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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 4.1906-1908

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3. Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.38677#0104

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Zeitschrift für historische Waffenkunde.

IV. Band.


Forrer, Die Schwerter und Schwertknäufe
der Sammlung- von Schwerzenbach, Bre-
genz. Mit einer Geschichte von Schwert und Dolch.

Dem Schwertknauf kommt bei unseren abendländischen
Schwertern in künstlerischer Hinsicht dieselbe Bedeutung
zu wie dem Schwertstichblatt bei den japanischen. In ihm
wie im japanischen Schwertstichblatt kommt das Stilgefühl
des Künstlers am meisten zur Geltung; er ist es, der den
Künstler am stärksten zur ornamentalen Ausgestaltung an-
regt. In der Form und Behandlung des Knaufs zeigt sich
auch am deutlichsten der allmähliche Wandel des Stil-
gefühls. Mit Recht hebt Forrer daher in seinem Vorwort
die Notwendigkeit einer systematischen Bearbeitung der
Entwickelung des abendländischen Schwertknaufs hervor,
indem er die Parallele zwischen ihm und dem japanischen
Schwertstichblatt zieht, und kommt durch seine Veröffent-
lichung des aufserordentlich reichen Materials der Samm-
lung Schwerzenbach einem dringenden Bedürfnis der ein-
schlägigen Forschung entgegen.
In seiner Arbeit, die durch eine kurze Entwickelungs-
geschichte von Schwert und Dolch eingeleitet wird, entledigt
er sich der ihm gestellten Aufgabe mit Glück, und besonders
das vortreffliche Abbildungsmaterial ist sehr übersichtlich
und systematisch zusammengestellt, so dafs man sich auch
ohne den erklärenden Text ein klares Bild von der Ent-
wickelung machen kann. Eine möglichst strenge Systematik
ist auch im Text angestrebt, in dem Forrer die Entwickelung
des Schwertes sowohl als des Knaufs in ihrer zeitlichen Auf-
einanderfolge möglichst lückenlos wiederzugeben und die
Ursachen zu ergründen sucht, die die verschiedenen Formen
allmählich auseinander entstehen liefsen.
So verdienstvoll dieses Streben auch sein mag, so
liegt doch in dem allzu starren Festhalten an einem System,
welches auf einer mehr oder minder von subjektiven
Erwägungen bedingten Gruppierung eines trotz seiner
grofsen Reichhaltigkeit immerhin noch beschränkten Mate-
rials fufst, ein Hauptfehler der Arbeit. Forrer geht in
seiner, die Geschichte des Schwertes und Dolches behan-
delnden Einleitung, gleich Naue, von der Ansicht aus, dafs
sich das Schwert aus dem Dolch, der Dolch aber wieder
aus der Lanzenspitze entwickelt habe, und dafs die Aus-
bildung des Schwertes untrennbar mit einer vorgeschrittenen
Metallkultur Zusammenhänge. Das ist möglich, aber durch-
aus nicht erwiesen. Ich erinnere nur an die Tatsache, dafs
die zurzeit der spanischen Occupation noch vorwiegend auf
der Stufe der neolithischen Kultur stehenden amerikanischen
Völker lange Holzschwerter führten, deren Schneiden aus
dicht zusammen gefügten, in den Holzkern eingelassenen
Steinsplittern bestanden. Diese Schwerter hatten eine solche
Schärfe und Schlagkraft, dafs ein Mann mit einem Hiebe
den Hals eines Pferdes damit durchtrennen konnte. Dafs
also die Fähigkeit, Metalle zu bearbeiten, eine Vorbedingung
der Entstehung des Schwertes ist, kann zum mindesten nicht
überall gelten, und unsere derzeitigen Kenntnisse berech-
tigen uns nicht, sichere Schlüsse auf die Vorgänger des
Metallschwertes in der Steinzeit zu ziehen.
Gegen die klare und übersichtliche Darstellung der
Entwickelung des Schwertes in der Kupfer-, Bronze-, Hall-

