Malitiös.
„Nun, Herr Doktor, was sagen Sic zu diesem Kinde
meiner Muse?"
„Das beste wird sein. Sie schicken es in's Korrektionshaus!"
Aus dem Gerichtssaal.
Vorsitzender (zum Angeklagten): „Erzählen Sie nun
den Vorgang und sagen Sie, ob Sie den tödtlichen Schlag auf
den Verlebten geführt haben?" — Angeklagter: „Das
überlasse ich meinem Herrn Vertheidiger."
Vertheidiger (zu den Geschworncn gewendet): „Die ganze
Anklage, meine Herrn Geschwornen, gleicht einer Seifenblase;
hauchen Sic sie an, so platzt sie und nichts bleibt, als ein
Eisengitter, hinter welchem der arme Angeklagte schmachtet."
Aergerlich.
Es war kurz vor Ausbruch des Krieges, als unser Regiment
in O. lag und mich die Tour als Wachtkommandant traf.
Einige Kameraden .leisteten mir Abends Gesellschaft; ich ließ
Punsch holen und bald saßen wir gemüthlich beim dampfenden
Glase und den dampfenden Virginia-Cigarren. Ein Kamerad
schlug vor, ein kleines Spielchen zu machen und dieser Vorschlag
fand allgemein Beifall. Wir spielten bereits, als die Patrouille,
von ihrem Rundgange retour kommend, einen jungen, elegant
gekleideten Mann cinbrachte, welcher — als Spion sehr ver-
dächtig — um die Festung herumgeschlichen sei und im
Wirthshaus sehr auffallende dicßbezüglichc Fragen gestellt hatte.
Ich ließ den Arrestanten in das Wachtzimmer führen, gab
einem Infanteristen Befehl, denselben zu bewachen und schickte
trotz der späten Nachtstunde noch eine Ordonnanz zum Oberst,
welchem ich den Vorfall melden ließ.
Aergerlich. 87
Die Einbringung eines angeblichen Spions tvar damals eine
Sache, die nahezu täglich vorkain und genirte uns dcßhalb nicht
im geringsten. Bald- ivaren wir daher wieder in unser Spiel ver-
tieft. Der Arrestant schaute demselben anfangs von der Ferne zu,
kam allmählich näher und ging schließlich so weit, daß er sich
sogar von Zeit zu Zeit Bemerkungen über das unrichtige oder-
schlechte Ausspielen des Einen oder Andern von uns erlaubte. Einige
Male wurde er von uns verwiesen, ruhig zu sein und seine Be-
merkungen zu unterlassen, doch cs hals nichts unb immer wieder
mußten tvir seine Einreden hören. Ein Kamerad von mir,
Lieutenant N., ein Hitzkopf sondergleichen, welcher bereits viel Geld
verloren, ärgerte sich besonders über diesen vorlauten Kibitz,
und uls dieser wieder einmal sein Erstaunen über das schlechte
Ausspielen meines Freundes äußerte, packte mein Kamerad im
höchsten Zorn den Kibitz und warf ihn eigenhändig zur Thür
hinaus. Wir Alle waren in unser Spiel so vertieft, das; wir
an diesem Hinauswerfcn gar nichts Besonderes sahen — waren
wir ja doch des verfluchten Witzes ledig. Bald war das
Spiel wieder flott im Gang und keiner von uns dachte an
den Arrestanten, als eine Ordonnanz erschien und mir den Befehl
des Obersten überbrachte, den angeblichen Spion sofort in die
Kaserne zu schicken. Da — mit einem Male starrten wir uns
alle, keines Wortes mächtig, an und erinnerten uns, den Ge-
fangenen ja selbst zur Thür hinausgcworfcn zu haben. Unsere
langen Gesichter, ich werde sie nie vergessen, auch die 14 Tage
Arrest nicht, welche mir mein Oberst aus diesem Anlasse diktirte.
Den Spion aber — haben wir nie wieder gesehen.
