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Ankläger auf, oder will der anfangs aufgetretene Ankläger die An-
klage nicht fortsetzen, so kann der Schultheis von Aintswegen kla-
gen, und deshalb ist auch jede Thaidigung zwischen dem Verbrecher
und dem Verletzten oder dessen Familie bei Capitalverbrechen nutz-
los, wenn nicht der Schultheis und der Zentgraf in die Taidigung
einwilligen (StadtR. §. 162. 163.). ·) — Der Grundsatz des „An-
nehmen der Uebelthäter von Amtswegenu, welchen die Bamb. a. 10
u. fl. Carol, art. 6 u. fl aufstellen, ist daher in Bezug auf die eigent-
lichen Halsgerichte keine Neuerung, welche erst durch Schwarzen-
berg eingeführt worden wäre, sondern es war derselbe schon in der
Mitte des XIV. Jahrhunderts in Bamberg vollkommen practisch.
Jede Criminalanklage wurde bei dem Stadtgerichte (vor dem
Schultheisen) erhoben. Das Stadtgericht sorgt möglichst für den
Beweis des Thatbestandes, und muss daher schleunigst zusammen-
treten, so wie die Kunde von einem Verbrechen an dasselbe gelan-
get. 9 10 11) Dadurch, dass das Beweisverfahren also regelmässig vor
dem Stadtgerichte vorkommet, erläutert sich, dass das Beweisver-
fahren, welches gegen den Verbrecher vor der Zent eingeleitet
wird, nichts weiter als eine reine und leere Formalität ist, und
schon für den damaligen Criminalprozess von keiner grösseren Be-
deutung ist, als die heut zu Tage bei den meisten Gerichten Deutsch-
lands vor der Vollziehung eines Todesurtheiles übliche solenne He-
gung eines Halsgerichtes zur öffentlichen Urtheilspublication. Hier-
durch erhalten nun die Formeln des Prozesses vor dem Zentgerichte
(Anh, II.) ihre vollständige Erklärung, und bilden gleichsam einen
Commentar zum §. 137. des Stadtrechtes. Aus diesem Grunde gehet
auch die ganze Erkundigung vor dem Zentgerichte nur dahin, ob
die That vor dem Stadtgerichte erzeugt sei, und so wie diese Frage
bejahet wird (vergl. Anh. II. A. §.49. C. §. 26.), so schreitet das
Zentgericht unmittelbar zur Urtheilsfällung. Wir begegnen daher
hier einer vielleicht bisher noch nicht genug beachteten Trennung
der Urtheiler in judices facti und judices juris im altdeutschen Cri-
minalprozesse, welche wohl kaum eine particularrechtliche Singularität
des Bambergischen Rechtes war, H) jedenfalles aber den Schlüssel
zur Erläuterung des prozessualischen Formalismus der Zentgerichte
enthält, welcher ausserdem an Sinnlosigkeit Alles übertreffen würde,
was der menschliche Geist jemals in dieser Beziehung erfunden hat.

9) Ueber den hier vorkommenden Ausdruck ,,elender Mord“ s. oben 33. not. 3.
10) StadtR. §. 137. vergl. mit §. ΐ5θ.— Aehnlich Freib. StadtR. v. II20. § 75.
11) Dass in Nürnberg eine ganz ähnliche Einrichtung bestanden hat, beweiset
die unserem Anh. II. so ähnliche Halsgerichtsordnung v. I48I bei Siebekkees Materialien
II. p. 532 zur Genüge.
 
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