»Ich nehme lieber das Orginal, ist doch wertvoller als die Kopie!"
Sibylle brüllt
nichts zu hören. Ob die Uhr falsch ging? Er setzte sich einen Augen-
blick ans Fenster und sah aus die leere, nasse Straße. Die Vögel
begannen zu piepen und zu zwitschern, — der Morgen war da. —
Nun machte er sich ernsthaft Sorgen.
„Sibylle wird doch nicht etwa krank sein?"
Es wurde 5 Ahr. Die Stille wurde unerträglich. Im Magen^ hatte
er ein dumpfes, taubes Gefühl. Er horchte an der Tür, das Ohr
dicht an das Lolz gedrückt... Aber er hörte nur sein Lerz klopfen, —
nichts von Sibylle. Da hielt er es nicht mehr aus und rannte ins
Schlafzimmer. Lilde erwachte und sah ihn erstaunt an. „Am Gottes
Willen, Lilde, was ist mit Sibylle los?"
„Warum denn?"
„Sie schreit ja nichtI"
Lilde lachte: „Warum soll sie denn schreien? Sie schläft, — aber
sei nicht so laut, sonst wacht sie aus."
Eugen hockte auf der Bettkante nieder, das Kinn in die Lände
gestützt. Mißtrauisch sah er auf das schlafende, rosige Baby und
beobachtete jeden Atemzug. Er konnte sich mit Lildes leichtfertiger
Erklärung nicht zufrieden geben.
Plötzlich sprang er hoch: „Das ist ja unheimlichI Ich laufe zum
Arzt, da stimmt etwas nichtl"
Lilde wollte ihn beruhigen, doch da quätte es, und es wurde
ein kräftiges Brüllen. Eugen strahlte. Sein Lerz pochte wild vor
Freude, er hob Sibyllchen aus dem Körbchen. Eine Zentnerlast war
von seinem Vaterherzen gefallen. Er umarmte Lilde und jubelte
wie ein Verliebter nach dem ersten Kuß: „Sibylle brülltl-Sibylle
brüllt!"
Ein BahnhofSgespräch von Lerbert Reinhold
Der Anschlußzug fuhr fünfzehn Minuten später.
Bornemann vertrat sich die Füße. Der Bahnsteig war ohne
Aussicht. Bornemann langweilte sich. Er zog den Kopf ein und
nörgelte über die schlechten Anschlüsse.
Plötzlich erheiterte sich sein Gesicht. Drüben, jenseits zweier
Gleise war eine . . . , nennen wir es getrost: eine glasgefaßte
Veranda. „Buffet," lockte ein Brauereischild.
Bierreklame weckt den Durst, was sie ja auch soll. Bornemann
bekam Durst. Leftigen sogar. Ganz trocken war es ihm in der Kehle.
Also ging, lief er. Zwanzig Stufen in einen Schlund hinab, unten
entlang, zwanzig Stufen zum Licht hinauf. Oben hastete er trotz des
kurzen Atems weiter.
Jetzt war er vor dem Ausschank.
„Ein Bier," röchelte er.
„Ebenfalls," sagte eine heitere Stimme hinter ihm.
Das Buffetsräulein schob zwei Biere aus dem Fenster.
Bornemann griff zu.
Aber auch der Stimmenträger griff zu.
„Zum Wohle," sagte Bornemann und wendete sich um.
„Wie Sie wünschen!" sagte ein Lerr.
Bornemann trank und schielte. Der Mann gefiel ihm. Kollege
laxierte er und wagte eine Vorstellung.
„Bornemann, Nossen, Rauchwaren," sagte er.
„Meyer-Meyer, Leipzig, Rauchwaren," lächelte der andere.
Bornemann reichte eine Zigarre.
„Danke," lehnte Meyer-Meyer ab und zog ein Zigarettenetui.
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Sibylle brüllt
nichts zu hören. Ob die Uhr falsch ging? Er setzte sich einen Augen-
blick ans Fenster und sah aus die leere, nasse Straße. Die Vögel
begannen zu piepen und zu zwitschern, — der Morgen war da. —
Nun machte er sich ernsthaft Sorgen.
„Sibylle wird doch nicht etwa krank sein?"
Es wurde 5 Ahr. Die Stille wurde unerträglich. Im Magen^ hatte
er ein dumpfes, taubes Gefühl. Er horchte an der Tür, das Ohr
dicht an das Lolz gedrückt... Aber er hörte nur sein Lerz klopfen, —
nichts von Sibylle. Da hielt er es nicht mehr aus und rannte ins
Schlafzimmer. Lilde erwachte und sah ihn erstaunt an. „Am Gottes
Willen, Lilde, was ist mit Sibylle los?"
„Warum denn?"
„Sie schreit ja nichtI"
Lilde lachte: „Warum soll sie denn schreien? Sie schläft, — aber
sei nicht so laut, sonst wacht sie aus."
Eugen hockte auf der Bettkante nieder, das Kinn in die Lände
gestützt. Mißtrauisch sah er auf das schlafende, rosige Baby und
beobachtete jeden Atemzug. Er konnte sich mit Lildes leichtfertiger
Erklärung nicht zufrieden geben.
Plötzlich sprang er hoch: „Das ist ja unheimlichI Ich laufe zum
Arzt, da stimmt etwas nichtl"
Lilde wollte ihn beruhigen, doch da quätte es, und es wurde
ein kräftiges Brüllen. Eugen strahlte. Sein Lerz pochte wild vor
Freude, er hob Sibyllchen aus dem Körbchen. Eine Zentnerlast war
von seinem Vaterherzen gefallen. Er umarmte Lilde und jubelte
wie ein Verliebter nach dem ersten Kuß: „Sibylle brülltl-Sibylle
brüllt!"
Ein BahnhofSgespräch von Lerbert Reinhold
Der Anschlußzug fuhr fünfzehn Minuten später.
Bornemann vertrat sich die Füße. Der Bahnsteig war ohne
Aussicht. Bornemann langweilte sich. Er zog den Kopf ein und
nörgelte über die schlechten Anschlüsse.
Plötzlich erheiterte sich sein Gesicht. Drüben, jenseits zweier
Gleise war eine . . . , nennen wir es getrost: eine glasgefaßte
Veranda. „Buffet," lockte ein Brauereischild.
Bierreklame weckt den Durst, was sie ja auch soll. Bornemann
bekam Durst. Leftigen sogar. Ganz trocken war es ihm in der Kehle.
Also ging, lief er. Zwanzig Stufen in einen Schlund hinab, unten
entlang, zwanzig Stufen zum Licht hinauf. Oben hastete er trotz des
kurzen Atems weiter.
Jetzt war er vor dem Ausschank.
„Ein Bier," röchelte er.
„Ebenfalls," sagte eine heitere Stimme hinter ihm.
Das Buffetsräulein schob zwei Biere aus dem Fenster.
Bornemann griff zu.
Aber auch der Stimmenträger griff zu.
„Zum Wohle," sagte Bornemann und wendete sich um.
„Wie Sie wünschen!" sagte ein Lerr.
Bornemann trank und schielte. Der Mann gefiel ihm. Kollege
laxierte er und wagte eine Vorstellung.
„Bornemann, Nossen, Rauchwaren," sagte er.
„Meyer-Meyer, Leipzig, Rauchwaren," lächelte der andere.
Bornemann reichte eine Zigarre.
„Danke," lehnte Meyer-Meyer ab und zog ein Zigarettenetui.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Ich nehme lieber das Original..."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1939
Entstehungsdatum (normiert)
1934 - 1944
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 191.1939, Nr. 4920, S. 267
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg