12. HEFT
gas mit der Formel CH^ Lassen wir dieses in die
Salpetersäure eintreten, so erhalten wir die Formel
NO, • O • CH,. In diesem Molekül haben wir nun-
mehr den Sauerstoffträger N02 und den brenn-
baren Bestandteil CH, eng vereinigt, es bedarf
also hier nicht mehr einer mechanischen Annäherung
dieser Teile, wie beim Schwarzpulver. In der Tat
explodiert dieser Körper, welcher den chemischen
Namen Salpetersäuremethylester führt, sowohl
durch Schlag, wie durch Erhitzen, äufserst heftig,
indem durch Zuführung äufserer Energie nach
Zertrümmerung des Moleküls eine Umsetzung in
lauter gasförmige Produkte stattfindet, nämlich:
H20 (als Dampf), N, CO, O und H, welche die
entstehende gewaltige Bildungswärme aufnehmen
und durch Ausdehnung in mechanische Kraft um-
wandeln.
Von völlig' entsprechendem oder ganz ähn-
lichem Charakter sind die Sprengstoffe, welche
wir unter dem Namen Schiefsbaumwolle, Nitro-
glyzerin, Pikrinsäure usw. kennen. Wie bekannt,
ist die Zersetzung dieser Stoffe, da ja alle wirk-
samen Bestandteile in jedem Molekül vereinigt
sind, aufserordentlich heftig und mit enormer
Kraftäufserung verbunden. Es hat sich nun er-
geben, dafs die Zersetzungsgeschwindigkeit des
gröfsten Teiles dieser Körper durch teilweise Auf-
lösungs-,sogenannte Gelatinierungsvorgänge unter
gewissen Voraussetzungen erheblich; man kann fast
sagen unbegrenzt, verlangsamt werden kann. Man
hat daher bei Verwendung derartiger gelatinierter
Pulver, wie sie heute unter den verschiedensten
Bezeichnungen das Schwarzpulver fast völlig ver-
382
drängt haben, die Möglichkeit, den Gasdruck in
den Feuerwaffen in sehr weiten Grenzen zu regeln,
und fast täglich werden hierin weitere Fortschritte
gemacht.
Fassen wir nun zum Schlufs das über das
Wesen des Schwarzpulvers und seine Verwend-
barkeit Gesagte nochmals kurz zusammen, so kann
das Urteil nur dahin lauten, dafs das Schwarz-
pulver unter den künstlichen chemischen Spann-
werken eine durchaus niedrige Stufe einnimmt.
Auch ballistisch ist es seiner eng begrenzten Ver-
wendbarkeit wegen wenig interessant, als Kultur-
faktor dagegen hat das Schwarzpulver ein wohl-
begründetes Anrecht auf unsere Beachtung und
Anerkennung. Unter diesem Gesichtspunkt hat
auch das dem sagenhaften Erfinder des Schwarz-
pulvers in Freiburg im Breisgau errichtete Denk-
mal seine innere Berechtigung, als Wahrzeichen
mit des denkwürdigsten Fortschrittes der Mensch-
heit, welcher im Verein mit der Buchdruckerkunst
den menschlichen Geist von den Finsternissen
mittelalterlicher Engherzigkeit soweit befreite,
dafs Dampfkraft und Elektrizität die technischen
Grundlagen eines neuen, unendlich fruchtbareren
Kulturlebens werden konnten.9)
9) Die Abbildungen 4 und 6 sind dem Werk „Beiträge
zur Geschichte des Maschinenbaues“ von Theod. Beck
(besprochen in Bd. II, Heft 2 dieser Zeitschrift) und die
Abbildungen 2 — 3, 7 —12 und 14 — 16 dem Werk „Die In-
dustrie der Explosivstoffe“ von Osk. Guttmann entnommen
und wurden von den Verlegern Jul. Springer in Berlin bezw.
Friedr. Vieweg & Sohn in Braunschweig in dankenswerter
Weise zur Verfügung gestellt.
H. STÖCKLEIN, EINE BISHER UNBEKANNTE AUGSBURGER ÄTZERFAMILIE
__ ••
Eine bisher unbekannte Augsburger Atzerfamilie
Von Hans Stöcklein
Im Bayrischen Nationalmuseum München be-
finden sich unter den Inventar-Nummern 1478
und 1479 Brust und Halskragen eines blanken
geätzten Feldharnisches. (Abb. 1.)
Kragen, bestehend aus Brust- und Rücken-
blech, einem zweimal geschobenen Halsring mit
geschnürltem Rand, die Fürfeilen ausgezaddelt.
Federzapfen zum Einhängen der Achseln. Am
Oberrand des Halses ein Ätzstreifen, je drei solche
radiale Streifen auf Brust- und Rückenblech.
Durchmesser 14,5 bis 15,5 cm.
Brust mit beweglichen Einsätzen an den Arm-
ausschnitten, Gansbauch, einem Bauchreifen, der
andere Bauchreifen fehlt. Am Oberrand, wie an
den Armausschnitten stark ausgetriebene Strick-
wulste, gezaddelte Fürfeilen.
Am Oberrand, an den zwei Einsätzen, sowie
auf dem Mittelgrat und zu dessen Seiten je ein
Ätzstreifen. Auf der rechten Brustseite ein geätztes
Kruzifix, davor auf der linken Seite ein langbärtiger,
kniender Ritter, über welchem auf einer Schrift-
tafel die Buchstaben
I G M H.
Höhe der Brust 45,2 cm. Gewicht 4,285 kg.
