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Zucker, Markus; Dürer, Albrecht [Hrsg.]
Albrecht Dürer — Halle a. S.: Max Niemeyer, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.53816#0106
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LI. Die Epoche weiterer großer Gemälde
und der drei Hauptstiche.

die nächsten Jahre bilden mehrere
größere Gemälde des Meisters Haupt-
beschäftigung. Den berühmten Stich Adam
und Eva hatte er 1504 vollendet. Am wenig-
sten befriedigt bei diesem in sovielerBeziehung
zu rühmenden Blatte der seelische Ausdruck.
Die Darstellung der Verhältnisse im Aufbau
des menschlichen Körpers nnd die Wiedergabe
der Besonderheiten in den Erscheinungsfor-
men beider Geschlechter hatten den Künstler
von anderem abgelenkt. Da in Venedig sich die
Gelegenheit ergab, unter günstigen Verhält-
nissen Studien nach der Natur zu zeichnen, so
machte Dürer davon Gebrauch. Die Wahrneh-
mung, daß die Italiener in der Bildung des
nackten menschlichen Körpers ihm überlegen
waren, was er selbst einmal ausspricht, mußte
ihm ein Sporn sein. Zwei getrennte Tafeln mit
der Darstellung des Sündensalles (Abb. 31^
n. 3N), welche im Jähre seiner Rückkehr
vollendet wurden, waren die Frucht davon.
Einst schmückten diese Täfeln das Nürnber-
ger Rathaus, jetzt befinden sich die Originale
in Madrid ll Kopieen in Mainz, Florenz und
Stockholm bezeugen das Ansehen, dessen das
Werk sich erfreute. Die Proportionsverhält-
nisse sind jetzt ganz andere, namentlich ist
Eva Viel schlanker gedacht. Neben der sicht-
lich größeren Freiheit in der Gesamtbehand-
lung bemerken wir aber vor allem eine mehr
vertiefte Auffassung. Die breitere Malweise,
die man wahrnimmt, ist Wohl ein Nachklang
des venetianischen Aufenthaltes; die treffliche
plastische Modellierung und Rundung beob-
achten wir ähnlich schon bei der grünen Pas-
sion und dann wieder bei dem Christusbild
in Dresden. In mannigfacher Hinsicht muß

die Gestalt der Eva trotz nicht zu leugnender
formeller Mängel als wohlgeluugen bezeichnet
werden. Alles ist gegen früher lebeusfrischer
geworden. Verführerisch blickt ihr Auge, zu-
gleich aber verrät sich die Regung innerer Un-
sicherheit nicht bloß in den Gesichtszügen. Prü-
fenden Blicks schaut sie etwas von der Seite
nach Adam hin. Wie nebenbei nimmt die Linke
bei leise zur Seite geneigtem Oberkörper den
für sie selbst von der Schlange herabgereichten
Apfel in Empfang, und gleichsam Halt suchend
faßt die Rechte in nervöser und darum etwas
gezwungener Bewegung der Finger an einen
Seitenast des Baumes. Weniger befriedigend
erscheint der seelische Ausdruck bei Adam. Mit
der rechten Hand macht er eine Bewegung, die
etwas Zweifel verrät. Er ist offenbar über-
rascht und hat den Apfelzweig nur mit zwei
Fingern gefaßt. Aber die Fingerhaltuug hat
etwas Geziertes, und im Gesicht gewahren wir
lediglich den Ausdruck eines Erstauntseins,
das ohne viel Sträuben sich besiegen lassen
wird. Wir vermissen die Andeutung eines
inneren Kampfes.
Eine Lucretia, die im Anschluß an jenes
Werk geplant war, gedieh zunächst nicht über
Entwürfe hinaus.
Die Ausführung des Sündenfalles hatte
Dürer wohl aus eigenem Antrieb begonnen.
Von bestellten Arbeiten beschäftigte ihn dann
zuerst eine Tafel, wozu ihm ein Auftrag von
dem sächsischen Kurfürsten erteilt worden war,
mit dem er, wie wir gesehen haben, schon
lange in Verbindung stand. Es war die Dar-
stellung des Martyriums der Zehntausend un-
ter König Sapor, eine schreckliche, künstlerisch
undankbare Massenhinrichtung. In Gegen-
 
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