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Mundus vult decipi!

s war in der großen Sommerwirthschaft einer deutschen
Universität. Viel Gäste wies das Etablissement frei-
lich nicht auf. An der Alma mater herrschten Ferien;
deßhalb fehlten auch die Hauptbesucher — die Stu-
denten. An einigen Tischen saßen Fremde — man
sah es ihnen an der ganzen Reiseausstattung an, und vor Allem
an den vor ihnen liegenden rothen „BLdeker"°Büchern.

Nicht weit von meinem Platze blätterte ein stämmiger, unter-
setzter Mann von etwa dreißig Jahren lässig in einem illustrirten
Blatte umher. Jetzt zog er unruhig die Uhr und blickte dann
spähend den chaussirten Weg herunter. Der Herr erwartete allem
Anscheine nach Jemand'. Das Antlitz des Gastes trug die kantige
Narbe einer Quart. Er war also zweifellos früher auch Universitäts-
bürger gewesen.

Nur aus der Kleidung des seltsamen Menschen wurde ich nicht
klug. Er trug, soweit ich dies sehen konnte, eng anliegende Bein-
kleider, lange dunkle Strümpfe und derbe Lcderschuhe. Sein Rock
war namentlich in den Schößen ungemein lang, ebenso die Weste.
Statt der Knöpfe befanden sich Silbermünzen an der letzteren. Auf
dem Kopfe trug der sonderbare Mann einen Filzhut mit mächtiger
Krempe.

Der Frenidc war anfgestanden. Plötzlich stürzte er unter dem
Frendenausruf: „Carl, da bist Du ja!" einem daherschreitenden
Herrn entgegen.

Die Männer umarmten und küßten einander. Nach allerlei sich i
fast überstürzenden gegenseitigen Fragen nahmen sie wieder in meiner
Nähe Platz.

Der Kellner mußte Wein bringen. „Wie erinnert das hier Alles
au alte, glücklich verlebte Stunden!" rief beim ersten Glase der sehn-
lichst Erwartete dem Freunde zu. „Hoch die Inbertas aoademica!"

„Hoch, — hoch!"

„Nun sag' aber 'mal, lieber Berthold", lenkte der zweite Gast
in ein ruhiges Fahrwasser ein. „Was für eine seltsame Kleid-
ung hast Du Dir denn zugelegt? — Du siehst ja aus wie — wie
— na, wie denn?"

„Wie ein Schäfer aus der Lüneburger Haide!" erklärte der
Gefragte.

„Ja, ja!" nickte Carl. „Gesehen Hab' ich diese Leute auch schon.

Es war auf der Reise nach Hamburg. — Du hast doch aber
nicht gar umgesattelt? Der Standeswechsel wäre denn doch ein zu
merkwürdiger: erst Mediziner — —"

„Wie man's nehmen will!" lachte der Arzt. — „Mundus vult
decipi!“

„Ich verstehe Dich nicht!" erwiderte kopfschüttelnd der Commi-
litone. „Sei nur froh, daß keine Studenten hier sind. Du würdest
sicher in Deinem seltsamen Kostüin angeulkt!"

„Ich besitze gar kein anderes Zeug!" versetzte Berthold in größter
Seelenruhe... „Gerade diese Kleidung hat mir riesigen
Verdienst und großes Renommäe verschafft!"

„Das begreife ein Anderer!"

„Ich will Dir die Geschichte erzählen!" sprach der Mediziner
und nahm einen Schluck des goldigen Weins. „Sie ist nicht
sehr lang!"

„Dann schieß' 'mal los!"

„Du weißt, ich hatte bei'm Abgänge von der Universität ein
brillantes Staats-Examen gemacht. — Mit magischer Gewalt zog
es niich nach dein lebendigen Berlin, und dort ließ ich mich auch
bald darauf als praktischer Arzt nieder. Aber mit der Praxis war
es in der großen Stadt für mich ein heikel Ding: ich kannte Nie-
mand und war auch von Keinem gekannt. Ein paar Mal enipfahl
ich niich in den großen Zeitungen der Residenzstadt. Es fanden
sich ja auch infolgedessen einige Patienten bei mir ein, die aber schließ-
lich selber nichts hatten, und für die ich noch aus purem Mitleid
die Medizin bezahlte. Schließlich war der Rest meines kleinen Ver-
mögens aufgezehrt, und nun trat die Sorge um meine weitere Existenz
bitter und ernst an mich heran. So viel sah ich ein, daß in Berlin
meines Bleibens nicht war.

Ich verließ nach Ablauf eines Jahres die deutsche Metropole
und siedelte nach einem norddeutschen Landstädtchen über. Etwas
besser ging's ja dort; aber die Medizinalpfuscherei grassirte, nament-
lich in den Dörfern, in einer geradezu tollen Weise. Schäfer, Imker,
sogar Schmiede curirten fest darauf los, mochte es sich um eine
Krankheit handeln, welche cs wolle. Der Polizei fiel cs nicht ein,
gegen diesen offenbaren Unfug vorzugehen.

Da sagte mir der Apotheker des Oertchens eines Tages, ich
müsse die Sache anders anfangen. „Ziehen Sie ans das nächste
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"Mundus vult decipi!"
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

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Entstehungsort (GND)
München

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Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

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Thema/Bildinhalt (GND)
Latein
Sprichwort
Karikatur
Satirische Zeitschrift

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Fliegende Blätter, 103.1895, Nr. 2625, S. 186

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