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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 34.1914

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Mittenzwey, Kuno: Frühjahrs-Ausstellung der Münchner Sezession
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https://doi.org/10.11588/diglit.7447#0095

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FRÜHJAHRS-AUSSTELLUNG DER MÜNCHNER SEZESSION.

Das ist das Gefährliche in Zeiten, wo der
Geist auf der Straße liegt, wo die Diskussion
über die Fragen des Geschmacks in einer früher
Ungekannten Breite geführt wird und tausend
Federn sich bemühen, das Allgemeinniveau zu
heben : daß wohl mancher in den Stand gesetzt
wird, durch bloße Anspannung des Bemühens
und des Unterscheidungsvermögens etwas
Schickliches zu stände zu bringen, und daß die
Grenze leicht undeutlich wird, wie weit einen
die Kräfte des Willens tragen und wo ein wirk-
liches Gestaltungsbedürfnis inneren Erschauens
vorliegt. Und bis dann einer sich bis an die
Stelle durcharbeitet, wo alles Angenommene
als sekundär abfällt und er sich schließlich sich
selbst gegenübergestellt findet, bis dahin vergeht
leicht ein halbes Menschenleben.

Man mag zu solchen Reflexionen veranlaßt
Werden, wenn man diese Früh j ahrs- Aus-
stellung durchwandert. Es ist wieder eine
jener Ausstellungen, wo man das gute Allge-
Weinniveau rückhaltlos anerkennen kann. Aber
sobald man etwas mehr sagen soll, kommt man
m Verlegenheit. Alle diese jungen Leute, die
hier teilweise als Debütanten sich vorstellen,
haben nicht nur eine tüchtige Menge gelernt,

sie wissen auch, worauf es ankommt. Die Auf-
gaben, die sie sich stellen, bezeugen ihren Sinn
für das Wesentliche, und wenn sie nicht bis zu
jener Durchgestaltung kommen, die ihnen vor-
geschwebt hat, so begnügen sie sich nicht mit
einem effektvollen Kompromiß, sondern bleiben
ehrlich stecken. — Stellt man aber nun bei der
Betrachtung alles zurück, was uns in diesen
Bildern an „Problemen der heutigen Malerei"
und zeitgemäßen Reminiszenzen vorgeführt
wird, sieht man davon ab, was hier Gauguin und
dort Ellipsenkomposition ist, und öffnet man
sich ganz naiv dem unmittelbaren Gefühl, ob
ein Ausdruck bildstarken Schauens fühlbar uns
ergreife — so ist der Gewinn nicht gerade groß.

Es ist hier nicht der Ort, Betrachtungen an-
zustellen, ob etwa infolge der Neugruppierung,
die sich gegenwärtig innerhalb der jungen
Münchner Künstlerschaft vollzieht, dieser oder
jener weggeblieben sei. Doch mag angemerkt
sein, daß die Ausstellung keinen einseitigen
Eindruck macht. Es sind ungefähr alle jüngsten
Richtungen vertreten, allerdings mit Ausnahme
jener extremsten, die heute bereits wieder
abgewirtschaftet haben, und die Jury scheint
eigentlich ganz weitherzig verfahren zu sein.

i»u. VIII. 1,

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