Der Vetter aß und
trank im Palais de danse
und meine Frau bezahlte.
Ihre Freuden und Genüsse
malte ich mir aus mit der
Sehnsucht des Verbannten,
der im Exil schmachtet, im
Exil auf dem Speicher. Ich
konnte keine Ruhe finden.
Mangels anderer Reisezer-
streuung zahlte ich meine
Knöpfe, die Dachsparren,den
Stundenschlag. Id; hörte
wieder das Auto rattern,
ich suhlte das Haus in sei-
nen Grundfesten erzittern,
als der Vetter auf taktvoll leisen Sohlen die Treppe herauftorkelte.
Der erste Morgenschimmer brach nieder in mein Exil. Ich
kletterte zum Dachfenster empor, es gibt bekanntlich keinen herr-
licheren Naturgenuß, als einen Sonnenaufgang auf dem Scheitel
des Dachfirfts. Dank Vetter Dir, daß Du mir diesen Ausblick er-
leben ließest I Als es ringsum lebendig wurde, kehrte ich in mein
Exil zurück, um nicht am Hellen Tag in den verdacht des Mond-
fcheinwandelns zu kommen. Leider konnte id; meine Lokalstudien
nicht vollenden, ich mußte vor der Hausmeisterin flüchten. Ein
alter Reisekorb nahm mich
Ausgestoßenen gastfreundlich
auf. Raun, ist im kleinsten
Korbe, wenn man allein ist.
Ich entwickelte eine staunens-
werte Anpassungsfähigkeit an
die gegebenen Verhältnisse.
Mit aller Selbstbeherrschung,
deren id; fähig war, trotzte
id; den elementarsten Natur-
gesetzen: Trotz der gewalti-
gen Hitze, die sich entwickelte,
dehnte id; mich nicht aus. In dieser Lage bewährte sich wieder
mein Stoizismus, ich wurde scelcnhciter und pfiff leise — die
Hausmeisterin war schwerhörig — die Melodie: „Venn jemand
eine Reise tut, so kann er was erzählen . . ." Da pfiff plötzlich
auch noch jemand anders mit. Meine Frau I Venn meine Frau
pfeift, kann mich nichts halten, auch kein liebgewordcner Korb.
Ich stog erlöst in ihre befreienden Arme, ich . . . wollte fliegen.
Aber ich versteinerte unterwegs im Flug. Trotz der teilnahms-
■y:^r "fr----
vollen Frage der Hausmeisterin: „Gut'n Mor'n, Herr Direktor, wo
kommen denn Sie schon her in aller Früh?"
Ich konnte der freundlichen Frau keine Auskunft erteilen, weil
id; ja versteinerte. Denn meine Gattin stand da mcdusenhast.
„weißt Du, was er zum Abschied gesagt hat?" — Ich wußte
natürlich nicht, id; war doch verreist gewesen. — „Er hat gesagt:
Es Hot mi' wirkli' g'freit, daß's enk so guat göht in da Stadt, ös
seid's so großarti' g'stöllt, daß's von an arma Bauern wie mia
nix braucht'sl"
Line Viertel-
stunde später hatte
die Hausmeisterin
in allen Etagen
verbreitet: „Ja, ja,
da sieht man's wie-
der, wenn's den
Leuten zu gut geht!
Das steigt Ihnen
in den Kopf! Den-
ken Sie nur, Direk-
tor Hfeiffer vom
Zweiten hat heute
auf dem Speicher
im Reisekorb über- ... , _ ...
nachtet 1" '
3of-
^chiiiNen ^uii.
Siche da! Gin Bauersmann
Ginfam auf dem Berg,
Lehnt (ich (einer $cn(e an,
Müde vom Tagewerk.
Grausig gegen den Himmel getürmt
Sah er knod)ig und all,
Blickt auf alles, was ihn umwärmt,
llerächllich nieder und kalt.
Stumm und stille aufgeweckt
Grinst er ins Abendrot.
Und id) fübl's, im Herren erschreckt:
Das ist der Schnitter Cod.
R. Zoozmann.
Aar ein Herbsttag, die Sichel klang
Irgendwo im Seid;
Sern (choll Abendglockenge(ang,
Sonne schied aus der UJelt.
Koloniales.
Deutschland machte unlängst beim Bölker-
bund seinen Anspruch auf Kolonialbesitz geltend.
Man bedeutete ihm zuerst, daß die ganze Welt
schon vergeben sei. Aber endlich fand man in
Asien noch zwei Gegenden, die man Deutsch
land als alleinigen Besitz znweisen könnte:
Den Hindn-kusch mid das Blamir-Plateau.
Abbau der Z n> a n g s w i r t s ch a f t.
Flurwächter: „Ick; glau^ gar, Sie
stehlen Kartoffeln!?" — Dieb: „Stehlen?
Die Erdäpfel sind doch freigegeben worden."
Zeitgemäß.
Peperl (betet): „Unser klägliches Brot
gib uns heute I"
Grund zum Bleib en.
Bei Maiers gehl heute die siebeuund-
dreisiigste. Herr Maier führt darüber Bud)
seit seiner Ehe holdem Anbeginn. Von
Frau Maier ist der Absd)ied frostig. Herr
Maier aber gibt der Zeus die Hand in
Güte: „Geh'n 8’, bleid'n S', bleib’it S' da
— schau'u C', id) muß ja and; dableib'n "
trank im Palais de danse
und meine Frau bezahlte.
