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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 4.1906-1908

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3. Heft
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Forrer, Robert: Gotische Federzeichnungen heraldisch geschmückter Turnierritter
DOI Artikel:
Potier, Othmar: Die Waffenkammer des Stiftes Kremsmünster, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.38677#0092

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78

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

IV. Band.

zog" von Sachsen endlich (bezeichnet „le duc
de saxen“) habe ich ausgewählt, weil hier eine
ganz besonders seltsame Helmform zur Abbildung
gebracht ist; mit ihrem hohen Kamm würde man
sie weit eher dem 16. Jahrhundert geben, wenn
man nicht wüfste, dafs dieser Pariser Bilderkodex
schon um 1467 entstanden ist.
Auch mein Blatt des Herrn Geoffroy de
Lusignan dürfte etwas älteren Datums sein, als
es im ersten Augenblick den Anschein hat, und
noch dem Ende des 15. Jahrhunderts angehören.
I-Iier wie dort war der Plauptzweck dieser
Bilder ersichtlich ein heraldisch-heroldischer.
Es müssen das Bücher gewesen sein, welche sich
die den Turnieren vorstehenden Wappenkönige
oder Herolde als N achschl agebücher an-
legten, in welchen sie die heraldische

Musterung der Turnierkostüme von Rofs
und Reiter für die Zwecke der Turniere
einzeich neten2).
Da gerade diese Teile der Turnierausrüstung
so gut wie gar nicht in Originalen auf uns über-
kommen sind, haben diese Bilder für uns einen
doppelt willkommenen dokumentarischen Wert3).
2) Lorbdan Larchey bezeichnet das Manuskript des
Pariser Arsenals sehr richtig als „le carnet officiel d’un juge
d’armes uniquement pröoccupb de l’exactitude des d^tails
h^raldiques qui rc§glaient l’habillement de son monde fbodal“.
8) Vergleicht man die hier faksimilierten alten Zeich-
nungen mit den modernen Umzeichnungen S. 35 ff., so mufs
in die Augen springen, dafs die alten Zeichner den Reiter
viel näher an den Nacken des Pferdes und viel höher
setzen, als der vom modernen Reitwesen beeinflufste mo-
derne Zeichner es tut. Es sind das viel zu wenig be-
achtete Eigentümlichkeiten des 15. Jahrhunderts.


Die Waffenkammer des Stiftes Kremsmünster.
Systematisch dargestellt von Dr. Otmar Baron Potier.
(Fortsetzung aus Heft 1.)

I. Angriffswaffen.
A. Schlagwaffen.
40. Streitkolben. Eine aus hartem Holz
roh zugeschnittene, 82 cm lange Keule, welche
sich gegen ihr oberes Ende zu wieder etwas ver-
jüngt, ist hier mit zehn 4,5 cm langen Holznägeln
gespickt. Am Stiel ist ein Streifen groben Papieres
befestigt, auf welchem, mit Tinte geschrieben,
zu lesen ist:
Clavam hanc Cremifanum misit R(everendus)
D(ominus) Arsenius Reich(ardt) Senior Welsy
Capellanus, figuram aliarum quibus ibidem
Borusi sese, sed invanum in seditionem ....t
2. Decembris a(nno) 17(63?).
Diese aus den Bauernkriegen stammende Waffe
wiegt 1 kg.
41. Streitkolben. Ein 155 cm langer Stiel
aus weichem Holz trägt einen 23 cm langen
birnenförmigen Kopf. Derselbe ist mit acht
7—8 cm langen schmiedeeisernen Stacheln von
vierkantigem Querschnitt bewehrt. Eine 23 cm
lange, am Grunde 4 cm breite und flache Stofs-
klinge ist mit zwei 37 cm langen Federn am Kopf
befestigt. 16. oder 17. Jahrh.

Anmerkung. Mit derartigen Streitkolben war die
grofse Masse der aufständigen Bauern in Oberösterreich
bewaffnet, deren Ausrüstung auch sonst nur aus landwirt-
schaftlichen, für den Kampf zugerichteten Geräten bestand.
Die Berichte über die Bauernunruhen erwähnen besonders
der „Haushackl“, kleiner Handbeile, und vor allem der
„Prigl“, keulenartiger Stöcke, deren Köpfe mit Nägeln
besetzt waren.
Diese Streitkolben wurden im Gefecht bei Eferding
(9. November 1626) verwendet, und von den Weiberauer
Bauern heifst es, dafs sie „gar iibl bewehrt und tragen
meistentheils nur beschlagene Kolben oder knidl“. Auch
das Fadingerlied gedenkt dieser primitiven Waffe wieder-
holt. So heifst es in der Strophe 30: „Hascha, zum Prigl
thut greiffen . . .“, und wenige Strophen später weifs der
Volksbarde für die absolute UnVerwundbarkeit des ge-
fürchteten Generals Grafen Pappenheim keinen über-
zeugenderen Beweis anzuführen, als dafs er die Bauern
erzählen läfst:
Kein Prigl, kein Stecken
Will gegen ihn klecken (etwas ausrichten, wirksam sein),
Noch unsere Kolben spitzig.
Zum Verständnis dieser Stelle mufs daran erinnert
werden, dafs nach dem Volksglauben schufsfeste, steif ge-
frorene, also durch Zauberkraft vermeintlich unverwundbar
gemachte Kriegsleute nur entweder durch eine aus er-
erbtem Gold oder Silber gegossene Kugel, wie der kaiser-
liche Gouverneur von Greifswald, Oberst Franz
Ludwig Perusi (gefallen am 21. Juni 1631), oder durch
den Schlag mit einer hölzernen Keule getötet werden
 
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