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Falke, Otto von; Lessing, Julius
Kunstgeschichte der Seidenweberei: eine Auswahl der vorzüglichsten Kunstschätze der Malerei, Sculptur und Architektur der norddeutschen Metropole, dargestellt in einer Reihe der ausgezeichnetsten Stahlstiche mit erläuterndem Texte (Band 1) — Berlin, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.19016#0049
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I. Einleitung

Eine Geschichte des Ornaments in der Seidenweberei muß von vornherein mit Er?
gebnissen rechnen, für welche urkundliche Beläge oder vollkommen schlüssige Beweise
nicht immer zu erbringen sind. Denn die Erkenntnisquellen fließen hier viel spärlicher,
als auf anderen Gebieten des Kunstgewerbes.

Die Seidenweberei ist von allen gewerblichen Künsten der Vergangenheit die unper?
sönlichste. Fast niemals geben die Erzeugnisse selbst einen Aufschluß über ihre künst?
krischen Urheber und ihre Verfertiger; die Namen der Musterzeichner und Weber verbirgt
das Dunkel der Vergessenheit. Das hängt mit der mechanischen Herstellungsweise, mit
der Arbeitsteilung und vor allem mit der Art des Warenvertriebes und des Absatzes zu*
sammen. Die Seidenweberei hatte, von den seltenen Ausnahmen besonderer fürstlicher
Wünsche abgesehen, keine Einzelstücke zu einem vorher bestimmten Zweck zu liefern,
wie die anderen Kunsthandwerker des Mittelalters, wie auch die den Webern scheinbar so
nahestehenden Teppichwirker und Sticker sie schufen. Sie war vielmehr nach der Art
ihrer technischen Vorrichtungen immer auf die Massenerzeugung angewiesen und der
Zeichner und Weber kam in der Regel mit dem Verbraucher seiner Ware nicht in Be?
rührung. Er arbeitete für den Handel und auf Lager. Zwischen ihm und dem Ver?
braucher stand der Kaufmann, der dem Weber das Rohmaterial lieferte und die fertige
Ware abnahm. Wo aber die unmittelbare Fühlung zwischen dem Hersteller und dem
eigentlichen Abnehmer fehlt, wo dem ersteren statt eines Bestellers mit besonderen Wünschen
und Aufträgen eine unbekannte Menge von Verbrauchern gegenübersteht, da verliert das
Erzeugnis leicht an persönlichem Gepräge. Die Kunstgeschichte des Mittelalters bietet für
diese Erscheinung ein Beispiel in den romanischen Kupferschmelzgeräten von Limoges,
deren Vertrieb sich im 13. Jahrhundert über die ganze christliche Welt erstreckte: sobald
die Schmelzwirker von Limoges nicht mehr für die Kirchen ihrer Heimat, sondern für den
Handel und unbekannte Käufer arbeiteten, tritt in ihren Werken die Persönlichkeit der
Meister hinter den Gattungsmerkmalen völlig zurück.

Die Seide war frühzeitig, erst als Rohstoff und Gespinst, dann auch als fertiges Ge?
webe ein Gegenstand des Welthandels. Sie kam von China nach Vorderasien und Europa,
aus dem islamischen Morgenland in die christliche Welt. Und auch den umgekehrten Weg
sind die Seidenstoffe gegangen: iranische und syrische Gewebe trug der Welthandel nach
Ostasien und oströmische nach Persien. Im späten Mittelalter, als die herrlich erblühte
Webekunst Italiens ihre byzantinischen und sarazenischen Lehrmeister weit überflügelt hatte,
war das ganze Abendland Abnehmer der italienischen Werkstätten, die nun auch die Levante
zu erobern suchten. Der einzige Paramentenschatz der Marienkirche in Danzig enthält allein
mehr vollständige Gewänder aus italienischen Stoffen des Trecento, als alle Kirchen und
Sammlungen Italiens zusammengenommen. In den durch Handel und Gewerbfleiß reichen
Niederlanden sammelten sich zur prunkliebenden Zeit der burgundischen Herrschaft die
kostbarsten Brokatgewebe Italiens in solchen Massen, daß bloß der Abglanz dieser Herrlich?
keit auf den niederländischen Gemälden die irrige Meinung hervorrief , die flandrischen
Städte selbst seien die Erzeuger der gotischen Prachtstoffe gewesen.

I' .11 k c , Seidenweberei.

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