Ihre Freuden und Genüsse
malte ich mir aus mit der
Sehnsucht des Verbannten,
der im Exil schmachtet, im
Exil auf dem Speicher. Ich
konnte keine Ruhe finden.
Mangels anderer Reisezer-
streuung zahlte ich meine
Knöpfe, die Dachsparren,den
Stundenschlag. Id; hörte
wieder das Auto rattern,
ich suhlte das Haus in sei-
nen Grundfesten erzittern,
als der Vetter auf taktvoll leisen Sohlen die Treppe herauftorkelte.
Der erste Morgenschimmer brach nieder in mein Exil. Ich
kletterte zum Dachfenster empor, es gibt bekanntlich keinen herr-
licheren Naturgenuß, als einen Sonnenaufgang auf dem Scheitel
des Dachfirfts. Dank Vetter Dir, daß Du mir diesen Ausblick er-
leben ließest I Als es ringsum lebendig wurde, kehrte ich in mein
Exil zurück, um nicht am Hellen Tag in den verdacht des Mond-
fcheinwandelns zu kommen. Leider konnte id; meine Lokalstudien
nicht vollenden, ich mußte vor der Hausmeisterin flüchten. Ein
alter Reisekorb nahm mich
Ausgestoßenen gastfreundlich
auf. Raun, ist im kleinsten
Korbe, wenn man allein ist.
Ich entwickelte eine staunens-
werte Anpassungsfähigkeit an
die gegebenen Verhältnisse.
Mit aller Selbstbeherrschung,
deren id; fähig war, trotzte
id; den elementarsten Natur-
gesetzen: Trotz der gewalti-
gen Hitze, die sich entwickelte,
dehnte id; mich nicht aus. In dieser Lage bewährte sich wieder
mein Stoizismus, ich wurde scelcnhciter und pfiff leise — die
Hausmeisterin war schwerhörig — die Melodie: „Venn jemand
eine Reise tut, so kann er was erzählen . . ." Da pfiff plötzlich
auch noch jemand anders mit. Meine Frau I Venn meine Frau
pfeift, kann mich nichts halten, auch kein liebgewordcner Korb.
Ich stog erlöst in ihre befreienden Arme, ich . . . wollte fliegen.
Aber ich versteinerte unterwegs im Flug. Trotz der teilnahms-
■y:^r "fr----
vollen Frage der Hausmeisterin: „Gut'n Mor'n, Herr Direktor, wo
kommen denn Sie schon her in aller Früh?"
Ich konnte der freundlichen Frau keine Auskunft erteilen, weil
id; ja versteinerte. Denn meine Gattin stand da mcdusenhast.
„weißt Du, was er zum Abschied gesagt hat?" — Ich wußte
natürlich nicht, id; war doch verreist gewesen. — „Er hat gesagt:
Es Hot mi' wirkli' g'freit, daß's enk so guat göht in da Stadt, ös
seid's so großarti' g'stöllt, daß's von an arma Bauern wie mia
nix braucht'sl"
Line Viertel-
stunde später hatte
die Hausmeisterin
in allen Etagen
verbreitet: „Ja, ja,
da sieht man's wie-
der, wenn's den
Leuten zu gut geht!
Das steigt Ihnen
in den Kopf! Den-
ken Sie nur, Direk-
tor Hfeiffer vom
Zweiten hat heute
auf dem Speicher
im Reisekorb über- ... , _ ...
nachtet 1" '
3of-
^chiiiNen ^uii.
Siche da! Gin Bauersmann
Ginfam auf dem Berg,
Lehnt (ich (einer $cn(e an,
Müde vom Tagewerk.
Grausig gegen den Himmel getürmt
Sah er knod)ig und all,
Blickt auf alles, was ihn umwärmt,
llerächllich nieder und kalt.
Stumm und stille aufgeweckt
Grinst er ins Abendrot.
Und id) fübl's, im Herren erschreckt:
Das ist der Schnitter Cod.
R. Zoozmann.
Aar ein Herbsttag, die Sichel klang
Irgendwo im Seid;
Sern (choll Abendglockenge(ang,
Sonne schied aus der UJelt.
Koloniales.
Deutschland machte unlängst beim Bölker-
bund seinen Anspruch auf Kolonialbesitz geltend.
Man bedeutete ihm zuerst, daß die ganze Welt
schon vergeben sei. Aber endlich fand man in
Asien noch zwei Gegenden, die man Deutsch
land als alleinigen Besitz znweisen könnte:
Den Hindn-kusch mid das Blamir-Plateau.
Abbau der Z n> a n g s w i r t s ch a f t.
Flurwächter: „Ick; glau^ gar, Sie
stehlen Kartoffeln!?" — Dieb: „Stehlen?
Die Erdäpfel sind doch freigegeben worden."
Zeitgemäß.
Peperl (betet): „Unser klägliches Brot
gib uns heute I"
Grund zum Bleib en.
Bei Maiers gehl heute die siebeuund-
dreisiigste. Herr Maier führt darüber Bud)
seit seiner Ehe holdem Anbeginn. Von
Frau Maier ist der Absd)ied frostig. Herr
Maier aber gibt der Zeus die Hand in
Güte: „Geh'n 8’, bleid'n S', bleib’it S' da
— schau'u C', id) muß ja and; dableib'n "
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Vetter vom Lande"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1920
Entstehungsdatum (normiert)
1910 - 1930
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 153.1920, Nr. 3924, S. 120
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg