Das harte B und das weiche P.
thun sei. Endlich hielt er für das Beste, den Auftrag dein
Kellner zu übergeben.
„Hören Se, Schorsch," redete er diese» an, „der Harre
uff Nummer Sechse will ä Bogen Babicr haben. Tragen
i Se'n doch ämal nuff, ich habe keenc Zeit »ich ibrig!"
Damit übergab der kluge Hausknecht den so eben zurück-
gewicsenen Papierbogen dem Kellner, der, nichts Böses ahnend,
auch sogleich zu Herrn Jrüneboom eilte. Hier wurde er aber
gar übel empfangen, da der Berliner in dem abermaligen
Bringen des Papierbogens einen Hohn sah und neben seiner
auch janz Preußens Ehre verletzt fühlte. Um jedoch die
weitläufigen diplomatischen Verhandlungen zwischen den beider-
seitigen Gesandten, sowie Notenwechsel, Ministerialerlasse und
am Ende gar Kriegserklärungen zu vermeiden, beschloß Jrüne-
boom die ganze Angelegenheit auf friedlichem Privatwege ab-
zumachen. Er ergriff also den schuldlosen Kellner beim Kragen
und bewies ihm, daß man eine Stiege von zwanzig Stufen
in der Zeit einer einzigen Sekunde herabkommen könnte, ohne
sich dabei der Füße zu bedienen. Mit einem Worte: Jrüne-
boom war so wüthend, daß er den nichts ahnenden, schuldlosen
Kellner ohne Weiteres die Treppe hinab warf, indem er ihm
zornschnaubend nachrief: „Barbier will ich; verstanden?"
Der arme Kellner raffte unten seine beschundcnen Glied-
maßen zusammen und ging zum Wirth, dem er das eben Er-
lebte klagte und sein Recht forderte. Der Wirth aber, wie
das gar nicht anders sein konnte, nahm die Partie des Gastes
und fügte zu den körperlichen Verletzungen des Kellners auch
»och wörtliche in großer Menge und ohne gewissenhafte Aus-
wahl. Dann aber nahm er einen andern Papierbogen, weil
1 der in Begleitung des Kellners herabgekommene, nicht ganz
I rein geblieben war und beschloß, das Verlangte dem Gaste selbst
J zu bringen und zugleich wegen der Unbeholfenheit seiner Leute
um Entschuldigung zu bitten. — Er trat bei seinem Gaste ei».
Jrüneboom war noch ganz kirschbraun im Gesicht vor Aergcr
und er lief aufgebracht in der Stube aus und ab. — „ffiat
is mich denn det vor eine Sache in Ihr Haus?" brüllte er
den Wirth an, „ick Hab' schon dreimal de» Barbier bestellt
und es kommt Keener »ich!" — „Sie weren gingst enrschol-
digen," entgegnete der Wirth, „aber mer kann Sie merklich
39
»ich immer fer seine Leite, wenn die von so ä bischen enncr
dimmlichten Gemithsart sin. Nu bring ich Sie's aber selber."
„Jott, hat der Kerel eene jrausame Aussprache," dachte
Jrüneboom bei sich und fügte dann laut hinzu: „Wat bringen
Se mich denn cegcnhändig ruff?" „Ach du mei liebes Kott-
chen, spricht der Herre ä schlechtes Deitsch", dachte der Wirth
bei sich und sprach dann laut: „I nu, säh'n Sc, härren Sc,
Se hatten doch wollen ä Babier habe», un nu bring ich Sie's
selber." — „Eenen Barbier Hab' ich bestellt," donnerte der
Berliner. — „Nu ja doche, hier is ja s'Babicr," lächelte der
Wirth. — „Kreuzmillionenschockjardcjrcnadirrcment," polterte
Jrüneboom jetzt fast außer sich, „versteht denn hier jar Nie-
mand »ich reencs Deutsch? Eenen Barbier, Bartscheerer, Bart-
kratzer, der mir rasirt, will ick!" — Hier aber brach der
Wirth in ein schallendes Gelächter aus, so daß der verblüffte
Jrüneboom gar nicht wußte, was das zu bedeuten hatte.
