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Der vierte Brief:
„O Lerr, sind Sie der Mann, der gleich mir das Rau-
schen des Waldes, das Singen der Sonne und die brausende
Symphonie der Kunst liebt und es vermag, in der Arbeit
des Tages die Schönheit des Lebens zu erkennen? Leisen
Sie mir, den Alltag zu verschönern, Kerzen an den Baum
des Lebens zu stecken und mir das Glück zu schenken, das
mein armes, weidwundes Lerz in dieser materiellen Welt
bisher vergeblich suchte. Meine Mitgift ist nicht ohne Be-
deutung, und auch sonst bringe ich alles mit, was ein Mann
sich in solchen Fällen nur wünschen kann. Ahnen Sie,
welches Glück Ihnen bevorsteht? Kommen Sie bald, das
Leben ist ja so kurzl And ich habe noch nichts erlebt!
Ihre-"
Der letzte Brief:
„Nehmen Sie mich! Ich hoffe, Ihren Ansprüchen zu
genügen. Auch Sonntags. Sie werden nicht enttäuscht
Weggehen."
Diese fünf Briefe wählte ich aus und beantwortete sie. Ich
bestellte die Damen alle an einem Abend. Jede zu einer
anderen Stunde und jede in ein anderes Kaffeehaus. And
dann ging ich zu ihnen. Zuerst zu der einen, dann zu der
zweiten, dritten und vierten und fünften. Wißt ihr, Freunde,
was ich erlebte?
Ich traf zu jeder Stunde in jedem Kaffeehaus immer
wieder dieselbe Frau! Sagt selbst, soll ich das viel-
seitige Mädchen heiraten?
Von Ralph Urban
„Leute habe ich sechs Mark fünfzig verdient," sagte
Frau Ledwig nach dem Abendessen.
„Womit denn?" fragte Lerr Schuhmann mißtrauisch.
„Ein Altwarenhändler war unten im Los, und den habe ich
„Damit Sie den Glauben an uns Frauen nicht verlieren, junger
Mann: ich nehme den Strauß zum halben Preise wieder zurück,
wenn Ihre Braut Sie versetzt hat."
Gegen die Regel
„Wo sind Sie geboren?"
„Auf einem Schiff, als meine Eltern nach Europa zurückkamen-10 Grad
nördlicher Breite und 30 Grad westlich von Greenwich."
„Lm — zu dumm! Ich muß doch den Regierungsbezirk aufschreiben können."
heraufgerufen. Dabei wurden unsere Schränke wenigstens einmal
entrümpelt. Mit dem Geld, das ich von ihm für die Lumpen bekam,
habe ich jetzt schon vierzig Mark Ersparnisse,
es fehlen mir also nur noch weitere vierzig
auf den Sportmantel. Bin ich tüchtig?"
„Lm," meinte der Mann, „und worin be-
standen die Lumpen?"
„Ach, so allerlei Zeug: Stoffreste, eine Jacke
von mir, die graue Lose von dir, die unten
schon ganz abgestoßen war, den häßlich grünen
Sommeranzug, den Lodenmantel, den du so-
wieso nicht mehr—"
Lerr Schuhmann zuckte zusammen. „Was ?"
ächzte er. „Den Lodenmantel?"
„Natürlich, den Lodenmantel," entgegnete
die Frau schlicht, „er hing schon seit Jahren
unbenützt im Schrank und reizte nur die
Motten."
„Der Mantel muß her!" erklärte Lerr
Schuhmann bestimmt und klopfte mit dem
Zeigefinger auf die Tischkante. „Wo wohnt
der Altwarenhändler?"
„Woher soll ich das wissen, mein Freund?
And was liegt dir plötzlich an dem Loden-
mantel, den du seit Jahr und Tag nicht mehr
getragen hast?"
„Der Mantel muß unbedingt wieder zurück.
Abgesehen davon, daß ich es reichlich stark
von dir finde, meine Garderobe ohne mein
Wissen zu veräußern, weißt du gar nicht, was
du mit deinem sträflichen Leichtsinn angerich-
tet hast. In dem Mantel war etwas drinnen!"
„Etwas drinnen? Ja, was denn?"
„Ein Briefumschlag mit — mit - hm —
nun ja, mit Geld."
