Geschichten aus der Ukräne.
Kosaken- Ssotnie (Compagnie) als tapfer, und edel bekannt
und von guter, wohlhabender Familie.
Weshalb er gekommen war? Er war gekommen, um
zu sehen, was es mit jener Orißja für ein Bewandtniß habe,
was das für eine Tochter des Ssotniks Tawalga sei, von
der in der ganzen Hetmanschaft so viel Rühmens gemacht
werde. Und jetzt, nachdem er sie gesehen, die Vielgerühmte,
fand er seine höchsten Erwartungen übertroffen und bat er
! den Ssotnik, ihn mit ihrer Hand zu beglücken.
Der Vater besann sich nicht lange und rief Orißja zu
sich. Mit glühenden Wangen und gesenkten Augen trat sie
in's Zimmer.
„Hier steht Dein Bräutigam, Orißja!" redet sie der
Vater an. „Gefällt er Dir? Oder wartest Du auf einen
Besseren?"
Wenn sie auch nur ein Wort gesprochen, oder wenig-
stens einmal aufgeblickt hätte! Nein, stumm und gesenkten
Hauptes stand sie da, als wüßte sie nicht, was mit ihr
vorgeht.
Der Vater aber wartete nicht lange auf ihre Antwort;
er sah es ihr au, was sie dachte und was sie antworten
wollte, aber nicht konnte, denn die Augen und das Gesicht
des Mädchens waren beredter als ihre Zunge.
„Nein, es ist nicht möglich, daß Dir ein solcher Kosak
nicht gefalle," fuhr daher der Ssotnik fort. „Umarmt und
i küßt Euch, und Gott gebe seinen Segen dazu!"
Der Kosak umarmte und küßte Orißja, worauf Beide
I vor dem Vater auf die Kniee sanken.
Wie viel Gäste zur Hochzeit kamen, wie glänzend das
Fest gefeiert wurde, wie lange man aß und trank und tanzte,
das will ich nicht erzählen.
Ich sah Orißja im Brautgewande; sie war schön wie
eine Rose. Ich sah sie ein Jahr später in Mirogorod, da
war sie noch schöner und in ihren Armen ruhte ein Kind,
^ lieblich wie ein Stern. Mehr als einmal dachte ich, wenn
ich sie betrachtete: Das ist keine Frau, das ist ein auf
I die Erde herabgesticgcncr Engel. Wer doch ein Künstler wäre
> und sie so, wie sie dastand mit dem Kinde an der Brust,
malen könnte! Was für ein entzückendes Bild müßte das
! werden!
Offenes Sendschreiben
! der Gemeinde-Vertretung Fackcthnusen an das Cuttus-
Ministerium.
Die unterfertigte Amtsverwaltung ist zusanimengetreten
und hat beschlossen, an das hohe Ministerium die gehorsamste
! Bitte zu richten, gnädigst verfügen zu wollen, daß nicht nur
keine Feiertage abgeschasst, sondern auch die Kirchweihfeste an
verschiedenen Sonntagen wo möglich das ganze Jahr hindurch
gefeiert weiden sollen. Die Abschaffung der Feiertage und
Verlegung aller Kirchweihen auf Einen Sonntag brächte nicht
nur unserer Enten-, Gänse- und Hühner-, sondern auch un-
serer Rindvieh- und Schweinezucht großen Nachtheil, und
Offenes Sendschreiben rc. 163
unsere Wirthschaft im Allgemeinen, insbesondere der Bier-
verschleiß, würde großen Schaden erleiden. Denn ivo wollten
wir die Gäste hernehmen, wenn alle Bauern in ihren Dorf-
schaften blieben und ihre Sach' selbst fresseten? Alan sagt
zwar, auf den Kirchweihen werde so viel gesoffen und ge- !
rauft, aber ein hohes Ministerium möge bedenken, daß die j
Jugend auch ihre Freud' haben muß, und sich daran erinnern, I
daß cs auch einmal jung gewesen ist. Sollte jedoch ein hohes
Ministerium nicht gewillt sein, auf unfern Vorschlag einzu-
gehen, so erlauben wir uns, demselben einen Vergleich vor-
zuschlagen , dahin gehend, dasselbe wolle allergnädigst ver-
fügen, das; für die Zukunft auch sämmtlichr Fast-
tage aus Einen und denselben Freitag verlegt
werden, »ach dem alten Spruche: Was dem Einen recht
ist, das i]t dem Anderen billig.
Eines hohen Ministeriums
unterthänigste
Gemeinde-Verwaltung.
Fackelhausen, den 14. November.