statt- und Latenezeit, die sich im wesentlichen auf Naues
Arbeit stützt, werden wohl keinerlei Einwendungen erhoben
werden können. Als schmerzlich gefühlte Lücke dagegen
empfinde ich es, wenn der Verfasser von den prähistorischen
Schwertformen unvermittelt zum römischen Ensis undGladius
übergeht, ohne in seiner Erörterung die Entwickelung der
griechischen Schwertformen zu berücksichtigen. Dies ist
um so bedauerlicher, als infolge dieser Unterlassung die
wichtige Frage nach dem Zusammenhang zwischen der
griechischen und nordischen Bewaffnung vollständig un-
erörtert bleibt. So wird der nordische Scramasax als ein
Nachkomme des einschneidigen Schwertes der Spätlatene-
zeit erklärt und seine Vorgänger erst wieder in Myktnä
gesucht. Die griechische Machaira und ^urpr) läfst Forrer
vollständig unberücksichtigt. Er zitiert zwar eine Stelle
aus dem Valthari, welche das Tragen des Scramasaxus als
eine panonische Sitte bezeichnet und hebt ausdrücklich
hervor, dafs sich der Scramasaxus als Kriegswaffe dauernd
nur im Osten gehalten habe, unterläfst es aber, Folgerungen
und Schlüsse hieraus abzuleiten, die gerade für die Ent-
wickelung unseres nordischen Waffenwesens von der gröfsten
Bedeutung gewesen wären.
Auch kann man die Behauptung, dafs mit dem Auf-
kommen des Rittertums der Langsax vollständig verschwindet,
nur mit Einschränkungen gelten lassen, denn noch Otto IV.
bedient sich in der Schlacht bei Bouvines eines ausge-
sprochenen Langsaxes. (Matth. Paris Hist. Angl.) Auch ge-
hört die Darstellung des einschneidigen Langsaxes in den
mittelalterlichen Miniaturen nicht zu den Seltenheiten und
betrifft durchaus nicht immer orientalisierende Waffen.
Was die Entwickelung des mittelalterlichen Schwert-
knaufs und der Parierstange betrifft, so hat die Theorie Forrers
viel ansprechendes, nur möchte ich das Blech am Angelende
nicht wie Forrer als Embryo des späteren Knaufs ansprechen,
das heifst, ich möchte den Satz dahin formulieren, dafs die
Art, wie das Ende der Griffangel über dem Griff fest-
gehämmert wurde, ursprünglich die Form, nicht aber die
Entstehung des Knaufs bedingt, denn der Knauf, der den
Zweck hat, das Abgleiten der Hand vom Griff iu ver-
hindern, ist fast so alt wie das Schwert selbst und findet
sich vom M}^keneschwert bis zum römischen Gladius in fast
ununterbrochener Reihenfolge. Die Entwickelung des Knaufs
scheint mir im übrigen vollständig richtig dargestellt, nur
läfst sich gegen die Datierung der einzelnen Typen doch
manches einwenden, und wenn man sie auch im allgemeinen
als richtig bezeichnen kann, so wird man doch wohl davon
absehen müssen, das Geltungsgebiet der einzelnen Formen
auf bestimmte Zeiten zu beschränken. So zeigt beispiels-
weise das psalterium aureum von St. Gallen, das bekannt-
lich dem neunten Jahrhundert entstammt, Formen von
Schwertknäufen, die nach der Forrerschen Entwickelungs-
reihe unbedingt in das elfte oder zwölfte Jahrhundert ge-
hörten; in der Enciclopedia medioevale di Rubbano Mauro,
einer Miniaturenhandschrift des Klosters Montecassino aus
dem Jahre 1023, kommen neben Schwertknäufen, die Forrer
als typisch karolingisch bezeichnet auch kreisrunde oder
birnenförmige Knäufe und stark ausladende, zum Teil nach
unten gebogene Parierstangen vor. Auch die Miniaturen
des Hortus Deliciarum vom ausgehenden 12. Jahrhundert,
sowie zahlreiche Bilderhandschriften und Grabskulpturen
des 13. Jahrhunderts, wie das Grabmal Heinrichs des Löwen,
die Stifterstatuen des Doms von Naumburg, zeigen aus-
geprägte Rundknäufe, obzwar Forrer deren Entstehung, wie
es scheint, erst in das 14. Jahrhundert setzen möchte.
Sehr treffend hebt Forrer im weiteren Verlauf seiner
Arbeit hervor, dafs die Umformung des Schwertes im
späteren Mittelalter mit der Entwickelung der Fechtkunst
 
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