, mit 0,77 m langer, ebenfalls ein-
schneidiger Klinge, die vier sauber ausgearbeitete,
hier bis nahe an die Spitze laufende Blutrinnen auf-
weist. Die Klinge ist mit der Sichelmarke in ganz
besonderer Anordnung, die wohl aus einem deko-
rativen Bestreben hervorgegangen ist, gestempelt
(vergl. Fig. 2). Das Schwert ist im Kriegswaffen-
saal (G) Feld IV, aufgehängt. In genanntem Saale
befinden sich übrigens noch etwa 15 Klingen von
Landsknechtschwertern, Fechtschwertern, Säbeln und
Pallaschen aus dem 16. und 17. Jahrhundert, welche
die Sichelmarke führen.
Besonders zahlreich sind Säbelklingen in der
o
Sammlung vertreten. Vielfach ist deren Fassung
ungarisch oder wenigstens den ungarischen Formen
nachgebildet. Es mögen hier einige Säbel Erwäh-
nung finden, deren Stempel zumeist oben abgebil-
det sind. Im Saale J (Türkenzelt) sind es vier
Klingen, die unserer Aufmerksamkeit wert erscheinen.
J 115, 0,82 m lang, mit drei Blutrinnen, aus der Zeit
um 1560 und der. Marke Fig. 4 nebst dem gleich-
zeitig mit der Marke in den rotglühenden Stahl ein-
gestempelten Wort Genova; J 120 aus derselben
Zeit, 0,80 m lang, mit drei Blutrinnen und der Marke

Fig. 5, welche uns neben der örtlichen Marke noch
Aufschluss über die Herkunft eines Meisterzeichens
giebt, das bisher als bellunesisch galt; weiter J 221,
mit der Marke Fig. 8, nebst dem Wort Genoa, und
endlich J 179 mit zwei Blutrinnen und einem Mei-
sterzeichen (Fig. 9), das bisher für brescianisch ge-
halten wurde.
Im Prunkwaffensaal (E) befinden sich einige
Säbelklingen mit besonders reicher Montierung; letz-
tere stammt fast ausnahmslos aus der Regierungs-
zeit des sächsischen Kurfürsten Johann Georg II.
(1656—1680), während die Klingen vielfach ältere
sind. So z. B. diejenige von 755, die schon zu An-
fang des 17. Jahrhunderts geschmiedet worden ist.
Eine Klinge vom zweiten Drittel des 17. Jahrhun-
derts (744) zeigt neben der Ortsmarke wiederum
das Wort Genoa (Fig. 11). Vergleicht man diese
Marke mit derjenigen Fig. 8, so ergiebt sich, dass
die Stempel im Laufe eines Zeitraumes von beinahe
hundert Jahren wenig Veränderung erfahren haben.
761 führt uns eine Klinge ohne Blutrinnen vor, wie
sie gegen Ende des 17. Jahrhunderts häufiger Vor-
kommen.
Der Saal PI birgt eine Anzahl Säbel der kroa-
tischen Leibgarde des obengenannten Kurfürsten.
Mehrere von ihnen haben genuesische Klingen,
teils aus dem ersten, teils aus dem dritten Viertel
des 17. Jahrhunderts. Bei einem Vergleich der
Säbelklingen aus den verschiedenen Epochen ist
festzustellen, dass sich deren Form vom Ende des
16. Jahrhunderts bis etwa 1670 kaum verändert hat,
und dass die jüngeren Klingen lediglich an den
weniger fein und weich ausgearbeiteten Blutrinnen
erkennbar sind.
Bei der Durchforschung anderer Sammlungen
beziehungsweise Sammlungskatalogen nach genue-
sischen Klingen fand sich, wie nicht anders zu er-
warten war, ein reiches Material für die gegenwärtige
Studie. In der gräflich Erbachschen Sammlung zu
Schloss Erbach im Odenwald war eine zweischneidige
Schwertklinge aus der Mitte des 16. Jahrhunderts,
mit der Marke Fig. 6 versehen, zu finden. Dieselben
Zeichen trugen die Klingen zweier Bidenhänder in
der fürstlich Hohenzollernschen Sammlung zu Schloss
Sigmaringen, die etwa -derselben Zeit wie die vor-
genannte Schwertklinge angehören. Es erhellt dar-
aus, dass eine Marke, die bisher als mailändisch
galt, genuesischen Ursprungs ist. Ein anderer
Zweihänder trug neben der Sichelmarke das
nebenstehende Schmiedzeichen; einige Klingen
in genannter Sammlung zeigten lediglich die
Ortsmarke ohne Meisterzeichen; nur eine einzige
von diesen war nicht mit Blutrinnen versehen.
Im Museum zu Basel befindet sich ein Zwei-
händer aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts,
dessen Klinge wiederum den Stempel Fig. 6 führt.
Auf der Klinge eines Fechtschwertes daselbst ist
die Ortsmarke so eingeschlagen, dass die beiden
ausgezahnten Sicheln einen spitzen Winkel bilden;
 
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