Die Ätzung-zeigt auf geschwärztem, hell punk-
tiertem Grunde elegante Arabesken von Pflanzen-
ranken und Blumen mit Delphinen, Engelskopf,
Vogel, dazwischen Darstellungen von Waffen
5°
gas mit der Formel CH^ Lassen wir dieses in die
Salpetersäure eintreten, so erhalten wir die Formel
NO, • O • CH,. In diesem Molekül haben wir nun-
mehr den Sauerstoffträger N02 und den brenn-
baren Bestandteil CH, eng vereinigt, es bedarf
also hier nicht mehr einer mechanischen Annäherung
dieser Teile, wie beim Schwarzpulver. In der Tat
explodiert dieser Körper, welcher den chemischen
Namen Salpetersäuremethylester führt, sowohl
durch Schlag, wie durch Erhitzen, äufserst heftig,
indem durch Zuführung äufserer Energie nach
Zertrümmerung des Moleküls eine Umsetzung in
lauter gasförmige Produkte stattfindet, nämlich:
H20 (als Dampf), N, CO, O und H, welche die
entstehende gewaltige Bildungswärme aufnehmen
und durch Ausdehnung in mechanische Kraft um-
wandeln.
Von völlig' entsprechendem oder ganz ähn-
lichem Charakter sind die Sprengstoffe, welche
wir unter dem Namen Schiefsbaumwolle, Nitro-
glyzerin, Pikrinsäure usw. kennen. Wie bekannt,
ist die Zersetzung dieser Stoffe, da ja alle wirk-
samen Bestandteile in jedem Molekül vereinigt
sind, aufserordentlich heftig und mit enormer
Kraftäufserung verbunden. Es hat sich nun er-
geben, dafs die Zersetzungsgeschwindigkeit des
gröfsten Teiles dieser Körper durch teilweise Auf-
lösungs-,sogenannte Gelatinierungsvorgänge unter
gewissen Voraussetzungen erheblich; man kann fast
sagen unbegrenzt, verlangsamt werden kann. Man
hat daher bei Verwendung derartiger gelatinierter
Pulver, wie sie heute unter den verschiedensten
Bezeichnungen das Schwarzpulver fast völlig ver-
382
drängt haben, die Möglichkeit, den Gasdruck in
den Feuerwaffen in sehr weiten Grenzen zu regeln,
und fast täglich werden hierin weitere Fortschritte
gemacht.
Fassen wir nun zum Schlufs das über das
Wesen des Schwarzpulvers und seine Verwend-
barkeit Gesagte nochmals kurz zusammen, so kann
das Urteil nur dahin lauten, dafs das Schwarz-
pulver unter den künstlichen chemischen Spann-
werken eine durchaus niedrige Stufe einnimmt.
Auch ballistisch ist es seiner eng begrenzten Ver-
wendbarkeit wegen wenig interessant, als Kultur-
faktor dagegen hat das Schwarzpulver ein wohl-
begründetes Anrecht auf unsere Beachtung und
Anerkennung. Unter diesem Gesichtspunkt hat
auch das dem sagenhaften Erfinder des Schwarz-
pulvers in Freiburg im Breisgau errichtete Denk-
mal seine innere Berechtigung, als Wahrzeichen
mit des denkwürdigsten Fortschrittes der Mensch-
heit, welcher im Verein mit der Buchdruckerkunst
den menschlichen Geist von den Finsternissen
mittelalterlicher Engherzigkeit soweit befreite,
dafs Dampfkraft und Elektrizität die technischen
Grundlagen eines neuen, unendlich fruchtbareren
Kulturlebens werden konnten.9)
9) Die Abbildungen 4 und 6 sind dem Werk „Beiträge
zur Geschichte des Maschinenbaues“ von Theod. Beck
(besprochen in Bd. II, Heft 2 dieser Zeitschrift) und die
Abbildungen 2 — 3, 7 —12 und 14 — 16 dem Werk „Die In-
dustrie der Explosivstoffe“ von Osk. Guttmann entnommen
und wurden von den Verlegern Jul. Springer in Berlin bezw.
Friedr. Vieweg & Sohn in Braunschweig in dankenswerter
Weise zur Verfügung gestellt.
H. STÖCKLEIN, EINE BISHER UNBEKANNTE AUGSBURGER ÄTZERFAMILIE
__ ••
Eine bisher unbekannte Augsburger Atzerfamilie
Von Hans Stöcklein
Im Bayrischen Nationalmuseum München be-
finden sich unter den Inventar-Nummern 1478
und 1479 Brust und Halskragen eines blanken
geätzten Feldharnisches. (Abb. 1.)
Kragen, bestehend aus Brust- und Rücken-
blech, einem zweimal geschobenen Halsring mit
geschnürltem Rand, die Fürfeilen ausgezaddelt.
Federzapfen zum Einhängen der Achseln. Am
Oberrand des Halses ein Ätzstreifen, je drei solche
radiale Streifen auf Brust- und Rückenblech.
Durchmesser 14,5 bis 15,5 cm.
Brust mit beweglichen Einsätzen an den Arm-
ausschnitten, Gansbauch, einem Bauchreifen, der
andere Bauchreifen fehlt. Am Oberrand, wie an
den Armausschnitten stark ausgetriebene Strick-
wulste, gezaddelte Fürfeilen.
Am Oberrand, an den zwei Einsätzen, sowie
auf dem Mittelgrat und zu dessen Seiten je ein
Ätzstreifen. Auf der rechten Brustseite ein geätztes
Kruzifix, davor auf der linken Seite ein langbärtiger,
kniender Ritter, über welchem auf einer Schrift-
tafel die Buchstaben
I G M H.
Höhe der Brust 45,2 cm. Gewicht 4,285 kg.
Die Ätzung-zeigt auf geschwärztem, hell punk-
tiertem Grunde elegante Arabesken von Pflanzen-
ranken und Blumen mit Delphinen, Engelskopf,
Vogel, dazwischen Darstellungen von Waffen
5°