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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 4.1906-1908

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12. Heft
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Reimer, Paul: Vom Schwarzpulver
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https://doi.org/10.11588/diglit.38677#0399
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PAUL REIMER, VOM SCHWARZPULVER

IV. BAND

der Lupine, dazu gezwungen wird2). Diese Sauer-
stoff-Stickstoff-Verbindungen ergeben dann in
verschiedenen Umwandlungsprozessen mit Wasser
die Salpetersäure N02 ■ OH, welche mit Kalium
den Kalisalpeter N02 ■ OK bildet, dem aber noch
immer das Bestreben anhaftet, den an Stickstoff
gebundenen Sauerstoff abzuspalten. Es ergibt
sich hiernach von selbst, dafs ein inniges Gemenge
von Kohle und Salpeter ein Sprengstoff ist. Die
sich bei der Verbrennung bildende Kohlensäure
und der frei gewordene Stickstoff sind die Gase,
welche infolge der entstandenen Wärme durch
Ausdehnung mechanische Arbeit leisten.
Nun enthält aber das Schwarzpulver auch
noch Schwefel! Das hat seinen guten Grund.
Unter den Zersetzungsprodukten des Salpeters
haben wir soeben das Kalium gänzlich vernach-
lässigt. Das war nicht richtig, denn das Kalium
hat ein grofses Bestreben, sich mit der entstehen-
den Kohlensäure zu Pottasche (K2C03) zu ver-
binden, einem festen Körper, der die Kohlensäure
ihrer wärmeaufnehmenden Aufgabe entzieht und
als lästiger Rauch in die Erscheinung tritt. Hier
tritt nun der Schwefel helfend ein, indem er sich
mit einem Teil des Kaliums zu Schwefelkalium
fjK2S) verbindet, also dafür sorgt, dafs ein gröfserer
Teil ausdehnungsfähiger Gase zur Verfügung'
bleibt, allerdings unter Vermehrung des Rauches.
Hierzu kommt, dafs durch die Bildungswärme des
Schwefelkaliums die frei werdende Energie des
Pulvers vermehrt wird. Um dies gleich hier
vorwegzunehmen, sei erwähnt, dafs die festen
Bestandteile in den Verbrennungsprodukten des
Schwarzpulvers 51-—52 % des Gewichtes der
Ladung ausmachen und sich, wie folgt, verteilen
etwa 30 °/Q Pottasche,
„ 1 o °/0 Schwefelkalium,
„ 8 7o schwefelsaures Kalium und
„ 4 7o unzersetzter Schwefel.
Nebenbei erleichtert der Schwefel das Körnen
vermöge seiner klebrigen Beschaffenheit. Man
kann als sicher annehmen, dafs die Rolle des
Schwefels im Pulver dem Erfinder des Schiefs-
pulvers nicht bekannt war, und doch enthielt sein
Pulver Schwefel! Hiermit kommen wir auf die
Umstände, welche zur Erfindung des Schiefspulvers
geführt haben müssen.
2) Verbindungen zwischen dem Sauerstoff und dem
Stickstoff der Luft bilden sich auch durch elektrische Ent-
ladungen bei Gewittern. Hierauf beruht die Herstellung
künstlicher Salpetersäure auf elektrischem Wege, ein Ver-
fahren, welches zurzeit hauptsächlich in Skandinavien aus-
gebildet worden ist, und zwar mit solchem Erfolg, dafs die
so gewonnenen stickstoffhaltigen Salze schon jetzt nach
erst wenigen Jahren mit den natürlichen derartigen Salzen
für Düngezwecke in Wettbewerb treten konnten.

Die byzantinischen Griechen bedienten sich
lange Zeit hindurch als Kampfmittel einer Mischung
leicht brennbarer Stoffe, wie Pech, Schwefel,
Kolophonium, Naphta und dergleichen, welche
unter dem Namen „Griechisches Feuer“ allgemein
bekannt ist. Diese Mischung wird in weiten
Kreisen als der Vorgänger des Schiefspulvers
angesehen, aber nicht ganz mit Recht. Wir
haben gesehen, dafs das Wesen des Schiefspulvers
darin besteht, dafs ein brennbarer Stoff mit einem
Sauerstoffträger innig vermengt ist. Das griechische
Feuer enthielt aber bestimmt keinen Sauerstoff-
träger, denn der Salpeter, welcher einzig hierfür
hätte in Frage kommen können, war dem Alter-
tum und dem frühen Mittelalter völlig unbekannt.
Wenigstens haben die bisherigen Nachrichten
keine einwandfreien Anhaltspunkte für die gegen-
teilige Auffassung ergeben, wenn auch einige
Forscher durch künstliche Auslegung einiger
Stellen der alten Schriftsteller dafür eintreten.
Erst spät, als der Verkehr nach Osten sich hob,
gelangte die Kenntnis des Salpeters, der bei den
ostasiatischen Völkern längst bekannt war, nach
dem Abendlande. Bei den Chinesen, die noch
heute eine besondere Vorliebe für Feuerwerk
haben, hatte man die Eigenschaft des Salpeters,
die Verbrennung intensiver zu gestalten, schon
frühzeitig beobachtet, und benutzte ihn inVerbin-
dung mit leicht brennbaren Stoffen zur Herstellung
von Feuerwerk, wie auch wir ja noch heute
salpeterarme Brandsätze zu dem gleichen Zweck
verwenden. Aller Wahrscheinlichkeit nach haben
die Chinesen, welche bei ihrem aufs höchste aus-
gebildeten Empirismus sehr wenig Talent für
Erfindungen besitzen, den Salpeterzusatz nicht so
sehr vermehrt, um eine zum Schiefsen geeignete
Mischung zu erhalten, es hat vielmehr den An-
schein, als ob die Chinesen erst von Europa aus
die Kenntnis des Schiefspulvers erhalten hätten3).
Tatsache ist es jedenfalls, dafs die Kenntnis des
Salpeters erst spät nach Europa gelangte, und
es ist wahrscheinlich, dafs man ihn zunächst zur
Verbesserung des griechischen Feuers verwertete
um ein heftigeres Brennen desselben zu erzielen.
Durch die Kreuzzüge wurde das griechische Feuer
im Abendlande bekannt, seine eigentümlichen
Eigenschaften mufsten die Aufmerksamkeit aller
derer auf sich ziehen, die sich mit Alchemie und
ähnlichen Künsten befafsten, und so darf es nicht

3) Die ältesten, bisher bekannten Feuerwaffen der
Chinesen sind nicht älter als diejenigen Europas, und zeigen
in ihrer primitiven Konstruktion einen ganz ähnlichen
Standpunkt der Entwickelung wie bei uns. Dafs uns die
Chinesen darin um Jahrhunderte voraus waren, wie häufig
behauptet wurde, ist eine Fabel, die bisher durch nichts
eine Stütze gefunden hat.
 
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