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Der vierte Brief:
„O Lerr, sind Sie der Mann, der gleich mir das Rau-
schen des Waldes, das Singen der Sonne und die brausende
Symphonie der Kunst liebt und es vermag, in der Arbeit
des Tages die Schönheit des Lebens zu erkennen? Leisen
Sie mir, den Alltag zu verschönern, Kerzen an den Baum
des Lebens zu stecken und mir das Glück zu schenken, das
mein armes, weidwundes Lerz in dieser materiellen Welt
bisher vergeblich suchte. Meine Mitgift ist nicht ohne Be-
deutung, und auch sonst bringe ich alles mit, was ein Mann
sich in solchen Fällen nur wünschen kann. Ahnen Sie,
welches Glück Ihnen bevorsteht? Kommen Sie bald, das
Leben ist ja so kurzl And ich habe noch nichts erlebt!
Ihre-"
Der letzte Brief:
„Nehmen Sie mich! Ich hoffe, Ihren Ansprüchen zu
genügen. Auch Sonntags. Sie werden nicht enttäuscht
Weggehen."
Diese fünf Briefe wählte ich aus und beantwortete sie. Ich
bestellte die Damen alle an einem Abend. Jede zu einer
anderen Stunde und jede in ein anderes Kaffeehaus. And
dann ging ich zu ihnen. Zuerst zu der einen, dann zu der
zweiten, dritten und vierten und fünften. Wißt ihr, Freunde,
was ich erlebte?
Ich traf zu jeder Stunde in jedem Kaffeehaus immer
wieder dieselbe Frau! Sagt selbst, soll ich das viel-
seitige Mädchen heiraten?
Von Ralph Urban
„Leute habe ich sechs Mark fünfzig verdient," sagte
Frau Ledwig nach dem Abendessen.
„Womit denn?" fragte Lerr Schuhmann mißtrauisch.
„Ein Altwarenhändler war unten im Los, und den habe ich
„Damit Sie den Glauben an uns Frauen nicht verlieren, junger
Mann: ich nehme den Strauß zum halben Preise wieder zurück,
wenn Ihre Braut Sie versetzt hat."
Gegen die Regel
„Wo sind Sie geboren?"
„Auf einem Schiff, als meine Eltern nach Europa zurückkamen-10 Grad
nördlicher Breite und 30 Grad westlich von Greenwich."
„Lm — zu dumm! Ich muß doch den Regierungsbezirk aufschreiben können."
heraufgerufen. Dabei wurden unsere Schränke wenigstens einmal
entrümpelt. Mit dem Geld, das ich von ihm für die Lumpen bekam,
habe ich jetzt schon vierzig Mark Ersparnisse,
es fehlen mir also nur noch weitere vierzig
auf den Sportmantel. Bin ich tüchtig?"
„Lm," meinte der Mann, „und worin be-
standen die Lumpen?"
„Ach, so allerlei Zeug: Stoffreste, eine Jacke
von mir, die graue Lose von dir, die unten
schon ganz abgestoßen war, den häßlich grünen
Sommeranzug, den Lodenmantel, den du so-
wieso nicht mehr—"
Lerr Schuhmann zuckte zusammen. „Was ?"
ächzte er. „Den Lodenmantel?"
„Natürlich, den Lodenmantel," entgegnete
die Frau schlicht, „er hing schon seit Jahren
unbenützt im Schrank und reizte nur die
Motten."
„Der Mantel muß her!" erklärte Lerr
Schuhmann bestimmt und klopfte mit dem
Zeigefinger auf die Tischkante. „Wo wohnt
der Altwarenhändler?"
„Woher soll ich das wissen, mein Freund?
And was liegt dir plötzlich an dem Loden-
mantel, den du seit Jahr und Tag nicht mehr
getragen hast?"
„Der Mantel muß unbedingt wieder zurück.
Abgesehen davon, daß ich es reichlich stark
von dir finde, meine Garderobe ohne mein
Wissen zu veräußern, weißt du gar nicht, was
du mit deinem sträflichen Leichtsinn angerich-
tet hast. In dem Mantel war etwas drinnen!"
„Etwas drinnen? Ja, was denn?"
„Ein Briefumschlag mit — mit - hm —
nun ja, mit Geld."
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Damit Sie den Glauben an uns Frauen nicht verlieren, junger Mann..." "Gegen die Regel"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1939
Entstehungsdatum (normiert)
1934 - 1944
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 191.1939, Nr. 4914, S. 203
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg