Fliegende Blätter (62.1875 (Nr. 1537-1562))

Dic Mühlr.

6t

Dort drunten am Bühle,

Da stand eine Mühle,

Ein niedriger, ärmlicher Bau;

Die Müllerin drinnen
Voll munteren Sinnen
War eine gar wackere Frau.

Susannchen. war kommen,

Als fern schon verglommen
Die Strahlen am bergigen Wall;
Da nahm sie die Waise
Und murmelte leise:

„Die Mühle, sic mahlet für All'."

Aus schattiger Ferne,

Da lauscht' ich so gerne
Der Beiden geschwätzigem Wort;
Sie schalt das Gesinde,

Sie wehrte dem Kinde,

Sie lehrte und plauderte fort.

Mich freute das Walten

Der rüstigen Alten

Dort unter dem Dache von Stroh;

Die Mühle, die klappert,

Susannchen, die plappert —

Wie klang das so heimisch und froh!

Doch sah ich hinunter,

So dacht' ich mitunter

Und sprach es auch traurig wohl aus:

„Ein Leben, so wonnig,

So liebevoll sonnig.

Und ach! ein so ärmliches Haus!" —

Heut glänzet der Bau
In weißlichem Grau
Mit Giebeln großmächtig und neu;
Das Kind ohne Brod,

Die Müllerin todt —

Nun flieh' ich der Mühle vorbei.

Hobakuk.