Fliegende Blätter (29.1858 (Nr. 679-704))

Der grantige Jager.

Der Photograph als gefährlicher Nachbar. 6l

Jetzt fangt's zu regnen an,

Wer da noch jagen kan»!

Dritthalb Stund' noch nach Haus,
Das zahlt sich wirklich aus!

Das war a Jagd! —

Ich mag mi nimmer scher'»,

'S wird so bald finster wer'»,

Gut is — wenn heim ich tracht',
Sonst — mich die Frau ausmacht,
Dürft nimmer mit.

E. S.

!


Luise liegt weinend am Sopha, ihre Freundin Lina tritt
eben in das Zimmer.)

(Luise (schluchzend). „Ach gut, daß Du kommst, liebe
Lina, ich bedarf so sehr Deines Trostes; Du kannst Dir gar
nicht borstellen, was mir begegnet ist, ach Lina, Lina, der
abscheuliche Photograph."

Lina. „Was hast Du denn? Sprich doch!"

Luise (schluchzend). „Du kennst Karl."

Lina. „Den blonden mit dem hübschen Backenbart?"

Luise. „Nein, das ist ein anderer."

Lina. „Ist es der Italiener?"

Luise. „Ach Gott nein, das ist ja wieder ein anderer!
Er hat schwarz gelocktes Haar."

Lina. „Und was ist's mit ihm?"

Luise. „Er war gestern bei mir im Garten und —
ich kann auch nichts dafür, daß der Mensch so ungestüm ist
— er gab mir einen Kuß."

Lina. „Nun, das ist ja kein Unglück."

Luise. „Das hätte auch gar nichts gemacht, aber der
Photograph. Du weißt, daß sein Atelier ganz nahe bei der
Laube unsres Gartens ist; und leider kann man herübcr-
schen. Und da hat der abscheuliche Mensch uns photo-
graphirt, ohne daß wir es gemerkt haben."

Lina. „Da soll nur Karl ihm das Bild abkaufen."

Luise. „Ach, es ist zu spät! Als Karl heute zu mir
kam, da hat er das Bild schon am Schaufenster beim Photo-
graphen gesehen, er hat es kaufen wollen, aber denk' Dir, der
miserable Mensch, der schlechte Photograph, sagt ihm mit teuf-
lischem Lächeln, daß es schon verkauft sei, und daß er an Studen-
ten schon 18 Exemplare abgcsetzt habe. Ist das nicht schrecklich.
Oh, ich möchtediesem Teufelsphotographen die Augen auskratzen!"