244 Mitteilungen und Berichte.
Bruder, erheiterten ihn mit Muſik und trugen ſeine Launen. Noch einmal, 1848,
als Grillparzers Leben leichter wurde, hat er, ſagte mir Joſeph Weilen, der Braut
ſeine Hand angeboten, aber ſie fühlte ſich verblüht. Grillparzer hatte das Ge—
fühl, als ſei ſein Leben, ſein Erfolg vorüber. Eine zunehmende Taubheit ſchloß
ihn von der großen Welt aus; daß die offizielle Litteraturgeſchichte, daß Nord—
deutſchland ihn ignorierte, daß Gervinus, der jeden Pedanten der Vergangenheit
beſpricht, ihn nicht einmal nannte, empörte ihn. Selbſt auf den Wiener Theatern
wurden ſeine Stücke ſeltener geſehen; er ſelbſt beſuchte das Theater niemals
mehr, und ſeine drei letzten Stücke hat bis an ſeinen Tod niemand geleſen oder
geſehen.
Da ſollte auch ihm das große Jahr 1848 eine Erlöſung bringen. Er grüßte
begeiſtert den Aufſchwung und die Mäßigung der Wiener Revolution. Als aber
in Ungarn, Böhmen, Galizien, Italien das Prinzip des Nationalitätsſtaats wie
ein reißender Strom hervorbrach, der die Einheit des Reichs zu ſprengen drohte,
da flammte in Grillparzer der öſterreichiſche Patriot auf. Er rief einem Radetzky
Jubel zu, er feierte das Kroatentum als den alleinigen Zuſammenhalt im öſter—
reichiſchen Gemeingeiſt:
Glück auf, mein Feldherr, führe den Streich,
Nicht bloß um des Ruhmes Schimmer!
In deinem Lager iſt Oeſterreich,
Wir Andern ſind einzelne Trümmer.
Aus Thorheit und aus Eitelkeit.
Sind wir in uns zerfallen;
In denen, die du führſt zum Streit,
Lebt noch Ein Geiſt in Allen.
Italiens Recht, auch frei zu ſein, auch eins zu werden, vermochte er nicht
zu faſſen: Karl Albert war ihm nicht das Schwert Italiens, ſondern allenfalls
Italiens Stilett. Bei Grillparzer waren dieſe Aeußerungen Ueberzeugung: aber
ſie ſtimmten freilich auch mit dem Sinn der Machthaber, die ihn früher auch
als Politiker verkannt hatten. Er erhielt dann eine Penſion, die ihn reichlich
nährte, ſo daß er in den letzten Jahren ſogar Geld aufgelegt hat.
Zugleich aber kam ihm eine neue Lebensfreude. Hatte ihn Norddeutſchland
einſt verſtoßen, ſo war es jetzt eben ein Norddeutſcher, der ſelbſt in ſeinem
Deſterreich ihn als Dichter rehabilitierte. Im Jahr 1849 übernahm Heinrich
Laube die Direktion des Burgtheaters. Grillparzers Stücke, die man ſelbſt dort
hatte fallen laſſen, erſchienen, ſorgfältig einſtudiert, wieder mit anderer, oft zweck—
mäßigerer Rollenbeſetzung, und nun gewannen ſie den Beifall auch des großen
Publikums. Als Greis ſtieg er zum allgemein Bewunderten empor, und die
letzten zwanzig Jahre ſeines Lebens waren doch noch von ſpätem Erfolg gekrönt.
Glänzend war ſein achtzigſter Geburtstag, der auch im übrigen Deutſchland
wieder den Blick und friſchen Anteil auf ihn wandte. Den Frühling verbrachte
er in Bädern, beſonders gern in dem anmutigen Baden bei Wien mit ſeinen
Werke Bd. I, S. 181, Juni 1848.
Bruder, erheiterten ihn mit Muſik und trugen ſeine Launen. Noch einmal, 1848,
als Grillparzers Leben leichter wurde, hat er, ſagte mir Joſeph Weilen, der Braut
ſeine Hand angeboten, aber ſie fühlte ſich verblüht. Grillparzer hatte das Ge—
fühl, als ſei ſein Leben, ſein Erfolg vorüber. Eine zunehmende Taubheit ſchloß
ihn von der großen Welt aus; daß die offizielle Litteraturgeſchichte, daß Nord—
deutſchland ihn ignorierte, daß Gervinus, der jeden Pedanten der Vergangenheit
beſpricht, ihn nicht einmal nannte, empörte ihn. Selbſt auf den Wiener Theatern
wurden ſeine Stücke ſeltener geſehen; er ſelbſt beſuchte das Theater niemals
mehr, und ſeine drei letzten Stücke hat bis an ſeinen Tod niemand geleſen oder
geſehen.
Da ſollte auch ihm das große Jahr 1848 eine Erlöſung bringen. Er grüßte
begeiſtert den Aufſchwung und die Mäßigung der Wiener Revolution. Als aber
in Ungarn, Böhmen, Galizien, Italien das Prinzip des Nationalitätsſtaats wie
ein reißender Strom hervorbrach, der die Einheit des Reichs zu ſprengen drohte,
da flammte in Grillparzer der öſterreichiſche Patriot auf. Er rief einem Radetzky
Jubel zu, er feierte das Kroatentum als den alleinigen Zuſammenhalt im öſter—
reichiſchen Gemeingeiſt:
Glück auf, mein Feldherr, führe den Streich,
Nicht bloß um des Ruhmes Schimmer!
In deinem Lager iſt Oeſterreich,
Wir Andern ſind einzelne Trümmer.
Aus Thorheit und aus Eitelkeit.
Sind wir in uns zerfallen;
In denen, die du führſt zum Streit,
Lebt noch Ein Geiſt in Allen.
Italiens Recht, auch frei zu ſein, auch eins zu werden, vermochte er nicht
zu faſſen: Karl Albert war ihm nicht das Schwert Italiens, ſondern allenfalls
Italiens Stilett. Bei Grillparzer waren dieſe Aeußerungen Ueberzeugung: aber
ſie ſtimmten freilich auch mit dem Sinn der Machthaber, die ihn früher auch
als Politiker verkannt hatten. Er erhielt dann eine Penſion, die ihn reichlich
nährte, ſo daß er in den letzten Jahren ſogar Geld aufgelegt hat.
Zugleich aber kam ihm eine neue Lebensfreude. Hatte ihn Norddeutſchland
einſt verſtoßen, ſo war es jetzt eben ein Norddeutſcher, der ſelbſt in ſeinem
Deſterreich ihn als Dichter rehabilitierte. Im Jahr 1849 übernahm Heinrich
Laube die Direktion des Burgtheaters. Grillparzers Stücke, die man ſelbſt dort
hatte fallen laſſen, erſchienen, ſorgfältig einſtudiert, wieder mit anderer, oft zweck—
mäßigerer Rollenbeſetzung, und nun gewannen ſie den Beifall auch des großen
Publikums. Als Greis ſtieg er zum allgemein Bewunderten empor, und die
letzten zwanzig Jahre ſeines Lebens waren doch noch von ſpätem Erfolg gekrönt.
Glänzend war ſein achtzigſter Geburtstag, der auch im übrigen Deutſchland
wieder den Blick und friſchen Anteil auf ihn wandte. Den Frühling verbrachte
er in Bädern, beſonders gern in dem anmutigen Baden bei Wien mit ſeinen
Werke Bd. I, S. 181, Juni 1848.