„Sähn Se, nu versteh' ich Sic gleich," rief endlich der
Wirth. „Se meenen: ä Palmirer wollen Se haben. Das
hätten Se aber doch gleich sage» können : denn wenn Eener deitlich
spricht, dann verstehen mir Sie Alles; aber wenn Ec»S immer
das harte B und das weechc P verwechselt, da kann mer'n
oock »ich verstehe». Wenn Se also wieder rasird sein wollen,
dann verlangen Se nur ä Pal wir er!"
Jetzt war also das Räthsel gelöst und in wenig Minu-
ten war ein schaumschlagender Genius zur stelle.
Jrüneboom verließ aber noch an demselben Tage Sachsen,
um nicht ähnlichen Mißverständnissen ausgesctzt zu sein und
kehrte nach dem prächtigen Berlin, wo man so „een jutes, ree
»es Deutsch" spricht, eilig zurück.
Die Erlösung.
Ein reicher Jude fährt mit seinem Sohne in eigener
Equipage auf der Landstraße; ein junger muthwilliger Straßen-
arbeiter rief ihnen schimpfend nach und warf Steine nach ihnen.
Der Sohn, entrüstet über diese Insulten, wollte aus
dem Wagen springen, um den Arbeiter zu züchtigen. Der Va-
ter aber hielt ihn mit den Worten am Arm zurück: „Sei ruhig,
mein Sobn, Du weißt, wir sind jetzt in Goles (Knechtschaft);
wenn aber die Erlösung kommen wird, werden sie in Equipagen
fahren, und wir werden auf den Straßen arbeiten und ihnen
Steine nachwerfen."
thun sei. Endlich hielt er für das Beste, den Auftrag dein
Kellner zu übergeben.
„Hören Se, Schorsch," redete er diese» an, „der Harre
uff Nummer Sechse will ä Bogen Babicr haben. Tragen
i Se'n doch ämal nuff, ich habe keenc Zeit »ich ibrig!"
Damit übergab der kluge Hausknecht den so eben zurück-
gewicsenen Papierbogen dem Kellner, der, nichts Böses ahnend,
auch sogleich zu Herrn Jrüneboom eilte. Hier wurde er aber
gar übel empfangen, da der Berliner in dem abermaligen
Bringen des Papierbogens einen Hohn sah und neben seiner
auch janz Preußens Ehre verletzt fühlte. Um jedoch die
weitläufigen diplomatischen Verhandlungen zwischen den beider-
seitigen Gesandten, sowie Notenwechsel, Ministerialerlasse und
am Ende gar Kriegserklärungen zu vermeiden, beschloß Jrüne-
boom die ganze Angelegenheit auf friedlichem Privatwege ab-
zumachen. Er ergriff also den schuldlosen Kellner beim Kragen
und bewies ihm, daß man eine Stiege von zwanzig Stufen
in der Zeit einer einzigen Sekunde herabkommen könnte, ohne
sich dabei der Füße zu bedienen. Mit einem Worte: Jrüne-
boom war so wüthend, daß er den nichts ahnenden, schuldlosen
Kellner ohne Weiteres die Treppe hinab warf, indem er ihm
zornschnaubend nachrief: „Barbier will ich; verstanden?"
Der arme Kellner raffte unten seine beschundcnen Glied-
maßen zusammen und ging zum Wirth, dem er das eben Er-
lebte klagte und sein Recht forderte. Der Wirth aber, wie
das gar nicht anders sein konnte, nahm die Partie des Gastes
und fügte zu den körperlichen Verletzungen des Kellners auch
»och wörtliche in großer Menge und ohne gewissenhafte Aus-
wahl. Dann aber nahm er einen andern Papierbogen, weil
1 der in Begleitung des Kellners herabgekommene, nicht ganz
I rein geblieben war und beschloß, das Verlangte dem Gaste selbst
J zu bringen und zugleich wegen der Unbeholfenheit seiner Leute
um Entschuldigung zu bitten. — Er trat bei seinem Gaste ei».
