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Assmann, Jan
Die Gott-Mythologien der Josephsromane — Düsseldorf, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.37076#0023
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Wiederkehr ihrer Gestalten vor uns hinstellt. Diese Form des Werdens
kann kein Bild für das unvergängliche Sein Gottes abgeben. Daher
vollzieht sich, insbesondere im religiösen Bewußtsein der Propheten,
eine schroffe Abwendung von der Natur und von den zeitlichen Ord-
nungen des Naturgeschehens Und mit der Natur versinkt für das
prophetische Bewußtsein nun gleichsam auch das Ganze der kosmi-
schen, der stronomischen Zeit — und an ihrer Stelle erhebt sich eine
neue Zeitanschauung, die sich rein auf die Geschichte der Mensch-
heit bezieht. Aber auch diese wird nicht als Vergangenheitsgeschichte,
sondern als religiöse Zukunftsgeschichte gefaßt. [...] Alles echte Zeit-
bewußtsein geht jetzt durchaus im Zukunftsbewußtsein auf. (147)
Ein paar Jahre vorher hatte schon Cassirers Lehrer, der Marburger
Philosoph Hermann Cohen, den biblischen Monotheismus als ein
neues Paradigma kultureller Zeitorientierung im gleichen Sinne
einer Umpolung von Vergangenheit auf Zukunft gedeutet:
Die Zeit wird Zukunft und nur Zukunft. Vergangenheit und Gegen-
wart versinken in dieser Zeit der Zukunft. [...] Historie ist im grie-
chischen Bewußtsein gleichbedeutend mit Wissen schlechthin. So ist
und bleibt den Griechen die Geschichte lediglich auf die Vergangenheit
gerichtet. Die Propheten sind die Idealisten der Geschichte. Ihr Seher-
tum hat den Begriff der Geschichte erzeugt, als des Seins der ZukunftU
Ist der Mythos die Vergangenheit, aber die absolute Vergangen-
heit, die sich nie weiter entfernt von der fortschreitenden Gegen-
wart und wie ein zeitloses Fundament unter der Gegenwart liegt,
so ist der Monotheismus die Zukunft.

^ Hermann Cohen: Die Religion der Vernunft aus den Quellen des Juden-
tums. Leipzig 1919 (Nachdr. 1978), S. 295fh, S. 308.

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