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„Eine kolossal große Wohnung haben Sie aber da für zwei Personen!" — „Nicht
wahr? Hier kann man sich wenigstens ans Weg gehen."

Frühherbsi.

Auf den blauweißen Feldern des Fachwerkhauses kringelt die Sonne, bis sich schwer und
wuchtig der dunkle Schatten des prallvollen Pflaumenbaumes darüberlegt. Lin leichter Wind-
stoß, und einige überreife Früchte fallen in die feurigen Goldbälle, klatschen in das feuchte Gras,
daß die lfühncr scheu davonstieben. Ini Nußbaum am Lattenzaun piept noch ängstlich die
zweite Brut, indes der stumpfe Ruch der letzten paferstiegen in der Luft steht und häßlich die
Flachsstengel düsten.

Die Sonne irrlichtert über meinen Tisch, auf dem die halbgeleerte Bunzlauer Ranne
neben Brot und Butter steht. Peter, der bsund, umschnuppert mich und die Ratze schaut,
lässig in die Fensterrahmen gedrückt, zu.

Schräg durch die braungestrichene Dielentür sehe ich ins paus. Die alte Frau wäscht
auf. Manchmal knarrt die Pumpe, bricht ein Wasserstrahl fauchend aus dem Messinglöwcnmaul
in die breite polzwanne. Der kleine Lnkel schaut zu. Bald aber greisen seine festen Fäustchen

in die Flut, daß sie sich zischend zerteilt
und hundert Tröpfchen in sein frisches
Apfelgesicht sprühen, bis er aussieht wie
ein unwilliger Mecrgott. Dann schiebt
ihn die Großmutter, des Spiels über-
drüssig, ohne ein Wort zu sagen vor
die Tür.

Unverwandt schaut er mich von der
Treppenstufe mit seinen großen Blau-
lichtern an. Ich lache ihm zu, winke
mit einem Stückchen Zucker. Lr äugt
ernst und starr zu niir herüber. Ich
gehe ein paar Schritte, komme ihm
näher. Da drückt er sich in die Tür-
ccke, sieht mich immerfort an, sagt
aber nichts. Ich gehe an meinen Platz
zurück und greife zu einer liegcnge-
bliebenen Zeitung.

Die Sonne ist fort. Die Dorfstraße
wirbelt seinen Staub auf. Line gelbe
Weinrebe schaukelt am Spalier. Aus
dem Schornstein steigt Rauch und schlägt
nieder. Ich höre ein feines Stimmchen.
Der kleine Rerl hat eine lfolzflöte aus
der Tasche gezogen und bläst versunken
vor sich hin. Ls ist sehr still. Die Groß-
mutter ist ins Zimmer gegangen.

Immer das feine, wehe Getön.

Immer derselbe unbeholfene, un-
bewußte Ukollklang.

Gder nicht unbewußt? Spürt das
Rind den Todeswind, der klagend über
kahle Felder fährt, und singt es sich,
noch ganz wind und Feld und Wald,
Blume und Vogel, darin ein?

Gder ist cs ein Seelesuchen, das noch
keine Worte formen kann, das scheu
zum Bruder Mensch tastet, sich unter
seinen Schutz stellen möchte, sich zu
flüchten vor einem unbegreiflichen, furcht-
baren Geschehen?

Immer der feine, melodische Moll-
klang.

Peter jagt verdrossen hinter einem
Falter her, der endlich müde in die
gelben Georginen fällt. Line Sense
kreischt schrill am Waldrand. Einige
Tropfen Regen fallen.

Immer der feine, melodische Moll-
klang.

Ich kann das nicht mehr hören.

Ich stehe auf und ivill gehen.

Als ich die Stiege zur Straße schreite,
ruft ein Stimmlein: „Gnkel l"

Lin verlorener Streif Sonne fällt
auf die Treppe. Ludwig Lüu.

Der Agrarier.

„Wiss'n <§', mir Ham halt auch unsere
Sorgen, in mein Papiergeld is der
Schwamm 'kommen."

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Eine kolossal große Wohnung haben Sie da..."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsdatum
um 1922
Entstehungsdatum (normiert)
1917 - 1927
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 157.1922, Nr. 4028, S. 118

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