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Verein für Historische Waffenkunde [Editor]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 3.1902-1905

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Heft 12
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von Schubert, Soldern, Fortunat: Celt und Framea: eine Revision der Frage
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https://doi.org/10.11588/diglit.37714#0355
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12. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

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eben genannten Forscher hauptsächlich stützen11),
lautet:
Rari gladiis aut majoribus lanceis utuntur; hastas
vel ipsorum vocabulo Frameas gerunt, angusto et
brevi ferro, sed ita acri et ad usum habili, ut eodem
telo prout ratio poscit, vel cominus vel eminus
pugnent et eques quidem scuto frameaque conten-
tus est. Pedites et missilia spargunt atque in im-
mensuni vibrant u. s. w.
Nach dieser Beschreibung war also die Framea
zunächst eine Reiterwaffe, während sich das Fuss-
volk nebenbei auch des Wurfspeers bediente.12)
Sie war eine Hasta, also ein Spiess, und zwar
wie aus der Gegenüberstellung der majores lanceae
hervorgeht, ein Kurzspeer, mit einer schmalen
und kurzen Klinge, die aber so scharf und viel-
seitig verwendbar war, dass sich die Waffe sowohl
zum Nah- als zum Fernkampf eignete, und der
Reiter sich meist mit Schild und Frame begnügte.
An andern Stellen bezeichnet Tacitus die Framea
als illam cruentam victricemque, er erzählt, dass
der Führer damit seine Gefolgschaft ausstattet,
dass durch ihre Verleihung der Jüngling wehrhaft
gemacht wird, dass die Jünglinge unter ihren
Klingen den Kriegsreigen tanzen, dass sie zum
Zeichen ihrer Zustimmung bei den Versammlungen
die Framen zusammenschlagen und dass die Gattin
die Frame mit andern Waffenstücken als Heirats-
gut in die Ehe bringt und ein gleiches Geschenk
von diesem als Wiederlage erhält.13) Aus alledem
geht hervor, dass die Framea die eigentliche National-
waffe der Germanen war und in ihren Kriegsge-
bräuchen ungefähr die gleiche Rolle spielte wie
später im Mittelalter das Schwert. Aus der weiter
oben zitierten für diese Untersuchungen weitaus
wichtigsten Stelle aber erhellt deutlich, dass sie
eine Hasta, keine lange Lanze, kein Schwert, und
vor allem keine Axt war, dass sie eine Spezialität
der germanischen Bewaffnung bildete, sich also von
den andern Arten der Hastae, wie sie die Römer
bis dahin kennen gelernt hatten, wesentlich unter-
schied, und zwar nicht durch ihren Schaft, sondern
durch ihre Klinge, welche kurz, schmal und scharf
war, also jedenfalls zu den längern spitzen Speer-
klingen anderer Völker der klassischen und nach-
klassischen Zeit, vor allem aber zum römischem Pilum
im Gegensatz stand, dessen Wirkung eben auf der
Länge des Speereisens und dessen Spitze beruhte.
Bei der Framea lag sie in der Schärfe. Die Framen-
klinge war. kurz und schmal, aber dennoch durch
ihre Schärfe sehr brauchbar. Dadurch wird also
zunächst Lindenschmits Ansicht widerlegt, der
Speerspitzen aus der Merovingerzeit, die sich ihrer
n) Tacitus Germania. Kap. 6.
12) Vergl- Baumstarck, Ausführungen und Erläuterungen
des Allgemeinen Teiles der Germania des Tacitus. (Leipzig
1875) S. 313.
13) Vergl. Tacitus Germania. Kap. 11, 14, 18, 24.

Gestalt nach dem Pilum nähern, als der Frame am
nächsten verwandt bezeichnet.
Auch andere römische Schriftsteller bezeichnen
die Framea als Waffe, beziehungsweise als Geschoss.
So Juvenal XIII, 78.
Per solis radios, tarpejaque fulmina jurat
Et Martis frameam et Cirrhaei spicula vatis.
Er schwört bei den Strahlen der Sonne, bei den
tarpäischen Blitzen bei der Frame des Mars und
bei den Geschossen des Cirrha Sehers. Alles also
im bildlichen Sinne Fernwaffen, Wurfgeschosse.
Bei Aulus Gellius ist unter Telorum Jaculorumque
Vocabulis die Framea angeführt.14)
Da Tacitus das Wort Framea ausdrücklich als
ein germanisches bezeichnet, so lag es nahe, die
Aufklärung über das Wesen dieser Waffe auf dem
Wege philologischer und ethymologischer Deutung
dieses Wortes zu suchen. Was konnte das Wort
Framea Frame im Altgermanischen bedeuten? Die
Identifizierung von Framea und Pfrieme lag natür-
lich am nächsten, aber die Philologen sprachen sich
dagegen aus lautlichen Gründen aus.15) Auch würde
gerade diese Identifizierung auf einen Charakter der
Waffe deuten, die der Beschreibung des Tacitus
widerspräche, denn der Pfrieme, wenigstens wie
wir sie kennen, würde viel eher das Pilum ent-
sprechen als die Taciteische Frame. Grimm weist
auf das altgermanische Umstandswort Fram und
das damit zusammenhängende altnordische Adjektiv
framr, im Sinne von dreist oder kühn hin, doch
hält Jähns die Zurückführung eines Waffennamens
auf eine sittliche Eigenschaft für vollständig un-
tunlich. 16) Grimm sucht ferner das Wort Framea
mit Franca, also einer fränkischen Waffe, zu
identifizieren und kommt so auf die Francisca, die
fränkische Wurfaxt17), setzt sich aber auf diese
Weise mit der Beschreibung des Tacitus in Wider-
spruch. Jähns weist darauf hin, dass das neuhoch-
deutsche Wort Brame (angelsächsisch Brimme, eng-
lisch Brim) Rand bedeute, ein Ausdruck, der uns
noch in den Worten Bramsegel, Verbrämung ge-
läufig sei l8), und, vorausgesetzt die Verwandtschaft
von Brame und Frame, auf einen Randspeer im
Gegensatz zum Spitzspeer hindeuten würde. Jähns
spricht ferner die Vermutung aus, dass sich die
Bezeichnung Framea nicht so sehr auf die Gesamt-
waffe, als auf die Klinge bezog, die ja auch Tacitus
als das eigentlich Charakteristische der Waffe
hervorhebt. Eine Auffassung, die durch den Um-
stand gestützt wird, dass die Ansichten über die
Bedeutung des Wortes Framea schon im frühen
Mittelalter weit auseinander gingen. So tiber-
14) . Vergleiche ferner Müllenhoff Altertumskunde IV,
S. 621 ff.
15) Max Jähns, a. a. O. S. 171.
16) Max Jähns, a. a. O. S. 171.
17) Jakob Grimm, Geschichte der deutschen Sprache.
(Leipzig 1853) S. 514—518.
18) Max Jähns, ebendaselbst S. 172.

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