Das Heidelberger Faß.
5
wehrm; aber der Graue lächelte, und rieb ohne ein Wörtleln
zu sprechen, den verhängnißvollen Hahn immer mehr und mehr
auf. Vergebens mühte flch der Leineweber aus der gefährlichen
Lage sich zu bringen; es däuchte ihm, als sei er an den Boden
gefesselt. Aengstlich sträubte er flch mit Händen und Füßen,
und weil ihm der Strom, welcher auf ihn herniederschoß, das
Sprechen bereits unmöglich machte, so wendete er flehend seine
Blicke auf den Schließer. —
Da ward ihm aber gar schauerlich zu Muthe! Bei dem
Lichte, welches vom Weine wcgging, vermochte er erst den grauen
Gesellen und seine unheimlichen Züge deutlich zu erkennen.
Beim heiligen Georg von Mindelheim! — hatte er ihn doch
selbst gesehen in Altötting bei einer Wallfahrt, ganz wie er leibte
und lebte vor aberhundert Jahren, und jetzt erst gewahrte er das
Bärtlein am spitzen Kinn, und das fahle, gelbe Geflcht. Es
war Tilly, der alte bayerische Feldmarschall, welcher Heidelberg
hatte unter Wein setzen lassen, wie ihm der Magdeburger er-
zählte. Unter widerlichem, schadenfrohem Lachen stemmte sich
derselbe mit aller Kraft gegen den Weberbaum, der als Hebel
diente, um den Riesenhahn zu drehen, und dem Rheinfalle gleich
fluthete der Wein auf den Burschen herab. Dabei hatten die
j oben auf dem Spundloche ein Gelärm und Gejubel, stampften
auf den Boden, daß die Deichen sich bogen, und das alte
Holzwcrk krachte; die Trompeten schmetterten und die Baßgeigen
brummten, daß sie das ängstliche Gestöhne des Schwaben weit
überschrieen. Nebenbei dünkte es diesem, als vernähme er aus
dem Gelächter deutlich die Stimme des Magdeburgers, wie er
dem Feldmarschall zurief und zujohlte, er möge nicht auslassen,
bis der Leinweber ersäuft, sei! —
Schon schlugen,die Wellen am Boden über ihm zusammen;
schon begann die Weinfluth zu steigen bis zur Höhe seiner
Backenknochen; — da stählte die Angst ihm die Sehnen. Zn
seinen Btuskeln zuckte es, und er fühlte, wie ihm in der äußer-
sten Roth die Kraft wuchs, daß er die Faßreife über's Knie
abbrechen, und die Deichen in den Händen hätte zerdrücken
können, wie Lichtspähne. So empfahl er fich dem Schutze der
sieben heiligen Nothhelfer; stemmte fich mit den Füßen gegen
den Hahn; that einen kräftigen Ruck, dann noch einen-
unb das Riesengebälke stürzte rücklings über die Leghölzer zu-
lammen, daß es durch die Hallen dröhnte, wie ein Donnerschlag,
und das Gewände erzitterte, als wäre der Blitz in's Haus
gefahren! Der Weingischt schäumte bis an die Gewölbdecke,
und die goldgelben Wogen rauschten über den Schließer und
die von der Höhe stürzenden Burschen und Dirnen und Spiel-
leute zusammen, wie Springfluth! Der Webergeselle aber raffte
fich auf, that einen Freudenschrei über die gelungene Herkules-
arbeit, und — erwachte.
Da thauetcn bereits die Abendwinde die Rheinebene her,
und es dämmerte im Odenwald, und die stillen, fteundlichen
Gründe der Bergstraße entlang. — Der Bruder Magdeburger
aber hatte sich von dem schlafttunkenen Schwaben weggestohlen,
und aus Versehen sein Felleisen mitgenommen , nachdem er ihm
vorher die um den Arm geschlungenen Tragriemen abgeschnitten.
Die Hitze des Tages war vorüber, und das wohlgespickte Ränzlein
mochte ihm in der kühlen Dämmerung nicht allzu lästig fallen.
Als dcSselbigen Abends noch der Webergeselle nach Heidel-
berg kam, ging er verdrießlich und still geraden WegeS durch die
Stadt, ftagte weder nach dem Herbergsvater, noch wo es sonst
guten Neckarwein gäbe; am wenigsten aber nach dem Heidel-
berger Fasse.