24 *
Kosaken- Ssotnie (Compagnie) als tapfer, und edel bekannt
und von guter, wohlhabender Familie.
Weshalb er gekommen war? Er war gekommen, um
zu sehen, was es mit jener Orißja für ein Bewandtniß habe,
was das für eine Tochter des Ssotniks Tawalga sei, von
der in der ganzen Hetmanschaft so viel Rühmens gemacht
werde. Und jetzt, nachdem er sie gesehen, die Vielgerühmte,
fand er seine höchsten Erwartungen übertroffen und bat er
! den Ssotnik, ihn mit ihrer Hand zu beglücken.
Der Vater besann sich nicht lange und rief Orißja zu
sich. Mit glühenden Wangen und gesenkten Augen trat sie
in's Zimmer.
„Hier steht Dein Bräutigam, Orißja!" redet sie der
Vater an. „Gefällt er Dir? Oder wartest Du auf einen
Besseren?"
Wenn sie auch nur ein Wort gesprochen, oder wenig-
stens einmal aufgeblickt hätte! Nein, stumm und gesenkten
Hauptes stand sie da, als wüßte sie nicht, was mit ihr
vorgeht.
Der Vater aber wartete nicht lange auf ihre Antwort;
er sah es ihr au, was sie dachte und was sie antworten
wollte, aber nicht konnte, denn die Augen und das Gesicht
des Mädchens waren beredter als ihre Zunge.
„Nein, es ist nicht möglich, daß Dir ein solcher Kosak
nicht gefalle," fuhr daher der Ssotnik fort. „Umarmt und
i küßt Euch, und Gott gebe seinen Segen dazu!"
Der Kosak umarmte und küßte Orißja, worauf Beide
I vor dem Vater auf die Kniee sanken.
Wie viel Gäste zur Hochzeit kamen, wie glänzend das
Fest gefeiert wurde, wie lange man aß und trank und tanzte,
das will ich nicht erzählen.
Ich sah Orißja im Brautgewande; sie war schön wie
eine Rose. Ich sah sie ein Jahr später in Mirogorod, da
war sie noch schöner und in ihren Armen ruhte ein Kind,
^ lieblich wie ein Stern. Mehr als einmal dachte ich, wenn
ich sie betrachtete: Das ist keine Frau, das ist ein auf
I die Erde herabgesticgcncr Engel. Wer doch ein Künstler wäre
> und sie so, wie sie dastand mit dem Kinde an der Brust,
malen könnte! Was für ein entzückendes Bild müßte das
! werden!
Offenes Sendschreiben
! der Gemeinde-Vertretung Fackcthnusen an das Cuttus-
Ministerium.
Die unterfertigte Amtsverwaltung ist zusanimengetreten
und hat beschlossen, an das hohe Ministerium die gehorsamste
! Bitte zu richten, gnädigst verfügen zu wollen, daß nicht nur
keine Feiertage abgeschasst, sondern auch die Kirchweihfeste an
verschiedenen Sonntagen wo möglich das ganze Jahr hindurch
gefeiert weiden sollen. Die Abschaffung der Feiertage und
Verlegung aller Kirchweihen auf Einen Sonntag brächte nicht
nur unserer Enten-, Gänse- und Hühner-, sondern auch un-
serer Rindvieh- und Schweinezucht großen Nachtheil, und
Offenes Sendschreiben rc. 163
unsere Wirthschaft im Allgemeinen, insbesondere der Bier-
verschleiß, würde großen Schaden erleiden. Denn ivo wollten
wir die Gäste hernehmen, wenn alle Bauern in ihren Dorf-
schaften blieben und ihre Sach' selbst fresseten? Alan sagt
zwar, auf den Kirchweihen werde so viel gesoffen und ge- !
rauft, aber ein hohes Ministerium möge bedenken, daß die j
Jugend auch ihre Freud' haben muß, und sich daran erinnern, I
daß cs auch einmal jung gewesen ist. Sollte jedoch ein hohes
Ministerium nicht gewillt sein, auf unfern Vorschlag einzu-
gehen, so erlauben wir uns, demselben einen Vergleich vor-
zuschlagen , dahin gehend, dasselbe wolle allergnädigst ver-
fügen, das; für die Zukunft auch sämmtlichr Fast-
tage aus Einen und denselben Freitag verlegt
werden, »ach dem alten Spruche: Was dem Einen recht
ist, das i]t dem Anderen billig.
Eines hohen Ministeriums
unterthänigste
Gemeinde-Verwaltung.
Fackelhausen, den 14. November.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Offenes Sendschreiben"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 49.1868, Nr. 1219, S. 163
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg