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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 6.1912-1914

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2. Heft
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Gessler, Eduard Achilles: Beiträge zum altschweizerischen Geschützwesen, [2]: die großen Geschütze aus dem Zeughausbestand der Stadt Basel
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https://doi.org/10.11588/diglit.39948#0071
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2. HEFT E. A. GESSLER, BEITRÄGE ZUM ALTSCHWEIZERISCHEN GESCHÜTZWESEN 51

Auf dem Vorderfeld oben sehen wir das erhaben
gegossene und nachziselierte Wappen des Herzog
Karls des Kühnen von Burgund (regierte 1467/77),
daneben in gleicher Technik auf einer Seite die
Insignien des Ordens vom goldenen Vliefs, von
Philipp dem Guten von Burgund 1429 gestiftet,
bestehend aus einem Feuerstahl mit zwei als Hand-
habe dienenden gekrümmten Hörnern und einem
Feuerstein mit daraus sprühenden Funken. Auf der
andern Seite befindet sich eine Buchstabendevise,
zwei gegeneinandergekehrte, durch ein Seilstück
zusammengebundene gotische Minuskeln CD, deren
Bedeutung nicht festgestellt werden konnte.

Kugelgewicht 85 Pfund.
Gewicht des ganzen Rohrs 1956 Pfund.
Die Ladung nimmt 3/5 von der Fassungskraft
der Kammer in Anspruch.
Die Seelenlänge des Flugs beträgt ca. 7 mal
das Kaliber des Flugs; also nicht mehr ganz
genau die Proportionen der grofsen Bombarden
aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts, aber immer-
hin nicht aufsergewöhnlich verschieden. Das Ge-
schütz befindet sich zum ersten Mal erwähnt und
kurz beschrieben in einem ohne Druckort und
Zeit erschienenen Büchlein von Charles Stajessi
„Les armes ä feu dans le passe ä Fribourg en


Auf dem Felde bei der Mündung kündet uns
eine Umschrift, die rund um das Rohr läuft, Meister
und Entstehungszeit des Geschützes.
In gotischer Minuskelschrift und Zahlen, die
einzelnen Worte durch Kreuze und Lilien ge-
trennt, liest man: iehan de malines ma fayt lan
m. cccc. L. x xl 111.
Bevor wir auf diese äufserst wichtige In-
schrift eingehen, sollen zuerst die vom Verfasser
genau bemessenen Gröfsenverhältnifse folgen:
Rohrlänge 255,5 cm.
Länge der Traube 24 cm.
Länge vom Stofsboden bis an die Schildzapfen
103 cm.
Umfang der Schildzapfen am Rohr 40 cm.
„ „ „ „ Ende 38 cm.
„ des Rohrs beim Stofsboden 92,5 cm.
„ „ ,, bei der Mündung 94 cm.
„ „ „ beim Mittelstück 114 cm.
Kaliber der Kammer 13 cm.
Kaliber des Flugs 22,7 cm.
Gesamtseelenlänge 217,5 cm.
Seelenlänge der Kammer 55 cm.
Seelenlänge des Flugs 162,5 cm.
Höhe der Mündung 35,6 cm.

Suisse“, die Mafse sind jedoch ungenau. Die
beigefügte Skizze hingegen gibt ein gutes Bild
des Rohrs samt der Inschrift.
Was aber dieses Rohr von 1474 von den
früheren Rohren gewaltig unterscheidet, und
etwas völlig Neues in der Artillerie bedeutet,
abgesehen von dem grofsen Vorteil des ge-
gossenen vor dem geschmiedeten Geschütz, das
ist das Auftreten von Balanceschildzapfen. Unser
Rohr dürfte das älteste erhaltene sein, das zu-
gleich mit dem Rohr gegossene Schildzapfen
aufweist. Zwar kommen in einer Stadtrechnung
von Lille von 1465 Schildzapfen für kleine Schlangen
vor, allein die waren nicht mit dem Rohr ver-
schmolzen, sondern mit Eisenbändern daran an-
gebracht. Das historische Museum von Basel
besitzt ein ähnliches Bronzegeschütz mit solchen
eisernen Schildzapfen.
Wohl gab es um diese Zeit schon eine Art
von Schildzapfen, aber diese hatten nicht den
Zweck, dem Geschütze eine Balance zum Richten
zu geben; meist zu je 4 an der Kammer und am
Flug der Hauptstücke, aber nie in der Mitte der
Gleichgewichtslage angebracht, dienten sie zur
Befestigung des Rohrs auf der Unterlage.
 
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