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Das Ohrenwermchen.
Nu sähe Se mal, nu Harn Se mal, mer haben näm-
lich außer unser Stube und de Kammer noch e Stibchen,
und da sagt ich zu meiner Frau: „Herschte, sagt ich, mer
zwee beeden brauchten das Stibchen ooch nich, weeßte,
das kennten mer vermiethen." — „ Siehste, mei Gottlieb,
das mach' Du ganz wie Du denkst," sagte meine Frau, „ich
habe nischt dergegen." — Ich ging also uf de Erbedition
vons Tageblatt und ließ mei Stibchen inricken. Nn sähn
Se mal, nu härn Se nial, als ich eenes scheenen Mittags
mein Schälchen Kaffe trinke (meine Frau saß gleich näber
mir und trank ooch ihren Kaffee), da kummt uf ecmal e
Mann herein — »ich en gewöhnlicher Mann, nee ein ganz
respektirlicher Herr herein und fragt mich: „Härn Se, haben
Se nich e Stibchen zu vermiethen?" — „Ja," sagt ich,
„das haben mir zu vermiethen; ich und meine Frau (da
macht er eene Verbeigung vor meiner Frau, ganz wie e an-
ständiger Herre) wir zwee beeden brauchen das Loschieh nich
so groß und da wollten mers vermiethen." Nu sähn Se,
der mieth's Loschieh und mer vertragen uns ganz gut. Das
machte mich zwar etwas ufstihig; wie der erschte Monat her-
um war, da dacht ich, er werde zu mir kommen und sagen:
„Härn Se, hier haben Se das Geld vor's Loschieh," aber
er kam nich; nu, dacht ich, wer weeß, was ihm vielleicht vor
e Malheer gepassirt is; er werd's schon bezahlen, e anstän-
diger Herr is es. Nu ging aber ooch der zweete Monat um,
und wie der vorbei war, da nehm ich mir e Herze und
fragte'^: „Härn Se, Se bezahlen wohl verteljährlich?" —
„Ja, Herr Mondschädel," sagt er da, „ich bezahle, wenn ich
das Loschiehgeld berichtige verteljährlich." Nu, dachte ich, da
kriegste was uf eenen Haufen, da kannste Deinem Weibsen
was dervor koofen. Wie nu der dritte Monat bald um is,
da begegnet er mir uf der Treppe und ohne daß ich ihn an-
geredt habe, sagt er zu mir: „Was wünschen Se, Herr
Mondschädel?" Wie ich nu entgegne, daß ich gar nischt ge-
meent hätte, reckt er sein Ohr abermals ganz nah an meinen
Mund und fragt: „Wie meenen Se, Herr Mondschädel?"
Nu ich denke, der Teifel hatten in der Nacht toob gemacht,
ich werde eeklich und schreie (und wenn ich eeklich bin, da
schrei ich wie en Ochse) ich schreie also: „Ich meene gar
nischt!" Nu sähn Se mal, nu härn Se mal, da lacht der
Kerl und sagte: „Aber härn Se, Herr Mondschädel, das is
ooch kee Wunder, in ihrem Loschieh sein ja Ohrwermer."
Nu sähn Se mal, ich wußte nich, wie das mit enander zu-
sammenhängen sollte; er erklärte mer es aber und sagte, daß
Ohrwermer gefährliche Thiere sein, die eenem in's Ohr krie-
chen, das mer dran sterbt; nu sagt er, daß er sich aus Forcht
die Ohren mit Watte zugestoppt habe, und daß er mir das
ooch ricthe; nu halt' er gedacht, daß ich was zu ihm sagen
wollte, weil ich gerade mit dem Maule gewackelt hatte, als
er vorbei ging, und das könnt' er doch nicht verstehen, weil
er die Ohren voll Watte gestoppt hatte. Nu sähn Se, ich
war ganz bleich vor Furcht und Entsetzen und sagte, daß
ich nur gleich zurück zu meiner Sophie gehen wollte und
Watte in's Ohr stoppen. Wie ich zu meiner Frau komme
und sag's ihr, da wollte se's erscht nich globkp, aber endlich
wurde se ooch ängstlich, holte eene Tafel Watte und sagte:
„Siehste, mei Gottlieb, nu stoppe ich Dir Watte in's Ohr
Das Ohrenwermchen.
