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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 4.1906-1908

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6. Heft
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Jacoby, Gustav: Die Waffen von Alt-Japan
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https://doi.org/10.11588/diglit.38677#0175

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Die Waffen von Alt-Japan.
Von Gustav Jacoby.

Verschiedene Ursachen haben zusammen
gewirkt, um der Kenntnis japanischer
Waffen im Ausland enge Grenzen zu
ziehen. Bei der Aufschliefsung des Landes
für den auswärtigen Verkehr blieben die Waffen,
da ihnen Prunk und auffallender künstlerischer
Schmuck fehlten, ihre Formen auch nur eine ge-
ringe Mannigfaltigkeit aufwiesen, unbeachtet und
von den Sammlern japanischer Kunstschätze fast
unberücksichtigt. Eine Ausnahme bildeten nur
die Schwertklingen und die Beschläge am Schwert.
Als man ihnen dann später bei ernsterem Ein-
gehen auf die fremdartigen Einrichtungen des neu
erschlossenen Landes gröfsere Aufmerksamkeit
zuwandte, drang man gleichwohl nicht tiefer in
die Materie ein und das Interesse erlahmte schnell,
als man erkannte, dafs sich den Forschungen ganz
unerwartete Schwierigkeiten entgegenstellten. Es
zeigte sich, dafs bei der Verschlossenheit der
Japaner und bei der geheimnisvollen Behütung
ihres Besitzes an Denkmälern der Vergangenheit,
bei der Fernhaltung fremder Besucher von Tempeln
und Schatzkammern — wodurch eine Prüfung
und Untersuchung der vorhandenen Schätze er-
schwert ward — ein ausreichend durch Urkunden
beglaubigtes, nicht nur von Sagen und Legenden
umwobenes Material an Waffen kaum erreichbar
war. Durch Vergleichung eine einigermafsen
zuverlässige Feststellung seiner Abstammung,
Entstehungszeit und geschichtlichen Aufeinander-
folge zu gewinnen, war also unmöglich. Ferner
stellte sich heraus, dafs die alten und modernen
japanischen Autoren, welche über Waffen und
Rüstungen geschrieben haben, bei ihren Ver-
öffentlichungen ganz andere Ziele als die uns
interessierenden Punkte im Auge gehabt haben.
Ihnen kam es meistens nur darauf an, ihre Leser
in häufig willkürlich aneinander gereihten Notizen
über das Wesen der Waffen im allgemeinen und
über das Zeremoniell, dem sie gedient haben, zu
unterrichten und sie mit den unzähligen Benen-
nungen der verschiedenen, sich häufig nur durch
kleinliche, ganz unwesentliche Kennzeichen unter-
scheidenden Abarten einer Waffe, wie sie Kampf-

und Sportübungen und eben das Zeremoniell ge-
schaffen hatten, bekannt zu machen. Angaben
über die Zeit des Entstehens oder der Einführung
fehlen meist. Vereinzelt werden kurze Auszüge
aus chinesischen Schriften ang-eführt, welche viel-
leicht die Entstehungszeit der betreffenden Waffe
für China belegen können, aber für Japan nur
beweisen, dafs es seine Waffen, gleich seiner Schrift
und zum Teil auch seiner Kunst, China oder Korea
zu verdanken hat. Häufig führen diese Bücher
die Erwähnung einzelner Waffentypen in den
ältesten japanischen Geschichtswerken an, in den
im Jahre 712 n. Chr. erschienenen Kojiki („Berichte
über die Begebnisse im Altertum“) und den im
Jahre 720 n. Chr. vollendeten Nihongi („Japanische
Annalen“). Da die angeführten Stellen sich aber
meist auf Vorfälle im mythologischen Zeitalter,
der Götterzeit, beziehen, sind sie nicht glaub-
würdig, und man kann aus ihnen nur die Folgerung-
ziehen, dafs jedenfalls zum Beginn des achten
Jahrhunderts, als diese Bücher niedergeschrieben
wurden, bereits Bogen und Pfeile, Lanzen und
Schwerter in Japan in der Grundform und Be-
schaffenheit bekannt waren, wie sie in den darauf-
folgenden Jahrhunderten mit nur geringen Ab-
änderungen bis in die Neuzeit im Gebrauch gewesen
sind. In der Beibehaltung der alten Waffenformen
zeigt sich wiederum der, auch auf anderen Ge-
bieten häufig in die Erscheinung tretende, durch
lange Abgeschlossenheit kultivierte konservative
Charakterzug der japanischen Nation, welcher zur
Folge hatte, dafs einmal für gut und praktisch
befundene Formen Jahrhunderte hindurch vor-
bildlich geblieben und immer wieder fast ohne
jede Veränderung hergestellt worden sind. Der
Umstand, dafs die Waffen im Zeremoniell aus-
giebige Verwendung gefunden haben, hat sicherlich
auch zu dem Festhalten an den alten Formen bei-
getragen.
Ob sich bei so gearteten Verhältnissen jemals
in dem in Europa üblichen Sinne die Entstehungs-
zeit und die geschichtliche Entwicklung der japa-
nischen Waffen zuverlässig feststellen lassen wird,
ist zweifelhaft, jedenfalls ist es bei der Dürftigkeit

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