Margarete von Oeſterreich, Regentin der Niederlande. 305
reiches Leben. Doch zeigt ſich in allen ein feſter Wille, der bändi—
gend das Herz zum Schweigen bringt. Freilich darf nicht verhehlt
werden, daß nicht alle Fragen über die Autorſchaft der in ihren
Albums aufgezeichneten Liedchen eine volle Antwort, ſoweit ich es
zu überſehen vermag, gefunden haben.
Daß ſich zu den Dichtern am Hof auch Muſiker einſtellten,
welche die Liedchen komponierten, und daß überhaupt an dem kunſt—
ſinnigen Hof der Tochter Maximilians die Kunſt der Töne mit
eifrigem Verſtändnis gepflegt wurde, iſt ſelbſtverſtändlich.
Es mutet ſeltſam an, daß dieſe Frau von ſo viel energiſcher
Schaffensluſt und inniger Freude am Schönen doch in ihren letzten
Jahren über die eingepflanzte und, wie wir ſahen, verſchiedentlich
nach künſtleriſchem Ausdruck ringende Sehnſucht nach verlorenem
Glück nicht hinauskommen konnte. Lebensmüde, obwohl noch dies—
ſeits des fünfzigſten Jahres, ſehnte ſie ſich nach Ruhe. Längſt trug
ſie ſich mit dem Entſchluß, aus dieſer Welt der Täuſchungen ſich
in das von ihr gegründete Annunciatenkloſter vor den Thoren
von Brügge zurückzuziehen, um den Reſt ihrer Tage frommer Be—
trachtung zu weihen. Es war nur ihr Wunſch, zuvor der Voll—
endung des Mauſoleums in Brou beizuwohnen und dann nach der
erwarteten Rückkehr ihres kaiſerlichen Neffen in die Niederlande
dieſem in Perſon Rechenſchaft abzulegen über das ihr anvertraute
Amt. Im November 1530 beſchäftigt, in Mecheln letzte Zurüſtungen
zur Reiſe nach Brou zu treffen, erkrankte ſie am Bein. Der
Brand trat dazu; bald konnte über den Ausgang kein Zweifel
mehr ſein. Tapfer, wie ſie gelebt, traf auch für den Fall ihres
Abſcheidens die Regentin ihre Anordnungen. Schon konnte ſie
nicht mehr die Feder führen, als ſie am letzten November 1530
an Karl V. jenen Brief diktierte, in welchem ſie mit ebenſo reinem
Gewiſſen wie berechtigtem Stolz ſich ſelbſt das Zeugnis ſchrieb
über ihr Walten. Scheidend legte ſie dem zum Univerſalerben
ernannten Herrſcher noch den Frieden ans Herz, beſonders mit
Frankreich und England. Das mag ihr letzter politiſcher Gedanke
geweſen ſein, denn ſie verſchied noch in der gleichen Nacht.
Karl V. hatte allen Grund, ſeiner Tante dankbar zu ſein.
Dieſelbe durfte von ſich rühmen, daß ſie die bei Karls Abreiſe
gänzlich verfahrenen Finanzen, trotz der immer neuen Anforderungen
durch faſt unaufhörliche Kriege, in Ordnung gebracht habe, ohne
die Domänen zu veräußern. Nicht einen fußbreit Land hatte
die energiſche Frau verloren, im Gegenteil, ihrer ſich ſelbſt am
wenigſten ſparenden Anſtrengung verdankte der Kaiſer die über—
aus günſtige Löſung der friefiſchen Frage. Ohne ſich zu kümmern
um den Vorwurf der Parteilichkeit und Ungerechtigkeit, hatte ſie
weder hoch noch niedrig geſchont, um des Kaiſers Abſichten, nicht
immer aufs beſte von ihm unterſtützt, durchzuführen. Sie hat in
reiches Leben. Doch zeigt ſich in allen ein feſter Wille, der bändi—
gend das Herz zum Schweigen bringt. Freilich darf nicht verhehlt
werden, daß nicht alle Fragen über die Autorſchaft der in ihren
Albums aufgezeichneten Liedchen eine volle Antwort, ſoweit ich es
zu überſehen vermag, gefunden haben.
Daß ſich zu den Dichtern am Hof auch Muſiker einſtellten,
welche die Liedchen komponierten, und daß überhaupt an dem kunſt—
ſinnigen Hof der Tochter Maximilians die Kunſt der Töne mit
eifrigem Verſtändnis gepflegt wurde, iſt ſelbſtverſtändlich.
Es mutet ſeltſam an, daß dieſe Frau von ſo viel energiſcher
Schaffensluſt und inniger Freude am Schönen doch in ihren letzten
Jahren über die eingepflanzte und, wie wir ſahen, verſchiedentlich
nach künſtleriſchem Ausdruck ringende Sehnſucht nach verlorenem
Glück nicht hinauskommen konnte. Lebensmüde, obwohl noch dies—
ſeits des fünfzigſten Jahres, ſehnte ſie ſich nach Ruhe. Längſt trug
ſie ſich mit dem Entſchluß, aus dieſer Welt der Täuſchungen ſich
in das von ihr gegründete Annunciatenkloſter vor den Thoren
von Brügge zurückzuziehen, um den Reſt ihrer Tage frommer Be—
trachtung zu weihen. Es war nur ihr Wunſch, zuvor der Voll—
endung des Mauſoleums in Brou beizuwohnen und dann nach der
erwarteten Rückkehr ihres kaiſerlichen Neffen in die Niederlande
dieſem in Perſon Rechenſchaft abzulegen über das ihr anvertraute
Amt. Im November 1530 beſchäftigt, in Mecheln letzte Zurüſtungen
zur Reiſe nach Brou zu treffen, erkrankte ſie am Bein. Der
Brand trat dazu; bald konnte über den Ausgang kein Zweifel
mehr ſein. Tapfer, wie ſie gelebt, traf auch für den Fall ihres
Abſcheidens die Regentin ihre Anordnungen. Schon konnte ſie
nicht mehr die Feder führen, als ſie am letzten November 1530
an Karl V. jenen Brief diktierte, in welchem ſie mit ebenſo reinem
Gewiſſen wie berechtigtem Stolz ſich ſelbſt das Zeugnis ſchrieb
über ihr Walten. Scheidend legte ſie dem zum Univerſalerben
ernannten Herrſcher noch den Frieden ans Herz, beſonders mit
Frankreich und England. Das mag ihr letzter politiſcher Gedanke
geweſen ſein, denn ſie verſchied noch in der gleichen Nacht.
Karl V. hatte allen Grund, ſeiner Tante dankbar zu ſein.
Dieſelbe durfte von ſich rühmen, daß ſie die bei Karls Abreiſe
gänzlich verfahrenen Finanzen, trotz der immer neuen Anforderungen
durch faſt unaufhörliche Kriege, in Ordnung gebracht habe, ohne
die Domänen zu veräußern. Nicht einen fußbreit Land hatte
die energiſche Frau verloren, im Gegenteil, ihrer ſich ſelbſt am
wenigſten ſparenden Anſtrengung verdankte der Kaiſer die über—
aus günſtige Löſung der friefiſchen Frage. Ohne ſich zu kümmern
um den Vorwurf der Parteilichkeit und Ungerechtigkeit, hatte ſie
weder hoch noch niedrig geſchont, um des Kaiſers Abſichten, nicht
immer aufs beſte von ihm unterſtützt, durchzuführen. Sie hat in