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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 9
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Sixl, P.: Zur Geschichte des Schiesswesens der Infanterie: Vortrag gehalten im militär-wissenschaftlichen Vereine zu Kaschau im Wintersemester 1900/01
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0348
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330

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

II. Band.

und seitwärts sitzt der Zieler mit dem Zielerlöffel,
gedeckt durch eine Breterverschalung, der Schütze
sitzt auf einem Stuhl und hält die Armbrust im
Anschlag, zwei Diener sind beschäftigt, die Arm-
brust mittels Winde zu spannen und den Pfeil auf-
zulegen.
Die Schussentfernung betrug im Jahre 1452 bei
einem Freischiessen in Sursee 120 Schritte;1) eine
oberbayerische Schützen-Ausschreibung vom Jahre
1467 bestimmt 260 Fuss als Schussentfernung,
12 Zoll als Durchmesser für den Zirkel in der
Scheibe.2 3)
Der Schützenbrief der Stadt Ulm vom Jahre
1468 bestimmt für die Grösse des Zirkels einen Kreis
yon 13 cm Durchmesser; die Schussentfernung wurde
durch eine dem Schützenbrief beigelegte Schnur
angegeben, Schusszahl war 40.8)
Bei dem Armbrustschiessen zu Augsburg im Jahre
1470 betrug die Schussentfernung 125 Schritte; es
sollten 43 Schüsse gemacht werden; «eine Uhr-
glocke schlug Eins, sobald der Schütze sich zum
Schiessen anschickte, er musste geschossen haben,
bis dieselbe den Schlag wiederholte».
Der Schaft des Bolzens musste eine bestimmte
Dicke haben, welche durch einen am Schiessbrief
aufgedruckten kleinen Kreis von i1^ bis 2 cm Durch-
messer bekannt gegeben wurde. Jeder Bolzen
wurde vorerst von den Schreibern geprüft, beschaut
und beschrieben und auf diese Art die Einheit der
Waffe gewahrt.4)
In einem Schiessbriefe der Stadt Schweinfurt
vom Jahre 1473 wurde die Schussentfernung mit 135
Schritten festgesetzt; die Schützen konnten stehend
oder sitzend schiessen.5)
Bei dem festlichen Armbrustschiessen zu Zürich
im Jahre 1504 betrug nach dem vorhandenen Schiess-
brief die Schussentfernung 305 Werkschuh (9" 4"') -
100 Schritte; der Zirkel in der Scheibe hatte einen
Durchmesser von 4" 4'”= 12cm; in diesem war ein
kleinerer Kreis von 1"—11/2” = 3—4 cm Durch-
messer, der «Krantz», und in diesem überdies ein
schwarz ausgefüllter Kreis von 4"' = 1 cm Durch-
messer. Die Zeit für das Schiessen wurde durch
das Ablaufen einer Sanduhr bestimmt.
Die Chronik von Edlibach, sowie eine gleich-
zeitige Abschrift derselben, melden, dass 236 Arm-
brustschützen sich an diesem Schiessen beteiligten;

]) H. R. Maurer, Denkmal des Geschmacks der Sitten
und Gebräuche der alten Schweizer hei M. A. Feierab end,
Geschichte der eidgenössischen Freischiessen. Zürich 1844. 24.
2) Oberbayerisches Archiv. Bd. XIII. 8.
3) Prof. R. Bechstein, Deutsches Museum für Ge-
schichte, Litteratur, Kunst und Altertumsforschung. Leipzig
1862. 233ff. Ferner: Briefliche Mitteilungen des Prof. R. Bech-
stein an den Verfasser.
4) J. H. Adam, Augsburg und seine Stahlschiessen.
Augsburg 1824. 10.
6) J- Würdinger, Kriegsgeschichte von Bayern,
Franken, Pfalz u. Schwaben von 1347 —1506. München 1868.
II- 394-

ferner sind in drei Zeichnungen das Armbrust-
schiessen, das Büchsenschiessen und der Glücks-
hafen dargestellt.
Die Abbildung des Armbrustschiessens zeigt
«die zilstatt der armbrust schützen ze Zürich den
zwölften tag ouggstmonats 1504».6) Fig. 4.
Man sieht den «Sitz» der Schützen, den Zieler
mit dem Zielerlöffel, die Scheibe oder das Cirkul-
Blatt an der Wand befestigt und endlich die aüf-
gestellte Sanduhr.
Den Armbrustschützen ist auch ein launiger
Kritikus erstanden; Sebastian Brant hat in seinem
Narrenschiff im Jahre 1494 denselben ein besonderes
Gedicht «Von bösen schützen» gewidmet, in welchem
in witzigen Spottreimen die Fehlschüsse entschul-
digt werden.
Nach Aufkommen der Feuerwaffen dauerte es
über hundert Jahre, bis aus diesen eine feldbrauch-
bare Handschiesswaffe sich entwickelte. Die Lauf-
seele war kurz, es fehlte die Führung, das Geschoss
wurde bei schiefem Anschlag in hohem Bogen gegen
das Ziel geworfen. Nach und nach wird die Seele
des Laufes verlängert, man erreicht die Führung
des Geschosses, gelangt zum direkten Schuss und
mit diesem zum geraden Anschlag, aufgelegt oder
freihändig von der Wange.7)
Die verbesserten Handfeuerwaffen erscheinen
in grosser Anzahl während der Hussitenkriege im
freien Felde; das neue Kampfmittel hatte augen-
scheinlich Erfolge erzielt, welche zur weiteren Ein-
übung und Ausbildung der' Schützen veranlassen.
Im Jahre 1420 sollen in Eger i. B. Schiessübungen
mit Handbüchsen nach einer Scheibe stattgefunden
haben, in Nürnberg sind dieselben für die Jahre
1430 und 1433 urkundlich nachgewiesen.8)
Beiläufig aus der Mitte des 15. Jahrhunderts
stammt die erste Vorschrift für das Schiessen mit
Handfeuerwaffen; dieselbe ist im Codex 2952 der
k. k. Hof-Bibliothek zu Wien enthalten und soll des
grossen geschichtlichen Interesses wegen im Wort-
laute zitiert und besprochen werden.
«Wie man aus Handbüchsen schiessen soll zu
einem Ziel oder zu Vögeln oder zu Thieren oder zu
anderen Sachen, dass ihm nicht zu weit sei, dass er
es treffen mag und nicht fehlt.»
«Wer das will, muss in der Geometrie als viel
gelernt haben und die Instrumente haben, dadurch
er wissen mag, wie weit es dahin sei, wohin er
schiessen soll und ob es nicht zu weit.»
Man sieht, dass schon damals das praktische
Schiessen in den Mantel einer gewissen Gelehrsam-
keit eingehüllt wurde, ein Bestreben, welches auch
heute noch nicht ganz verschwunden ist.

6) Stadtbibliothek in Zürich. Neujahrsblatt für das
Jahr 1867.
7) Siehe: «Entwickelung' und Gebrauch der Handfeuer-
waffen», in der Zeitschrift f. hist. Waffenkunde, Bd. I.
8) J. Bader, «Zur Chronik der Reichsstadt Nürnberg».
A. f. K. d. d. V. 1873. 47.
 
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