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Braun, Joseph
Das christliche Altargerät in seinem Sein und in seiner Entwicklung — München, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.2142#0171

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FÜNFTES KAPITEL. ORNAMENTALE AUSSTATTUNG. II. SCHMUCKMITTEL 149

2. Filigran. Filigran wurde zu drei verschiedenen voneinander unabhängigen
Zeiten zur Ausschmückung des Kelches verwendet; zunächst vom 10. Jahrhun-
dert an — ob auch schon früher, läßt sich nicht feststellen — bis etwa zur Mitte
des 13. Jahrhunderts. Da das Filigran damals allenthalben ein beliebtes Schmuck-
mittel für Goldschmiedearbeiten war, kann es kein Wunder nehmen, daß man
es in jener Zeit auch zur Verzierung der Kelche verwertete. Das bekunden aber
auch die mit Filigran geschmückten Kelche, die sich aus dem io., n.( 12. und
frühen i3. Jahrhundert erhalten haben.

Der älteste derselben ist der um o5o entstandene Gauzclinuskelch in der Kathedrale zu
Nancy (Tafel 5). Dem 11. Jahrhundert entstammende Kelche mit Filigran sind der so-
genannte Heinrichskelch in der Reichen Kapelle zu München (Tafel 2) und der Kelch in
der Klosterkirche zu Silos bei Burgos und wohl auch der zu Ardagh gefundene altirische
Henkelkelch (Tafel /1); dem 12. Jahrhundert angehörende der von Ferdinand II. gestiftete
Kelch in S. Isidoro zu Leon (Tafel 12), ein jetzt in amerikanischem Privatbesitz befind-
licher Kelch aus St-Denis, den Abt Suger um u45 anfertigen ließ (Tafel 3), ein Kelch im
Museum für kirchliche Kunst zu Coimbra (Tafel 12), ein Kelch aus Alcobaca im National-
museum zu Lissabon, eine Stiftung der Königin Dulcia, sowie der Henkelkelch in St. Peter
zu Salzburg (Tafel 8); um die Wende des 12. und in der ersten Hälfte des i3. entstandene
ein Kelch in der Kathedrale zu Reims (Tafel i3), ein aus dem Münster zu Basel kommender
Kelch im Historischen Museum daselbst (Tafel i3), Kelche in der Apostelkirche zu Köln
(Tafel 8), der Marienkirche zu Prenzlau (Tafel i4), der Pfarrkirche zu Hochelten am
Niederrhein, der Marienkirche zu Rathenow (Tafel i3), der Marienkirche zu Bergen auf
Rügen, der Kirchs auf dein Moritzbera hei llüdi^ieim, dei- Kirch*; zu Zi?n:nei'b:ii'h in Bu-
den, ein Kelch in St. Godehard zu Hildesheim (Titelbild), sowie ein aus dem Kloster Ma-
riensee in Hannover stammender Kelch im Germanischen Museum zu Nürnberg.

Deutlich spiegelt sich die Entstehungszeit in der formalen Bildung des Filigrans wider.
Bei den ältesten Kelchen ein krauses Gewirre, sogenanntes Wurm eben filigran, wird es bei
den Kelchen des ausgehenden 12. Jahrhunderts, bei dem Kelch aus St-Denis aber bereits
gegen die Mitte desselben zu zierlichen, organisch sich entwickelnden, harmonisch verlau-
fenden, in den Enden der Windungen meist ein Perlchen umschließenden Ranken. Durch
Einfügung von Blättchen und Blümchen wird dieses sogenannte Ranken filigran dann zu
dem reicheren Blümchenfiligran, wie es uns z. B. bei dem Moritzberger Kelch, dem Kelch
in St. Aposteln zu Köln und besonders bei dem aus Deutschland stammenden Kelch zu
Borga in Finnland begegnet, und dieses schließlich zu dem an dem prachtvollen Kelch in
St. Godehard zu Hildesheim in reichstem Ausmaß sich findenden sogenannten Schnecken-
filigran, bei dem die inneren Windungen sich vom Grund losgelöst haben und frei über
diesem aufsteigen, der jüngsten und letzten Bildung des Filigrans. Eigenartig ist das Fili-
gran, welches den Rand der Kuppa des Ardaghkelches schmückt. Statt aus Ranken besteht
es abwechselnd aus Flechtwerk und aus kunstreich durcheinander geschlungenen Drachen;
irische Miniaturen sind ersichtlich seine Vorbilder gewesen. Sogenanntes Filigran ä jour,
das ist Filigran ohne Boden, dem es aufgelötet ist, und das darum durchsichtig ist, be-
gegnet uns in vorzüglicher Ausführung beim hervorragend schönen Nodus der Kelche in
St. Aposteln zu Köln (Tafel 8), im Historischen Museum zu Basel (Tafel i3), in der Ma-
rienkirche zu Rathenow (Tafel i3) und in der Marienkirche zu Bergen auf Rügen.

Das Ausmaß, in dem Filigran am Kelch angebracht ist, ist verschieden. Hier schmückt es
nur den Nodus wie z. B. bei den Kelchen in der Kathedrale zu Coimbra und im National-
museum zu Lissabon, anderswo, wie bei dem Moritzberger Kelch, dem Kelch im Germani-
schen Museum sowie den Kelchen in der Apostelkirche zu Köln und im Museum zu Basel
Nodus und Schaft. Nur an der Kuppa weist Filigran auf der Ardaghkelch, nur am Fuß
zeigen solches der Heinrichskelcb in der Reichen Kapelle zu München, der Henkelkelch jn
St. Peter zu Salzburg, der Kelch in der Pfarrkirche zu Hochelten und in besonders reicher
 
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