5
wehrm; aber der Graue lächelte, und rieb ohne ein Wörtleln
zu sprechen, den verhängnißvollen Hahn immer mehr und mehr
auf. Vergebens mühte flch der Leineweber aus der gefährlichen
Lage sich zu bringen; es däuchte ihm, als sei er an den Boden
gefesselt. Aengstlich sträubte er flch mit Händen und Füßen,
und weil ihm der Strom, welcher auf ihn herniederschoß, das
Sprechen bereits unmöglich machte, so wendete er flehend seine
Blicke auf den Schließer. —
Da ward ihm aber gar schauerlich zu Muthe! Bei dem
Lichte, welches vom Weine wcgging, vermochte er erst den grauen
Gesellen und seine unheimlichen Züge deutlich zu erkennen.
Beim heiligen Georg von Mindelheim! — hatte er ihn doch
selbst gesehen in Altötting bei einer Wallfahrt, ganz wie er leibte
und lebte vor aberhundert Jahren, und jetzt erst gewahrte er das
Bärtlein am spitzen Kinn, und das fahle, gelbe Geflcht. Es
war Tilly, der alte bayerische Feldmarschall, welcher Heidelberg
hatte unter Wein setzen lassen, wie ihm der Magdeburger er-
zählte. Unter widerlichem, schadenfrohem Lachen stemmte sich
derselbe mit aller Kraft gegen den Weberbaum, der als Hebel
diente, um den Riesenhahn zu drehen, und dem Rheinfalle gleich
fluthete der Wein auf den Burschen herab. Dabei hatten die
j oben auf dem Spundloche ein Gelärm und Gejubel, stampften
auf den Boden, daß die Deichen sich bogen, und das alte
Holzwcrk krachte; die Trompeten schmetterten und die Baßgeigen
brummten, daß sie das ängstliche Gestöhne des Schwaben weit
überschrieen. Nebenbei dünkte es diesem, als vernähme er aus
dem Gelächter deutlich die Stimme des Magdeburgers, wie er
dem Feldmarschall zurief und zujohlte, er möge nicht auslassen,
bis der Leinweber ersäuft, sei! —
Schon schlugen,die Wellen am Boden über ihm zusammen;
schon begann die Weinfluth zu steigen bis zur Höhe seiner
Backenknochen; — da stählte die Angst ihm die Sehnen. Zn
seinen Btuskeln zuckte es, und er fühlte, wie ihm in der äußer-
sten Roth die Kraft wuchs, daß er die Faßreife über's Knie
abbrechen, und die Deichen in den Händen hätte zerdrücken
können, wie Lichtspähne. So empfahl er fich dem Schutze der
sieben heiligen Nothhelfer; stemmte fich mit den Füßen gegen
den Hahn; that einen kräftigen Ruck, dann noch einen-
unb das Riesengebälke stürzte rücklings über die Leghölzer zu-
lammen, daß es durch die Hallen dröhnte, wie ein Donnerschlag,
und das Gewände erzitterte, als wäre der Blitz in's Haus
gefahren! Der Weingischt schäumte bis an die Gewölbdecke,
und die goldgelben Wogen rauschten über den Schließer und
die von der Höhe stürzenden Burschen und Dirnen und Spiel-
leute zusammen, wie Springfluth! Der Webergeselle aber raffte
fich auf, that einen Freudenschrei über die gelungene Herkules-
arbeit, und — erwachte.
Da thauetcn bereits die Abendwinde die Rheinebene her,
und es dämmerte im Odenwald, und die stillen, fteundlichen
Gründe der Bergstraße entlang. — Der Bruder Magdeburger
aber hatte sich von dem schlafttunkenen Schwaben weggestohlen,
und aus Versehen sein Felleisen mitgenommen , nachdem er ihm
vorher die um den Arm geschlungenen Tragriemen abgeschnitten.
Die Hitze des Tages war vorüber, und das wohlgespickte Ränzlein
mochte ihm in der kühlen Dämmerung nicht allzu lästig fallen.
Als dcSselbigen Abends noch der Webergeselle nach Heidel-
berg kam, ging er verdrießlich und still geraden WegeS durch die
Stadt, ftagte weder nach dem Herbergsvater, noch wo es sonst
guten Neckarwein gäbe; am wenigsten aber nach dem Heidel-
berger Fasse.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Das Heidelberger Faß"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 1.1845, Nr. 1, S. 5
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg