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Er bringt seine Frau.
„Der . . . Leichnam ... der Frau Majorin! ?" stam-
melte der Schullehrer, der nun gewiß war, der Bürgermeister
sei übergeschnappt.
„Halten Sie uns nicht auf!" schrie endlich der Bürger-
meister den Schullehrer ärgerlich an. „Kurz, wo ist die Frau
Majorin?"
„Sie . . . sitzt . . . neben dem Herrn Major . . . im
Wagen!" antwortete cingcschüchicrt der Schullehrer.
„Sic ... sitzt .. . im Wagen!" brachte nun der
Bürgermeister kaum hörbar hervor. Hier beugte sich der Major,
dem die Geschichte zu lange dauerte, aus dem Wagen.
„Guten Abend, Herr Bürgermeister!" rief er dieseni zu.
„Darf ich Sie bitten, einen Augenblick heranzutretcn?"
Der Bürgermeister folgte der Einladung.
„Hier stelle ich Ihnen meine junge Frau vor!" sagte der
Major, und wies auf eine hübsche Dame neben sich, die schelmisch
lächelnd mit der Hand den Bürgermeister grüßte.
Dieser war natürlich wie aus den Wolken gefallen, und
war, in der Erinnerung dessen, was er eben für einen Unsinn
angezcttelt hatte, unfähig, ein Wort herauszubringen.
„Ich feiere so eigentlich erst morgen hier mein Hochzeits-
j fest", fuhr der Major fort. „Herr Bürgermeister, die Herren
! Gcmeinderäthe und ihre lieben Frauen sind morgen bei mir
»m I Uhr zum Diner geladen . . . Aber nun, sollen wir hier
! noch warten, oder können wir, ohne zu stören, weiter fahren?"
„Kutscher, fahr' zu!" rief der Bürgermeister, um so am
raschesten aus seiner fatalen Situation herauszukommcn. Kaum
aber setzte sich der Wagen in Bewegung, so klangen auch schon
| die ersten Takte des Trauerchorcs.
I
„Das Maul halten!" schrie der Bürgermeister den Knaben
zu, und winkte mit beiden Händen ab. Lange stand die Ver-
sammlung in Staunen da, bis der Major und seine Frau vor dem
Schlosse abgcstiegcn und im Parke verschwunden war.
„Aber wo ist denn die Frau Majorin?" fragte endlich
der Ochsenwirth.
„Die ist jetzt schon im Schlosse!" erwiderte der Bürger-
meister und biß sich in die Lippen. Auf's Acußcrstc verwundert
umdrängte nian nun den Bürgermeister.
„Wir sind in einem Jrrthume befangen gewesen!" erklärte
endlich restgnirt der bedrängte Bürgermeister. „Der Major hat
wirklich seine Frau gebracht, aber keine tobte, sondern eine —
sehr lebendige! Und nun, Kinder, geht nach Hause! . ." —
Und so endete die Geschichte, welche geeignet gewesen wäre,
die Grünecker auf ein Niveau mit den — Lallenburgern zu
stellen, wenn der Bürgermeister nicht bei Strafe strenges Still-
schweigen darüber amtlich angeordnct hätte. —
Wenn wir sie hier dennoch mitzutheilcu im Stande waren,
so haben wir dieß einer Ausschreibung zu verdanken, die wir
in einem Kalender des nunmehr verstorbenen Schullehrers fanden.
Das Veilchen im Lenz 1875.
Das Veilchen fragt' ich jüngst,
Warum es gar so blau? —
Das Gras ist doch so grün,
Vom Schnee noch weiß die Au!
Darauf das Veilchen spricht:
„Ein Wunder ist das nicht, —
Lieg' Du im März im Grase,
So wird auch Deine Nase —
Den Spiegel nimm und schau —
Ganz sicher — veilchenblau!
16*
£. pchl.
Er bringt seine Frau.
