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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 34.1914

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Raphael, Max: Zur gegenwärtigen Bedeutung der Schiller'schen Ästhetik
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https://doi.org/10.11588/diglit.7447#0347

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J. W. SCHULEIN—MÜNCHEN.

GEMÄLDE »SOMMER«

ZUR GEGENWÄRTIGEN BEDEUTUNG DER
SCHILLER'SCHEN ÄSTHETIK.

In das Dasein des gegenwärtigen Menschen,
der sich bemüht, aus dem Umkreis eigen er-
lebter Erfahrungen allgemeine Probleme zu
lösen, ragen die Antworten vergangener Epo-
chen wie fremde und unzugängliche Berggipfel
hinein. Sprache und Denkformen reden nicht
mehr unmittelbar zu uns, und wo wir den gan-
zen Apparat eines historisch geschulten Ver-
standes aufbringen müssen, um das in ihnen
Ausgedrückte ausfindig zu machen, da sind wir
nur zu gern überzeugt, daß auch die Inhalte
uns, als moderne Menschen, nicht betreffen.
So erklärt sich wohl auch, daß man in dem
ganzen Streit der neuen Malerei Schiller nicht
um seine Meinung abgefragt hat. Und doch
hätte er eine klarere, bündigere Antwort ge-
geben, als jemals zwischen den Schlachtrufen:
Natur oder Stil, Einfühlung oder Abstraktion,
Impressionismus oder Expressionismus laut
wurde. Diese Antwort: weder Einfühlung noch
Abstraktion ist erkenntniskritisch so unanfecht-

bar begründet, daß sie selbst unsere in selbst-
gefälligen Schätzungen schwelgende Zeit zu be-
scheidender Selbstbesinnung bringen könnte.

Für den Künstler Schiller, der sich über den
Wert seiner Tätigkeit für die Kultur der Mensch-
heit theoretisch klar werden wollte, stand von
vornherein die Schönheit im Zentrum der gei-
stigen Welt. Hätte er sie nicht „als notwendige
Bedingung der Menschheit" aufzeigen können,
so hätte sie für den Kantschüler überhaupt
keinen Platz in der Ideenwelt gehabt. Aber
gerade für einen solchen war bereits dieser
Ausgangspunkt eine, wenn nicht schon die
wichtigste Tat. Denn es ist etwas wesentlich
Verschiedenes, wenn Kant von der „Verknüp-
fung" spricht, die die Urteilskraft zwischen der
theoretischen und der praktischen Vernunft her-
stellt, von dem „Übergang" aus der einen zur
anderen, und wenn Schiller in seiner durch die
große Revolution aufs höchste aufgepeitschten
Zeit schreibt: „daß man, um jenes politische

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