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Assmann, Jan
Die Gott-Mythologien der Josephsromane — Düsseldorf, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.37076#0022
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Das betrifft insbesondere

die Sphäre Kanaans und der greulichen Wallungen seines Dienstes,
zuwider der Gottesvernunft, die Sphäre der Molech-Narrheit, des Sing-
tanzes, der Preisgabe und des Aulasaukaula, wo man den Fruchtbar-
keitsgötzen vor- und nachhurte in festlicher Vermischungswut. (845)
So entsteht mit dem gemeinsamen Fortschritt Gottes und der
Menschen in der Geistigkeit der Begriff der Sünde als dem Inbe-
griff dessen, was im Zuge dieses Fortschritts als »überständig«
oder geradezu abscheulich zurückbleibt. Die Sünde gehört auf die
Seite Gottes, der Zukunft, des Geistes, und nicht auf die Seite der
Götter und des Mythos:
Zum Sündigen gehört Geist; ja, recht betrachtet, ist aller Geist nichts
anderes als Sinn für die Sünde. (846)
Diese Konstruktion eines Gegensatzes von Mythos und Mono-
theismus im Sinne von Sinnlichkeit und Geist, zyklischer und
linearer Zeit, zeitlos gründender Vergangenheit und gerichteter
Zukunft, ist konventionell und in den religionstheoretischen
Schriften der Zeit weit verbreitet — bis hin zu Claude Levi-Strauss'
Unterscheidung kalter und heiBer Gesellschaften. Im Jahre 1925,
also im unmittelbaren zeitlichen Kontext der ersten Arbeit an
dem Joseph-Projekt, schreibt etwa Ernst Cassirer in seinem Buch
über das mythische Denken:
Das Hervortreten des Gedankens des reinen Monotheismus bildet
auch für die Gestaltung und Auffassung des Zeitproblems im religi-
ösen Denken eine wichtige Grenzscheide. Denn im Monotheismus
erfolgt die eigentliche Uroffenbarung des Göttlichen nicht in jener
Form der Zeit, wie sie die Natur im Wandel und der periodischen

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