„Der . . . Leichnam ... der Frau Majorin! ?" stam-
melte der Schullehrer, der nun gewiß war, der Bürgermeister
sei übergeschnappt.
„Halten Sie uns nicht auf!" schrie endlich der Bürger-
meister den Schullehrer ärgerlich an. „Kurz, wo ist die Frau
Majorin?"
„Sie . . . sitzt . . . neben dem Herrn Major . . . im
Wagen!" antwortete cingcschüchicrt der Schullehrer.
„Sic ... sitzt .. . im Wagen!" brachte nun der
Bürgermeister kaum hörbar hervor. Hier beugte sich der Major,
dem die Geschichte zu lange dauerte, aus dem Wagen.
„Guten Abend, Herr Bürgermeister!" rief er dieseni zu.
„Darf ich Sie bitten, einen Augenblick heranzutretcn?"
Der Bürgermeister folgte der Einladung.
„Hier stelle ich Ihnen meine junge Frau vor!" sagte der
Major, und wies auf eine hübsche Dame neben sich, die schelmisch
lächelnd mit der Hand den Bürgermeister grüßte.
Dieser war natürlich wie aus den Wolken gefallen, und
war, in der Erinnerung dessen, was er eben für einen Unsinn
angezcttelt hatte, unfähig, ein Wort herauszubringen.
„Ich feiere so eigentlich erst morgen hier mein Hochzeits-
j fest", fuhr der Major fort. „Herr Bürgermeister, die Herren
! Gcmeinderäthe und ihre lieben Frauen sind morgen bei mir
»m I Uhr zum Diner geladen . . . Aber nun, sollen wir hier
! noch warten, oder können wir, ohne zu stören, weiter fahren?"
„Kutscher, fahr' zu!" rief der Bürgermeister, um so am
raschesten aus seiner fatalen Situation herauszukommcn. Kaum
aber setzte sich der Wagen in Bewegung, so klangen auch schon
| die ersten Takte des Trauerchorcs.
I
„Das Maul halten!" schrie der Bürgermeister den Knaben
zu, und winkte mit beiden Händen ab. Lange stand die Ver-
sammlung in Staunen da, bis der Major und seine Frau vor dem
Schlosse abgcstiegcn und im Parke verschwunden war.
„Aber wo ist denn die Frau Majorin?" fragte endlich
der Ochsenwirth.
„Die ist jetzt schon im Schlosse!" erwiderte der Bürger-
meister und biß sich in die Lippen. Auf's Acußcrstc verwundert
umdrängte nian nun den Bürgermeister.
„Wir sind in einem Jrrthume befangen gewesen!" erklärte
endlich restgnirt der bedrängte Bürgermeister. „Der Major hat
wirklich seine Frau gebracht, aber keine tobte, sondern eine —
sehr lebendige! Und nun, Kinder, geht nach Hause! . ." —
Und so endete die Geschichte, welche geeignet gewesen wäre,
die Grünecker auf ein Niveau mit den — Lallenburgern zu
stellen, wenn der Bürgermeister nicht bei Strafe strenges Still-
schweigen darüber amtlich angeordnct hätte. —
Wenn wir sie hier dennoch mitzutheilcu im Stande waren,
so haben wir dieß einer Ausschreibung zu verdanken, die wir
in einem Kalender des nunmehr verstorbenen Schullehrers fanden.
Das Veilchen im Lenz 1875.
Das Veilchen fragt' ich jüngst,
Warum es gar so blau? —
Das Gras ist doch so grün,
Vom Schnee noch weiß die Au!
Darauf das Veilchen spricht:
„Ein Wunder ist das nicht, —
Lieg' Du im März im Grase,
So wird auch Deine Nase —
Den Spiegel nimm und schau —
Ganz sicher — veilchenblau!
16*
£. pchl.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Er bringt seine Frau" "Das Veilchen im Lenz 1875"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 62.1875, Nr. 1552, S. 123
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg