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Der e r st

auch in früheren, viel früheren Jahren seiner damals noch jugend-
lichen Gemahlin zuliebe einigeinale getanzt hatte. Doch fehlte
ihm dazu die Begabung und die Neigung. Lr fand es mit dem
Ernste eines Mannes, der tagsüber, Akten unter dem Arm,
würdig durch Aintsräume schritt, nicht vereinbar, abends — ein
weibliches Wesen im nämlichen Arm — durch wirtschaftsiokali-
täten hinzuhopsen.

Das war freilich nun etwas ganz anderes; der Vorstand
mußte mit seiner Frau den Faschingsball eröffnen — das
hielten die „heiteren Brüder" immer so — das war Gesetz
ein Gesetz, das er unter allen Umständen befolgen würde!
Das stand bei einem pflichtgetreuen Manne, wie er es war, ohne
weiteres fest.

Aber wie ansangen?

Lr sagte sich mit Schrecken, daß er vom Tanzen, nun gar
von einem Walzer, auch nicht mehr eine Idee hatte.

Und der Walzer inußte getanzt, er mußte gewissenhaft
und genau getanzt werden, wie alles gewissenhaft und genau
geschah, was er tat.

Lr war in einem fürchterlichen Dilemma. Doch hatte er
sich in: Leben daran gewöhnt, die schwersten Kämpfe mit sich
allein auszukämpsen.

So auch diesen.

Selbst Ulrike konnte er nicht ins vertrauen ziehen. Dainen
sind in gewissen Dingen recht seltsam. Und sie hatte zudein
gelächelt.

Da las er in der Zeitung neben vielen ähnlichen Inseraten
die Ankündigung eines Tanzkurses in einein Vorstadtgasthaus.

Sein plan stand fest.

Lr war kühn und forderte Selbstüberwindung, ja sogar Ver-
stellung gegenüber Ulriken — aber es mußte sein: Sein Vor-
standsamt forderte es.

Die Frau Sekretär fand nichts dahinter, daß sich in den
nächsten Wochen die Ausschußsitzungen mehrten. Sie wußte, wie
gewissenhaft ihr Mann seine Ausgabe nahm .... und nun war
er doch Vorstand .... sie Frau Vorstand .... ehrenvolle, stolze,
schöne Stunden winkten.

Einmal in der Woche ging Knöpfte im schwarzen Rock in
die „rote Rose". Ls war dort ein sauberer kleiner Saal da, in
dem ein sehr gewandter perr, der im bürgerlichen Leben das
Schneidergewerbe ausübte, bei offenem Gaslicht anderthalb Dutzend
Paare in der schweren Kunst des Tanzes unterwies. Ls waren

lauter kleine Leute -- Jungverheiratete, Verlobte, total Ledige —
aber durchaus anständige, nette Menschen, von denen sich keines
unnötig um das andere kümmerte. Denn jedes hatte genug mit
der sapermenüsch-schwierigen Sache zu tun und mancher Schweiß-
tropfen perlte, mancher Seufzer stob.

Knöpfte hatte als Partnerin ein Mädchen in mittleren Jahren,
die ihn viel an Ulrikens Gestalt vor vielleicht einem Dezennium
erinnerte. Ihre Solidität, ihr Lrnst, ihre Energie, ihr absoluter
Ulangel an Neugierde und Aufdringlichkeit gefiel ihm. Lr machte
erstaunliche Fortschritte, und sagte sich nach vier bis fünf Wochen,
es könne nun nicht mehr fehlen — tadellos walzte er um den
Saal, wieviel daran die sichere Führung seiner Partnerin Anteil
hatte, erwog er nicht in seinem Glücksgesühl.

Die Weihnachtsfeiertage beendeten den Kurs.

Dann kam Neujahr mit seinen Glückwünschen und Gratu-
lationen.

Auch zu Knöpfte brachte es viele solche.

Außerdem brachte es ihnen eine neue Köchin — „eine aus-
gezeichnete Person, gesetzt, brav, fleißig" .... sagte die Frau
Sekretär, ehe sie ihm das Mädchen dann vorstellte.

Als er sie sah, wäre er beinahe in Ghnmacht gefallen. Nur
das Bewußtsein, was seine doppelte würde als Staatsbeamter
und Privatvorstand von ihm verlangte, hielt ihn aufrecht.

Seine neue Köchin war — seine alte Tänzerin. — „Anna,
Sie werden schwei-
gen!" sagte er
außen bittend zu
ihr. —

Sie nickte bloß
mit dem Kopse.

Sie hatte auch bei
der Vorstellung
mit keiner Wim-
per gezuckt. Sie
kannte die Welt.

Sie schwieg
auch. —

Sie war über-
haupt eine emi-
nente Person, die sich binnen wenigen Wochen in das perz
der Ehegatten hineinkochte, -nähte, -wusch, -bügelte — kurzum,
ein Fund, eine Perle.

Frau Ulrike brachte ihr deshalb auch alle
mögliche Neigung entgegen und bewirkte sogar,
daß Anna am Ballabend mitgehen durste, vom
Nebensaale aus — wo verschiedene Vereins-
angehörige Kinder und Dienstmädchen, ja sogar
in nachsichtiger Feststimmung deren „Bekannt-
schaften" untergebracht hatten — sollte auch die
Getreue dem Triumph ihrer Herrschaft bei-
wohnen.

Der Abend begann prächtig. Knöpfte im
Frack mit der weißen Binde, seine Frau in
ihren: Grünseidenen — beide sahen vorzüglich
aus. Alles schaute mit Bewunderung, Stolz,
Pochachtung, Neid usw. aus sie, als sie nun
zum ersten Walzer antraten.

Die Musik setzte ein_auch Gottlieb-auch Ulrike.

Aber nach drei Takten schon merkte sie, daß sie sich zu viel
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der erste Walzer"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Stockmann, Hermann
Entstehungsdatum (normiert)
1907 - 1907
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 126.1907, Nr. 3225, S. 237

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