Jrüneboom war noch ganz kirschbraun im Gesicht vor Aergcr
und er lief aufgebracht in der Stube aus und ab. — „ffiat
is mich denn det vor eine Sache in Ihr Haus?" brüllte er
den Wirth an, „ick Hab' schon dreimal de» Barbier bestellt
und es kommt Keener »ich!" — „Sie weren gingst enrschol-
digen," entgegnete der Wirth, „aber mer kann Sie merklich
39
»ich immer fer seine Leite, wenn die von so ä bischen enncr
dimmlichten Gemithsart sin. Nu bring ich Sie's aber selber."
„Jott, hat der Kerel eene jrausame Aussprache," dachte
Jrüneboom bei sich und fügte dann laut hinzu: „Wat bringen
Se mich denn cegcnhändig ruff?" „Ach du mei liebes Kott-
chen, spricht der Herre ä schlechtes Deitsch", dachte der Wirth
bei sich und sprach dann laut: „I nu, säh'n Sc, härren Sc,
Se hatten doch wollen ä Babier habe», un nu bring ich Sie's
selber." — „Eenen Barbier Hab' ich bestellt," donnerte der
Berliner. — „Nu ja doche, hier is ja s'Babicr," lächelte der
Wirth. — „Kreuzmillionenschockjardcjrcnadirrcment," polterte
Jrüneboom jetzt fast außer sich, „versteht denn hier jar Nie-
mand »ich reencs Deutsch? Eenen Barbier, Bartscheerer, Bart-
kratzer, der mir rasirt, will ick!" — Hier aber brach der
Wirth in ein schallendes Gelächter aus, so daß der verblüffte
Jrüneboom gar nicht wußte, was das zu bedeuten hatte.
„Sähn Se, nu versteh' ich Sic gleich," rief endlich der
Wirth. „Se meenen: ä Palmirer wollen Se haben. Das
hätten Se aber doch gleich sage» können : denn wenn Eener deitlich
spricht, dann verstehen mir Sie Alles; aber wenn Ec»S immer
das harte B und das weechc P verwechselt, da kann mer'n
oock »ich verstehe». Wenn Se also wieder rasird sein wollen,
dann verlangen Se nur ä Pal wir er!"
Jetzt war also das Räthsel gelöst und in wenig Minu-
ten war ein schaumschlagender Genius zur stelle.
Jrüneboom verließ aber noch an demselben Tage Sachsen,
um nicht ähnlichen Mißverständnissen ausgesctzt zu sein und
kehrte nach dem prächtigen Berlin, wo man so „een jutes, ree
»es Deutsch" spricht, eilig zurück.
Die Erlösung.
Ein reicher Jude fährt mit seinem Sohne in eigener
Equipage auf der Landstraße; ein junger muthwilliger Straßen-
arbeiter rief ihnen schimpfend nach und warf Steine nach ihnen.
Der Sohn, entrüstet über diese Insulten, wollte aus
dem Wagen springen, um den Arbeiter zu züchtigen. Der Va-
ter aber hielt ihn mit den Worten am Arm zurück: „Sei ruhig,
mein Sobn, Du weißt, wir sind jetzt in Goles (Knechtschaft);
wenn aber die Erlösung kommen wird, werden sie in Equipagen
fahren, und wir werden auf den Straßen arbeiten und ihnen
Steine nachwerfen."
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Das harte B und das weiche P"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Thema/Bildinhalt (normiert)
Rauswurf <Motiv>
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 29.1858, Nr. 683, S. 39
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg