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Hinsichtlich des weiteren Verlaufes des Verfahrens muss man vor
Allem auf den Unterschied Rücksicht nehmen, welcher in der Eigen-
schaft des Thäters als Bürger oder Nichtbürger seinen Grund hat.
Doch bedarf es in dieser Rücksicht keiner getrennten Darstellung,
und lassen sich die Abweichungen, welche das Verfahren in Bezug
auf den Einen oder den Anderen darbietet, an den betreffenden Stellen
leicht hervorheben. Aber ein anderer Unterschied fordert nothwendig
eine geschiedene Erörterung, nämlich der des Verfahrens bei be-
schriener und nicht - beschriener Thai, unter welchen beiden Haupt-
arten wieder einige Unterabtheilungen Platz greifen. '
§. 36.
Beschriene, handhafte und übernächtige That. Blickender
»Schein.
Die Unterscheidungen, welche sich in dem Bamberger Stadtrechte
hinsichtlich des Criminalverfahrens erkennen lassen, linden sich alle
schon in dem Sachsen- und Schwabenspiegel angedeutet, und über-
dies in vollkommener Uebereinstimmung und fast gleicher Vollstän-
digkeit in dem Verfahren der westphälischen Femgerichte ausgebildet,
so dass die nachfolgende Darstellung gewissermassen auf den Cha-
racter der Gemeingültigkeit Anspruch machen dürfte.
Die Hauptverschiedenheit des Criminalverfahrens beruhet nach
dem Zeugnisse aller mittelalterlichen Rechtsquellen auf dem Unter-
schiede der beschrienen und nicht beschrienen That.
Beschrien (beruft), ist eine That, wenn der Verbrecher darüber
betreten, und mit Geschrei (Geraffte) verfolgt worden ist. Die all-
gemeine Rechtsfolge der beschrienen That bestehet darin, dass der
Verbrecher, er mag nun wirklich sogleich bei ihrer Begehung ge-
fangen genommen (aufgehalten, bekümmert) werden — in welchem
Falle sie insbesondere handhafte^auch wahre, frische That heisst —
oder er mag nachher gefänglich eingezogen werden, sich nicht
durch seinen Eid von der Anschuldigung freischwören und auch nicht
ein Ordale (Kampfgericht) verlangen kann, sondern dass er sofort
als der Anklage überwiesen gilt, wenn durch Zeugen gegen ihn
erwiesen wird, dass über ihn ein Gerufte erhoben worden sei. Dieser
Grundsatz galt nach dem Zeugnisse des Sachsen- und Schwaben-
spiegels x) von jeher in den Ländern des Fränkischen Rechtes, und
wjrd dort namentlich erwähnt, (|ass kein Franke seinen Leib verwir-
Hinsichtlich des weiteren Verlaufes des Verfahrens muss man vor
Allem auf den Unterschied Rücksicht nehmen, welcher in der Eigen-
schaft des Thäters als Bürger oder Nichtbürger seinen Grund hat.
Doch bedarf es in dieser Rücksicht keiner getrennten Darstellung,
und lassen sich die Abweichungen, welche das Verfahren in Bezug
auf den Einen oder den Anderen darbietet, an den betreffenden Stellen
leicht hervorheben. Aber ein anderer Unterschied fordert nothwendig
eine geschiedene Erörterung, nämlich der des Verfahrens bei be-
schriener und nicht - beschriener Thai, unter welchen beiden Haupt-
arten wieder einige Unterabtheilungen Platz greifen. '
§. 36.
Beschriene, handhafte und übernächtige That. Blickender
»Schein.
Die Unterscheidungen, welche sich in dem Bamberger Stadtrechte
hinsichtlich des Criminalverfahrens erkennen lassen, linden sich alle
schon in dem Sachsen- und Schwabenspiegel angedeutet, und über-
dies in vollkommener Uebereinstimmung und fast gleicher Vollstän-
digkeit in dem Verfahren der westphälischen Femgerichte ausgebildet,
so dass die nachfolgende Darstellung gewissermassen auf den Cha-
racter der Gemeingültigkeit Anspruch machen dürfte.
Die Hauptverschiedenheit des Criminalverfahrens beruhet nach
dem Zeugnisse aller mittelalterlichen Rechtsquellen auf dem Unter-
schiede der beschrienen und nicht beschrienen That.
Beschrien (beruft), ist eine That, wenn der Verbrecher darüber
betreten, und mit Geschrei (Geraffte) verfolgt worden ist. Die all-
gemeine Rechtsfolge der beschrienen That bestehet darin, dass der
Verbrecher, er mag nun wirklich sogleich bei ihrer Begehung ge-
fangen genommen (aufgehalten, bekümmert) werden — in welchem
Falle sie insbesondere handhafte^auch wahre, frische That heisst —
oder er mag nachher gefänglich eingezogen werden, sich nicht
durch seinen Eid von der Anschuldigung freischwören und auch nicht
ein Ordale (Kampfgericht) verlangen kann, sondern dass er sofort
als der Anklage überwiesen gilt, wenn durch Zeugen gegen ihn
erwiesen wird, dass über ihn ein Gerufte erhoben worden sei. Dieser
Grundsatz galt nach dem Zeugnisse des Sachsen- und Schwaben-
spiegels x) von jeher in den Ländern des Fränkischen Rechtes, und
wjrd dort namentlich erwähnt, (|ass kein Franke seinen Leib verwir-