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Oer alte Nachtwächter.

(Äing einst mi! Hellebarde
Und Horn und Mordslatern'

llnd sang mein Stundensprüchel
Zum stillen Flimmerstern -

Nun bin ich in der großen
„Nachtwach m. b. H."
llnd meine Requisiten
Sind kurz und klein allda:

Es schrumpste die Laterne
Zum Glühwurm im Futt'ral,
Oes Tutehorns Gedröhne
Zum Trillerpfeifsignal.

llnd wo die blanke Lanze
Ich einst ins Dunkel stieß,

Da stech' ich die — Kontroll-
uhr,

Mit winzigem Schlüsselspieß!

Ich stapf' durch Korridore,
Elektrisch nachterhellt —

Nur wo mein Schildchen leuchtet,
Da bin ich hinbestellt.

Es waren mir Vertraute:

Oer Mauern Gchattentuch.

Oer Gassen Holpersteine,

Ein Hund, ein Zecherfluch-

Doch eines blieb feit jeher
In aller Zeiten Lauf:

Oie großen Diebe schieben,
Oie kleinen halt' ich auf. ..

W. Kraln.

biomen esl omen.

..Was hältst Dir, Huber, von der Konferenz in Genua?" —
„Hab' eh' schv' ge-nun!"

Am rechten Platze.

Der letzte Platz im Abteil wurde eine Sekunde, ehe der Zug
abging, von zwei Individuen eingenommen, derart, daß sich das
eine auf den Schoß des anderen fetzte. Dieses war ein jüngerer
Herr niit heiter offenem Antlitz, jenes ein Hund, eine kleine Bull-
dogge mit sehr mürrischem Gesicht. „Die Herrschaften haben doch
nichts dagegen, daß ich meinen Hund hier niit hincinnehme?"
fragte der Herr. Es wurde kein Widerspruch laut. Warum auch?
Der Zug fuhr ja schon und es war gar nicht niehr zu verlangen,
daß Herr und Hund wieder hinaus sollten.

„Mein Bella wird aber auch niemand belästigen", fuhr der
jüngere Herr fort. ..prächtiges Tier, kann ich Ihnen sagen. Ge-
schenk von einer Tante, die Bellas Mutter besitzt, aber natürlich
nicht inimer alle die jungen Hunde behalten kann. Ganz ausge-
schlossen. Mein Bella zum Beispiel kam mit fünf Geschwistern auf
die Welt. G. was meine Tante da für Mühe hatte, die alle unter-
zubringen — denn sie sollten natürlich in gute Hände kommen.
Ich bekam also den Bella; eine Tousine von niir kriegte einen mit
einem weißen Fleck über den, rechten Auge. nein, über dem linken
Auge. Ober ? warten Sie mal I" —

Der jüngere Herr mit dein heiter offenen Antlitz überlegt,
kommt zu dem Schluß, daß der Fleck doch über dem rechten Auge
war, und erzählt dann weiter, wo alle die jungen Hunde hin-
gekommen sind. Das dauert, da nicht nur die Hunde, sondern
auch ihre Besitzer beschrieben werden, etwa eine Viertelstunde. Die
Mitreisenden sagen „Ja, ja" und „Ach, was Sie nicht sagen I"
und ähnliches. Ein alter Herr in einer Ecke aber verhält sich
völlig schweigend.

„wissen Sie, zuerst dachte ich manchmal, daß nieine Tante mir
mit dem Bella eine rechte Plage aufgchalst hatte", fährt der jüngere
Herr fort. „Also. was so ein junger Hund einem für Ärger macht!
Bis man ihn stubenrein kriegt! Na, und dann das Knabbern und
Nagen! Zuerst zerknabberte Bella mir ein Paar Stiesel, sehr feine
Lackstiefcl, so gut wie neu. Ich hatte sie mir zur Hochzeit eines
Kollegen angeschafft. Dann zerriß er mir eine Beisedccke. eine echte
Kanicclhaardeckc. Dann nahni er sich ein Sosakissen vor. Lin
hübsches Kissen, kann ich Ihnen sagen. Vergißmeinnicht waren
darauf gestickt. Dder nein: Veilchen. Ader? warten Sie mall"
Der jüngere Herr überlegt, kommt zu dem Schluß, daß es doch
Vergißmeinnicht waren und erzählt dann weiter, was für Schaden
Bella in seiner Jugend angcrichtet hat. Das dauert wieder eine
Viertelstunde. Die Mitreisenden sagen „Ja, ja," und „Ach, was
Sie nicht sagenI" und ähnliches. Der alte Herr in seiner Ecke
verhält sich noch immer schweigend.

Dann schildert der jüngere Herr Bellas Erziehung und erzählt
von den Kunststücken, die Bella machen kann. Bella muß ein sehr
talentierter Hund sein. Ls dauert wieder eine Viertelstunde, bis
alles berichtet ist. Die Mitreisenden sagen „Ja. ja." und „Ach, was
Sie nicht sagenI" und ähnliches. Der alte Herr in seiner Ecke ver-
hält sich noch immer schweigend.

„Ja, mein Bella ist ein prächtiges Kerlchen." fährt der jüngere
Herr munter fort. „Und gar nicht böse. „Er sieht nur so aus.
viele Leute fürchten sich vor ihm. Wissen Sie. vor einem Viertel-
jahr. als die Hundesperre bei uns kam, da mußte er einen Ulaul-
korb bekommen. Ich gehe also zu einem Sattlermeister, der Maul-
körbe zu verkaufen hat. Ls waren schon einige Leute niit Hunden
in dem Laden; denn damals wurden natürlich fürchterlich viel
Maulkörbe gekauft. Ein Neufundländer, ein Dackel, ein Nattcm
sängcr und ein Windhund waren da, und allen probierte der
Sattlermclstcr die Maulkörbe selbst an. lvic ich aber mit meinem

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der alte Nachtwächter"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Krain, Willibald
Entstehungsdatum
um 1922
Entstehungsdatum (normiert)
1917 - 1927
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 156.1922, Nr. 3999, S. 90

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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