Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 4.1906-1908

DOI Heft:
12. Heft
DOI Artikel:
Reimer, Paul: Vom Schwarzpulver
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.38677#0401

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
372

PAUL REIMER, VOM SCHWARZPULVER

IV. BAND

der Tat war in jener ältesten Zeit das Schiefsen
oder vielmehr das Laden eine besondere Kunst.
Hätte man einfach ein hinten geschlossenes Rohr
mit einer gewissen Menge Pulver geladen und
die Kugel davor gesetzt, so hätten bei dem lang-
sam brennenden Mehlpulver die ersten entstehen-
den Gase die Kugel aus dem Rohr gerollt, ohne
derselben irgend welche Geschwindigkeit zu er-
teilen. Das Pulver bedurfte also notwendig einer
festen Einschliefsung. Da man nun wahrschein-
lich zunächst Steine von auch nicht annähernd
kugelförmiger Gestalt verfeuerte, so konnte der
Abschlufs nicht mit diesen allein hergestellt wer-
den, man bediente sich vielmehr eines Holzpflockes,
um die Ladung zu verkeilen, und setzte auf diesen
erst das Geschofs. Eine aus dem Ende des
14. Jahrhunderts stammende Vorschrift zum Laden
von Geschützen sagt, dafs man zwischen Pulver
und Holzpflock einen Zwischenraum lassen, das
Pulver aber in kleinen Mengen einschütten und
feststampfen müsse (Abb. 1). Diese Vorschrift

hatte ihren guten Grund, obwohl sie verwunder-
lich erscheint, da ja das Pulver seinem Wesen
nach zum Brennen keine Luft braucht. Berück-
sichtigt man aber, dafs eine fest zusammen-
gepackte und verkeilte Mehlpulverladung gleich
einer bengalischen Flamme nur sehr langsam
abbrennen würde, so erkennt man den Zweck
des leeren Raumes darin, dafs er den zunächst
sich entwickelnden Gasen gestattet, die Ladung
aufzulockern und so eine schnellere Verbrennung
derselben herbeizuführen. So war jedenfalls der
gröfste Teil der Ladung bereits vom Feuer erfafst,
wenn der Gasdruck in dieser „Kammer“ so grofs
wurde, dafs der Holzpflock und mit diesem das Ge-
schofs aus demRohr getrieben wurde. War der Schufs
heraus, so zeigte sich in der Kammer eine dicke,
harte, fest anhaftende Kruste von Pulverrück-
ständen, die mühsam abgekratzt und heraus-
gewaschen werden mufste, bevor von neuem ge-
laden werden konnte. Man sieht, das Geschäft
eines alten Büchsenmeisters war wirklich eine
Kunst, wert, den neugierigen Blicken der Masse
entzogen zu werden. Naturgemäls übte diese
komplizierte Ladeweise einen bestimmenden Ein-
flufs auf die Gestalt und Konstruktion der Ge-
schütze aus. Man stellte die Rohre zunächst mit

konischer Seele her, um den Holzpflock besser
ansetzen zu können, und ging bald zu den
Kammergeschützen und sogar zu Hinterladern
über. Näher auf diese an sich sehr interessanten
Verhältnisse einzugehen, verbietet der Umfang
des Themas4).
Von der Herstellungs weise des ältesten Schiefs-
pulvers wissen wir wenig. Aus einigen alten Ab-
bildungen scheint indessen hervorzugehen, dafs
die einzelnen Bestandteile des Pulvers zunächst
für sich in Mörsern gekleint und dann zwischen
Steinen oder harten Brettern miteinander ver-
riebenwurden. Jedenfalls stellten sich dieBüchsen-
meister ihr Pulver meist selbst her, auch die in
gröfseren Städten etwa angelegten Pulvermühlen
können nur sehr bescheidene Anlagen gewesen sein.
Der erste grofse Fortschritt wurde in der
Pulverfrage durch die Erfindung des Körnens
gemacht, indessen wissen wir über die Entstehung
dieser wichtigen Neuerung so gut wie nichts.
Man vermutet, dafs sich gekörntes Pulver etwa
um 1425 zuerst bei Handfeuer-
waffen eingeführt hat, die Ar-
tillerie behielt noch bis zum
Ende des 15. Jahrhunderts das
ungekörnte Pulver bei. Man
darf wohl annehmen, dafs die
Vorteile der Körnung durch all-
mähliche Beobachtung erkannt
worden sind. Wurde nämlich das
Mehlpulver feucht und z. B. in einem Ledersack auf
dem Transport zwischen Kisten und dergleichen
tagelang gequetscht, so ergab sich schliefslich ein
harter Pulverkuchen, da der Salpeter sich durch die
Feuchtigkeit teilweise löste und so zu einem Binde-
mittel zwischen den einzelnen Teilchen wurde.
Beim Zerklopfen eines solchen Kuchens ergab
sich naturgemäfs nicht mehr das ursprüngliche
feine Mehlpulver, sondern unregelmäfsige, kleinere
oder gröfsere Körnchen. Verwandte man diese
zur Ladung, so fand eine erheblich schnellere
Verbrennung statt als beim Mehlpulver, es konnte
ja nunmehr die Zündflamme durch die Zwischen-
räume der Körner in kürzester Zeit die ganze
Ladung in Brand setzen. Die Verkeilung des
Pulvers durch einen Holzpflock erwies sich jetzt
als entbehrlich, das Laden war wesentlich ver-
einfacht und so die Möglichkeit einer sehr er-
weiterten Anwendung der Feuerwaffe gegeben.
Wie erwähnt, bürgerte sich die Handfeuerwaffe
im 15. Jahrhundert vermöge dieser Vorteile bei
*) Näheres darüber habe ich in meinen Aufsätzen „Das
Pulver und die ballistischen Anschauungen im 14. und
15. Jahrhundert“ (Bd. I, Heit 7) und „Die älteren Hinter-
ladungsgeschütze“ (Bd. II, Heft 1 und 2 der „Zeitschrift für
historische Waffenkunde“) gebracht.


Abb. 1. Gotisches Kanonenrohr mit konischer Seele, mit ungekörntem
Schwarzpulver nach Vorschrift geladen.
 
Annotationen