DOMENICO VENEZIANO, Altarbild für Santa Lucia
degli Magnoli, um 1445, Tempera auf Holz,
209 x 216 cm, Florenz, Galleria degli Uffizi
ANDREA DEL VERROCCHIO und LORENZO DI CREDI,
Altarbild für den Dom in Pistoia, um 1475-1485,
Tempera und Öl [?) auf Holz, 189x190,5 cm,
Florenz, Galleria degli Uffizi
liano da Sangallo. Mit der Anlage des Gemäldes griff Botticelli auf bereits bewährte
Bildformeln zurück. Vom Typus her handelt es sich beim Bardi-Altar um eine klassi-
sche Sacra conversazione: Die thronende Maria mit Kind ist umgeben von Johannes
dem Täufer und dem Evangelisten Johannes, den Schutzpatronen der Stadt Florenz
und Giovanni de' Bardis. Die Welt des Stifters reicht somit in den Bildraum hinein,
der sich in »seinen« Heiligen wiederfinden konnte. Den Hintergrund bildet eine
imposante Kulisse aus architektonischen und floralen Elementen. Ähnlich wie schon
in seinem ersten großen Altarbild, der Tafel für Sant' Ambrogio, schloß Botticelli
formal zunächst an ältere, in Florenz gängige Typen an (siehe Kap. II). Diese Typen
wiesen bei einer überschaubaren Anzahl von Heiligen in der Regel einen architekto-
nisch gegliederten und dabei mehr oder weniger abgeschlossenen Hintergrund auf.
Zu den Gliederungselementen gehörten Podeste, Treppen, Säulen, Pilaster, Balu-
straden, ornamentierte Bögen und Nischen, mit deren Hilfe Maria oder einzelne
Heilige hervorgehoben wurden. Hinzu kamen hinter der architektonischen Gliede-
rung plazierte Bäumchen sowie gelegentlich auch kleinere Landschaftsausblicke.
Beispiele für solche Gestaltungsmöglichkeiten sind Domenico Venezianos Altarbild
für Santa Lucia degli Magnoli in Florenz von etwa 1445 (Abb. links oben) und ein
von Andrea del Verrocchio und Lorenzo di Credi geschaffenes Altarbild für den
Dom in Pistoia, um 1475-1485 (Abb. links unten). In beiden Fällen erfolgte die Glie-
derung des Hintergrunds durch Architekturelemente, die um einige dahinter pla-
zierte Bäumchen ergänzt wurden. Diese Idee entwickelte Botticelli weiter, indem er
die Hintergrundarchitektur fast vollständig durch ein Arrangement aus symbolisch
gemeinten Pflanzen ersetzte. Er erneuerte damit eine schon Jahrzehnte gültige Bild-
formel und reagierte zugleich auf Forderungen der Auftraggeber, die offenbar ein
gewisses Maß an floraler Symbolik erwarteten (s.u.).
Der Stifter von Botticellis Altarbild war lange Jahre als Kaufmann in Eng-
land und dort zeitweise als Filialleiter der Medici-Bank tätig gewesen. Gleich nach-
dem er 1483 endgültig nach Florenz zurückgekehrt war, bemühte er sich um die Aus-
stattung einer Grabkapelle in Santo Spirito, wo ungefähr zeitgleich andere Familien
ihre Kapellen erneuerten und ausstatteten. Giovanni de’ Bardis Grabkapelle war
somit Teil einer generellen Neugestaltung des zuvor von Filippo Brunelleschi im
Renaissancestil errichteten Sakralbaus. Ähnlich wie im Fall der Kirche von San
Lorenzo und der Badia Fiesolana stammten die Ausstattungen der Kapellen in Santo
Spirito von Personen, die in leitender Funktion für die Medici tätig waren. In San
Lorenzo, in der Badia Fiesolana und in Santo Spirito stellte also eine von den Medici
angeführte Klientel ihre Zusammengehörigkeit und ihren ästhetischen Anspruch
durch eine möglichst einheitliche Ausstattung der Kirche zur Schau. Aus diesem
Grund wurde großer Wert darauf gelegt, daß die Altarbilder in ihren Dimensionen
und ihrer Gestaltung ungefähr dem gleichen Standard entsprachen. Das zeigt sich an
den Abmessungen und erhaltenen Originalrahmen mehrerer Altarbilder, die noch
heute in Santo Spirito zu sehen sind.
Giovanni de’ Bardis Engagement in Santo Spirito ist in vieler Hinsicht
typisch für die Bemühungen der Florentiner Oberschicht, sich in einer prominenten
Kirche eine Grablege zu sichern, dort die entsprechende Ausstattung mit Gemälden
146 [Die späten Altarbilder]