„Nun, Herr Doktor, was sagen Sic zu diesem Kinde
meiner Muse?"
„Das beste wird sein. Sie schicken es in's Korrektionshaus!"
Aus dem Gerichtssaal.
Vorsitzender (zum Angeklagten): „Erzählen Sie nun
den Vorgang und sagen Sie, ob Sie den tödtlichen Schlag auf
den Verlebten geführt haben?" — Angeklagter: „Das
überlasse ich meinem Herrn Vertheidiger."
Vertheidiger (zu den Geschworncn gewendet): „Die ganze
Anklage, meine Herrn Geschwornen, gleicht einer Seifenblase;
hauchen Sic sie an, so platzt sie und nichts bleibt, als ein
Eisengitter, hinter welchem der arme Angeklagte schmachtet."
Aergerlich.
Es war kurz vor Ausbruch des Krieges, als unser Regiment
in O. lag und mich die Tour als Wachtkommandant traf.
Einige Kameraden .leisteten mir Abends Gesellschaft; ich ließ
Punsch holen und bald saßen wir gemüthlich beim dampfenden
Glase und den dampfenden Virginia-Cigarren. Ein Kamerad
schlug vor, ein kleines Spielchen zu machen und dieser Vorschlag
fand allgemein Beifall. Wir spielten bereits, als die Patrouille,
von ihrem Rundgange retour kommend, einen jungen, elegant
gekleideten Mann cinbrachte, welcher — als Spion sehr ver-
dächtig — um die Festung herumgeschlichen sei und im
Wirthshaus sehr auffallende dicßbezüglichc Fragen gestellt hatte.
Ich ließ den Arrestanten in das Wachtzimmer führen, gab
einem Infanteristen Befehl, denselben zu bewachen und schickte
trotz der späten Nachtstunde noch eine Ordonnanz zum Oberst,
welchem ich den Vorfall melden ließ.
Aergerlich. 87
Die Einbringung eines angeblichen Spions tvar damals eine
Sache, die nahezu täglich vorkain und genirte uns dcßhalb nicht
im geringsten. Bald- ivaren wir daher wieder in unser Spiel ver-
tieft. Der Arrestant schaute demselben anfangs von der Ferne zu,
kam allmählich näher und ging schließlich so weit, daß er sich
sogar von Zeit zu Zeit Bemerkungen über das unrichtige oder-
schlechte Ausspielen des Einen oder Andern von uns erlaubte. Einige
Male wurde er von uns verwiesen, ruhig zu sein und seine Be-
merkungen zu unterlassen, doch cs hals nichts unb immer wieder
mußten tvir seine Einreden hören. Ein Kamerad von mir,
Lieutenant N., ein Hitzkopf sondergleichen, welcher bereits viel Geld
verloren, ärgerte sich besonders über diesen vorlauten Kibitz,
und uls dieser wieder einmal sein Erstaunen über das schlechte
Ausspielen meines Freundes äußerte, packte mein Kamerad im
höchsten Zorn den Kibitz und warf ihn eigenhändig zur Thür
hinaus. Wir Alle waren in unser Spiel so vertieft, das; wir
an diesem Hinauswerfcn gar nichts Besonderes sahen — waren
wir ja doch des verfluchten Witzes ledig. Bald war das
Spiel wieder flott im Gang und keiner von uns dachte an
den Arrestanten, als eine Ordonnanz erschien und mir den Befehl
des Obersten überbrachte, den angeblichen Spion sofort in die
Kaserne zu schicken. Da — mit einem Male starrten wir uns
alle, keines Wortes mächtig, an und erinnerten uns, den Ge-
fangenen ja selbst zur Thür hinausgcworfcn zu haben. Unsere
langen Gesichter, ich werde sie nie vergessen, auch die 14 Tage
Arrest nicht, welche mir mein Oberst aus diesem Anlasse diktirte.
Den Spion aber — haben wir nie wieder gesehen.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Aergerlich"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 71.1879, Nr. 1781, S. 87
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg