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mehr einschlafen konnte, und
will das Ergebnis meinet Über-
legungen und Betrachtungen
im folgenden mitteilen.

Ls erscheint zweckmäßig, un-
sere Frage zu gliedern und zu
erforschen: A) warum kräht der
Gockel überhaupt? 6) warum
so früh?

Der Hahnenschrei kann auf-
gefaßt werden |. als spontane
reine Äußerung der Lebens-
freude, gleich dem „Gesang"
der übrigen Vögel. Nun habe
ich aber unserem stolzen Lebens-
bejaher, um ihn zu ärgern,
zu deprimieren, seine schönste
Schwanzfeder ausgerissen. Er
hat trotzdem weitergekräht und
zwar mit deutlich zornigem
Beiklang. — Gder kräht er 2.
aus Hunger? Nein, er kräht
auch, wenn er gesättigt ist, er
krähte frühmorgens auch neben
dem bereitgestellten Futternapf.
Zwar muß ich einräumen, daß
das Moment der Gewöhnung
die Deutung solcher Experimente
zu stören geeignet ist. — 3. Aus
Liebe? Als Werbegesang? Li-
nen solchen hat er nicht nötig,
da er als Pascha im-Harem sei-
ner Partnerinnen vollkommen
sicher ist. Ls ist schwerlich an-
zunehmen, daß eine Henne nur
durch seinen schönen werbe-
gesang sich bestimmen ließe,
den etwa beabsichtigten wider-
stand, der ja doch vergeblich
wäre, aufzugeben. Auch krähen
noch ganz alte Gockel, die keine
Werbeabsichten mehr haben. -
H. Als Kampfansage bezw.
Warnung gegenüber Konkur-
renten? Die Häuptlinge benach-
barter Hühnerhöfe antworten
sich gegenseitig, aber auch dann,
wenn irgendwelche Kämpfe
nach Lage der Grtlichkeit ganz
ausgeschlossen sind und über-
haupt vollkommen getrennte
Interessensphären bestehen. —
5. Die Auffassung, daß der
Gockel in der häuslichen Ge-
meinschaft eines ganzen Bau-
ernhofes sich eine Art Wächter-
rolle beimißt, würde Gefühle
höherer Brdnung voraussetzen,
die einem Vogelgehirn abge-
sprochen werden müssen. In-
sonderheit muß der Gedanke,

Im Eifer.

„Im vorigen Jahre kostete das Haarschneiden noch zwei Mark,
heute mußte ich hundert Mark bezahlen." - „Natürlich, Du hast ja
immer Zeit, lvarum ließest Du Dir die Haare nicht im vorigen Jahr
schon schneiden?"

daß der Gockel morgens die
ganze Tiergemeinde auf die mit
Einbruch des Lichtes dem Schlä-
fer drohende Feindgefahr auf-
merksam zu machen sucht, zurück-
gcwiesen werden, da im allge-
meinen jedes Tier die zu seiner
Sicherung und Verteidigung
nötigen Sinnesfunktionen und
körperlichenSchutzeinrichtungen
selbst besitzt.

Daß das Licht den Anreiz
zum ersten Hahnenschrei gibt
(nicht etwa der Hunger, siehe
oben), konnte ich dadurch zur
Evidenz beweisen, daß ich
um Mitternacht mittels künst-
licher indirekter schwacher Licht-
quelle den Gockel zum Krähen
brachte. Es handelt sich also
um einen Reslexmechanismus.

Mit obigen Ausführungen
sind wir leider der Beantwor-
tung unserer Frage nicht wesent-
lich nähergekommen, wenngleich
der Gedanke an atavistische
Nachwirkungen, welche aus der
Zeit des Wildlebens in die Zeit
der Domestikation Hereinspielen
könnten, doch die eine oder andere
der genannten Möglichkeiten zu
stützen geeignet wäre, von teleo-
logischenSpekulationen anderer-
seits müssen wir uns emanzi-
pieren. Der Zweckmäßigkeits-
begriff versagt hier. Daß der
MorgengesangfürunserenMist-
haufentenor nicht „zweckmäßig"
ist, geht schon daraus hervor,
daß ich ihm längst den Kragen
umgedreht hätte, wenn er nicht
eine beträchtliche Geldsumme
repräsentieren würde.

lvir können also lediglich die
kV i r ku n g e n des Hahnenschreis
ins Auge fassen und einteilen
in solche, welche (. für den
Gockel 2. für seine Umgebung
a) förderlich b) nachteilig sind.
Wenn ich, an den letzten Punkt
2 b anknüpfeud, die Frage von
meinem Standpunkt aus über-
lege und mir die Freiheit ein-
räume, die Wirkung hypo-
thetisch als Ergebnis einer
bewußten Zweckhandlung auf-
zufaffen, so komme ich zu dem
für mich eindeutigen Schluß:
Dieses Mistvieh (sensu strictiori)
kräht frühmorgens lediglich,
um — mich zu ärgern.

£>rof. CD. Iegerl.

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Im Eifer"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Schendel, Otto
Entstehungsdatum
um 1922
Entstehungsdatum (normiert)
1917 - 1927
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 157.1922, Nr. 4032, S. 148

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