Nu sähe Se mal, nu Harn Se mal, mer haben näm-
lich außer unser Stube und de Kammer noch e Stibchen,
und da sagt ich zu meiner Frau: „Herschte, sagt ich, mer
zwee beeden brauchten das Stibchen ooch nich, weeßte,
das kennten mer vermiethen." — „ Siehste, mei Gottlieb,
das mach' Du ganz wie Du denkst," sagte meine Frau, „ich
habe nischt dergegen." — Ich ging also uf de Erbedition
vons Tageblatt und ließ mei Stibchen inricken. Nn sähn
Se mal, nu härn Se nial, als ich eenes scheenen Mittags
mein Schälchen Kaffe trinke (meine Frau saß gleich näber
mir und trank ooch ihren Kaffee), da kummt uf ecmal e
Mann herein — »ich en gewöhnlicher Mann, nee ein ganz
respektirlicher Herr herein und fragt mich: „Härn Se, haben
Se nich e Stibchen zu vermiethen?" — „Ja," sagt ich,
„das haben mir zu vermiethen; ich und meine Frau (da
macht er eene Verbeigung vor meiner Frau, ganz wie e an-
ständiger Herre) wir zwee beeden brauchen das Loschieh nich
so groß und da wollten mers vermiethen." Nu sähn Se,
der mieth's Loschieh und mer vertragen uns ganz gut. Das
machte mich zwar etwas ufstihig; wie der erschte Monat her-
um war, da dacht ich, er werde zu mir kommen und sagen:
„Härn Se, hier haben Se das Geld vor's Loschieh," aber
er kam nich; nu, dacht ich, wer weeß, was ihm vielleicht vor
e Malheer gepassirt is; er werd's schon bezahlen, e anstän-
diger Herr is es. Nu ging aber ooch der zweete Monat um,
und wie der vorbei war, da nehm ich mir e Herze und
fragte'^: „Härn Se, Se bezahlen wohl verteljährlich?" —
„Ja, Herr Mondschädel," sagt er da, „ich bezahle, wenn ich
das Loschiehgeld berichtige verteljährlich." Nu, dachte ich, da
kriegste was uf eenen Haufen, da kannste Deinem Weibsen
was dervor koofen. Wie nu der dritte Monat bald um is,
da begegnet er mir uf der Treppe und ohne daß ich ihn an-
geredt habe, sagt er zu mir: „Was wünschen Se, Herr
Mondschädel?" Wie ich nu entgegne, daß ich gar nischt ge-
meent hätte, reckt er sein Ohr abermals ganz nah an meinen
Mund und fragt: „Wie meenen Se, Herr Mondschädel?"
Nu ich denke, der Teifel hatten in der Nacht toob gemacht,
ich werde eeklich und schreie (und wenn ich eeklich bin, da
schrei ich wie en Ochse) ich schreie also: „Ich meene gar
nischt!" Nu sähn Se mal, nu härn Se mal, da lacht der
Kerl und sagte: „Aber härn Se, Herr Mondschädel, das is
ooch kee Wunder, in ihrem Loschieh sein ja Ohrwermer."
Nu sähn Se mal, ich wußte nich, wie das mit enander zu-
sammenhängen sollte; er erklärte mer es aber und sagte, daß
Ohrwermer gefährliche Thiere sein, die eenem in's Ohr krie-
chen, das mer dran sterbt; nu sagt er, daß er sich aus Forcht
die Ohren mit Watte zugestoppt habe, und daß er mir das
ooch ricthe; nu halt' er gedacht, daß ich was zu ihm sagen
wollte, weil ich gerade mit dem Maule gewackelt hatte, als
er vorbei ging, und das könnt' er doch nicht verstehen, weil
er die Ohren voll Watte gestoppt hatte. Nu sähn Se, ich
war ganz bleich vor Furcht und Entsetzen und sagte, daß
ich nur gleich zurück zu meiner Sophie gehen wollte und
Watte in's Ohr stoppen. Wie ich zu meiner Frau komme
und sag's ihr, da wollte se's erscht nich globkp, aber endlich
wurde se ooch ängstlich, holte eene Tafel Watte und sagte:
„Siehste, mei Gottlieb, nu stoppe ich Dir Watte in's Ohr
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Das Ohrenwermchen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Thema/Bildinhalt (normiert)
Verbeugung <Motiv>
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 49.1868, Nr. 1207, S. 70
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg