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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 4.1906-1908

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12. Heft
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Reimer, Paul: Vom Schwarzpulver
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https://doi.org/10.11588/diglit.38677#0402
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12. HEFT

PAUL REIMER, VOM SCHWARZPULVER

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Verwendung- gekörnten Pulvers schnell ein und
drängte Bogen und Armbrust bald in den Hinter-
grund. Weniger Eingang fand das gekörnte
Pulver indessen bei der Artillerie. Die weit über
den Bedarf starken Läufe der damaligen Hand-
feuerwaffen — vielfach waren sie aus Bronze ge-
gossen — hielten den hohen Gasdruck des schnell
verbrennenden Kornpulvers gut aus, dagegen
müssen sich die für das Mehlpulver mit seinem
geringen Gasdruck eingerichteten Geschützrohre
als nicht widerstandsfähig genug erwiesen haben.
In der Tat sind die Kammern der Geschütze des
15. Jahrhunderts nicht sehr starkwandig, nur in
den seltensten Fällen und auch nur bei Bronze-
rohren vollgütig, d. h. 1 Kaliber stark, man mufs
also wohl üble Erfahrungen mit dem neuen Pulver
bei Geschützen gemacht haben. Das gekörnte
Pulver mag daher nur in dem Mafse Eingang bei
der Artillerie gefunden haben, wie sich die Ge-
schützkonstruktionen den neuen Verhältnissen
anzupassen vermochten. Die in den „Zeugbüchern“
niedergelegte Artillerie Maximilians I. weist be-
reits in der Hauptsache Geschütze auf, welche
zweifellos für Kornpulver eingerichtet sind, und
wenn es aufserdem auch noch zahlreiche Hinter-
lader mit Kammern gab, so entstammten diese
entweder einer früheren Zeit, oder aber sie waren
bereits für Kornpulver eingerichtet und wurden
wegen der taktischen Vorteile der Hinterladung
an sich weiter geführt, wie es ja auch in den
folgenden Jahrhunderten vereinzelt stets Hinter-
lader gegeben hat.
Mit der Erfindung des Körnens wurde das
Schiefspulver überhaupt erst ein kriegsbrauch-
bares Treibmittel. Von da an liefsen sich die
Kanonen, welche nur noch eine hinten geschlossene
Röhre mit zylindrischer Seele zu sein brauchten,
mit Ladeschaufel, Wischer und Ansetzer in ein-
facher Weise bedienen. Der einzige Ubelstand
war allerdings noch über zwei Jahrhunderte hin-
durch der starke, fest in der Seele haftende Rück-
stand, und noch im siebenjährigen Kriege waren
die Batterien in ihren Stellungen an das Vor-
handensein von Wasser zum Auswaschen der
Rohre gebunden. Es läfst sich daraus schliefsen,
dafs das Kleinen und Mengen der Bestandteile
des Pulvers noch immer nicht vollkommen genug
ausgeführt wurde5).
Mit dem Beginn des 16. Jahrhunderts finden
wir auch nähere Angaben über die Pulverberei-
5) Aus dem 16. und 17. Jahrhundert stammen eine ganze
Anzahl Gewehre und Wallbüchsen, deren Seele mit ge-
radem Drall gezogen ist, und zwar meist mit sternförmigem
Querschnitt. Auch Geschütze (Mörser) dieser Art hat es
gegeben. Es scheint, dafs der Pulverrückstand sich in
esen Zügen sammeln sollte, ohne die Seele zu verengen.

tung. In dem Kleinen der Bestandteile mag eine
Änderung kaum erfolgt sein, hier wird der Mörser
noch immer die Hauptrolle gespielt haben. Neben
dem ostindischen Salpeter wurde in Europa in
erster Linie der sogenannte Plantagensalpeter
zur Pulverbereitung benutzt, d. h. ein durch Fäul-
nisprozesse aus animalischen Abfällen und Jauche
hergestellter Kalisalpeter. Aber auch der aus
Kellergewölben ausschwitzende sogenannteMauer-
salpeter wurde zu dem gleichen Zweck gesammelt
und mit Pottasche zu Kalisalpeter umgesetzt6).
Die Aufbereitung erstreckte sich lediglich auf
die Entfernung vorhandener Unreinigkeiten durch
Aussieden. Ebenso wurde der Schwefel aus
schwefelhaltigem Gestein ausgeschmolzen und
durch Kristallisieren gereinigt. Schwieriger war
die Herstellung der Kohle. Man brauchte eine
zerreibliche, leicht entzündliche Holzkohle, zu der
sich das Holz des Faulbaums, der Weide, des
Rebstocks usw. gut eignete. Die durch den
Saft im Holz vorhandenen Salze mufsten durch
jahrelanges Lagern des Holzes im Freien aus-
gelaugt werden. Das Brennen der Kohle war
ziemlich primitiv und unterschied sich wenig von
der Meilerverkohlung. Im 18. Jahrhundert wurde
in der Berliner Pulvermühle, die weiterhin noch
näher zu besprechen sein wird, die Kohle in über-
wölbten, luftdicht verschliefsbaren Gruben her-
gestellt, die man nach Art von Backöfen zunächst
anheizte und nach Entfernung des Heizmaterials
mit dem Pulverkohlenholz beschickte. Der Zu-
tritt von Luft wurde so beschränkt, dafs nirgends
eine Flamme entstehen konnte, die Bildung von
Asche also vermieden wurde. Von grofser Wich-
tigkeit war nachher das Auslesen der brauch-
baren Kohlenstücke, die nach Farbe und Klang
beurteilt wurden. Bei allen diesen Manipulationen
spielte lange Zeit hindurch der Aberglaube eine
grofse Rolle. Es wurden alle möglichen Essenzen
und Kräuter unter die Pulvermaterialien gemengt,
wodurch sich im günstigsten Falle der Rückstand
des Pulvers vermehrte. Eine Vorschrift besagt
sogar, dafs die Pulverkohlen mit recht starkem
Wein abzulöschen seien, damit das Pulver rechte
Kraft bekomme. Der hierfür von den gläubigen
Auftraggebern gelieferte Wein dürfte indessen
lediglich zum Löschen des Durstes der Pulver-
macher gedient haben.
Wie bereits angedeutet, stellte das Korn-
pulver im wesentlichen die Trümmer eines festen
Pulverkuchens dar. Von der Elärte dieses Kuchens
6) Näheres hierüber und über den Einflufs der Art des
Salpeters auf die Farbe der Pulverflamme findet sich in
meinem Aufsatz „Die Erscheinung des Schusses und seine
bildliche Darstellung“ (Bd. II, Heft 11 und 12 der „Zeit-
schrift für historische Waffenkunde“).
 
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