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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 4.1906-1908

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3. Heft
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Forrer, Robert: Gotische Federzeichnungen heraldisch geschmückter Turnierritter
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https://doi.org/10.11588/diglit.38677#0090

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76

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

IV. Band.

Gotische Federzeichnungen heraldisch geschmückter
Turnierritter.


Von Dr. R. Forrer, Strafsburg.

[11 Heft 2 dieser Zeitschrift hat Dr.Ke-
kule von Stradonitz einige Tur-
nierreiter abgebildet, wie sie auf
dem Brüsseler Turnierfest 1905
zu sehen waren. Da die zur Ab-
bildung gebrachten Reiterfiguren
modernisierte Um Zeichnungen
alter Federzeichnungen sind,
mag zur Ergänzung hier das ge-
naue Faksimile eines Original-
Blattes Raum finden, wie es jenen modernen
Reiterbildern als Grundlage diente — ein Original,
welches sich in meiner Sammlung mittelalterlicher
Miniaturen befindet (vgl. die beigegebene farbige
F aksimile -T af el).
Es ist ein 21 cm hohes und 14 cm breites
Papierblatt, auf das mit der Feder ein Ritter zu
Pferd aufgerissen ist, der mit blauer Farbe leicht
getönt ist und in blau und rot den heraldischen
Farbenschmuck aufgetragen erhalten hat.
Das Wappen ist das der Herren von Lu-
signan, ein vielfach in Blau und Silber wagrecht
geteilter Schild, der mit einem roten Löwen belegt
ist. Es kehrt auf dem Bilde nicht weniger als 8 mal
wieder: auf der Rofsstirn und als Scheitelschmuck
des Pferdes; vorn und hinten auf der Pferdedecke;
auf der Vorderfront des Turniersattels; oben und
unten auf dem Waffenrock des Ritters; endlich
über dem gekrönten Spangenhelm als Helmzier in
Gestalt zweier blau-weifs gemusterter Flügel und
eines dazwischen hervorwachsenden Löwen.
Dafs wir es in der Tat mit einem Lusignan
zu tun haben, bestätigt die am obern Rande an-
gebrachte Beischrift, welche den berühmten
Namen freilich etwas entstellt wiedergibt; ich lese
„(Geo)ffroy de Lisygmon-Le Sire“. —■ Die Ent-
stellung des Namens darf nicht befremden; ähn-
liche Entstellungen zeigen auch andere heraldische
Ritterbilder dieser Art; so ist im Armorial des
Pariser Arsenals (Ms. Nr. 4790) Rene von Anjou
als „le roy de sesille“ (statt Sicile), der König
von Castilien als „roy de castielle“ bezeichnet.
Auch die Anhängung- des Titels (wie hier „Le
Sire“) findet sich anderwärts; so im eben ange-
zogenen Armorial Nr. 4790 „L’evesque de laon-
duc“, „l’evesque de noyon comte“ usw.
Ersichtlich liegt hier eine Zeichnung vor, die
aus einem Kodex ähnlich dem „Armorial de la

Toison d’Or“ stammt, wie er den Brüsseler Fest-
kostümen als hauptsächliche Grundlage diente.
Auf den ersten Blick könnte man glauben, dafs
mein Blatt zu jenem Manuskript Nr. 4790 des
Pariser Arsenals gehört. In der Tat ist nach
Provenienz, Zeichnung und Beischrift am franzö-
sischen Ursprung des Blattes nicht zu zweifeln.
Aber die von einem befreundeten Kenner ver-
mutete Zugehörigkeit zum „Armorial de la Toison
d’Or“ ist nicht zutreffend. Die Zeichnung verrät
einen im heraldischen Stil weniger erstarrten K ünst-
ler, als das bei den Bildern des erwähnten Armorial
der Fall ist; im letztem wird mehr mit farbigen
Flächen operiert, hier der Zeichnung durch
Schraffierung mehr Relief verliehen; hier ist der
Boden leicht angedeutet, dort fast durchweg
farbig gehalten und mit Blumen und Gräsern
besät. Zudem sind, wie mir Herr Henry d’Alle-
magne schreibt, dort die Figuren gröfser.
Zum Vergleich füge ich auf Seite 77 vier ver-
kleinerte Faksimiles aus dem erwähnten Armorial
bei, welche ich einer Schrift Loredan Larcheys ent-
nehme, die ich unserem Mitgliede M. Charles
Buttin verdanke, betitelt: „Costumes vrais, Fac-
simile de 50 mannequins de cavaliers en grande
tenue heraldique, d’apres le manuscrit d’un officier
d’armes de Philippe le Bon, duc de Bourgogne,
1429 — 1467“ (Paris 1899)1). Die Auswahl, die ich
getroffen habe, genügt, um den Unterschied
zwischen den beiden Meistern zu zeigen; sie soll
aber zugleich auch unsern Waffenforschern be-
sonders interessantes Studienmaterial vorführen.
Das Bild des Jean de Roubaix (bezeichnet
„Mons de Rombais“) habe ich gewählt, weil es
als Helmzier zwei gotische Beinschienen
führt. Das Bild des Grafen von Beauvais
(bezeichnet L’evesque de Beauvais, comte) zeigt
uns ein hervorragend interessantes und schönes
französisches Bacinet. Das Bild des Königs
von Aragon (bezeichnet „roy d’argoon“) trägt
auf dem Spangenhelm einen Drachen als Helm-
zier, wie er in der Vente Bardini am 5. Juni 1899
unter Nr. 159 zur Versteigerung kam. Den Her-

9 In Farben reproduziert von Larchey bei Berger-
Levrault (Paris 1890): ,,L’Armorial de l’Europe au XV. siede“.
Zwei farbige Reproduktionen bei Ströhl: „Heraldischer
Atlas“ (Stuttgart, Jul. Hoffmann, 1899); ebendort noch andere
Faksimiles aus verwandten Manuskripten.
 
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