Fliegende Blätter (78.1883 (Nr. 1953-1979))

Bestellungen werden in allen Buch- und Kunst-
L).« Handlungen, sowie von allen Postämtern und

Zeitungs-Expeditionen angenommen. -1^-1

Erscheinen wöchentlich ein Mal.

1973.

Preis des Bandes (26 Nummern) M. 6.70. Bei directem
Bezüge per Kreuzb and: für Deutschland und Oesterreich

7.50, für die anderen Länder des Weltpostvereins c/M 8.-^ -!)0.

Einzelne Nummer 30

Vom Leuchter und von der Kerze.

Ein Märchen von Emil Peschkau.

Ich hatte einmal einen Leuchter und eine Kerze. Da war
nun weiter nichts dabei, denn die Kerze war eine gewöhnliche
Stearinkerze, und den Leuchter hatte ich auf dein Jahrmarkt für
eine Mark gekauft. Ich würde auch weiter kein Aufhebens
davon machen, wäre da nicht eine Geschichte passirt, die ich
erzählen muß. Denn ich weiß nicht, warum man gerade nur
immer Geschichten von Menschen erzählt, während doch auch
sonst allerlei Dinge passiren, die unterhaltend sind, und aus
denen man gute Lehren ziehen kann. Um aber auf den Leuchter
zu kommen, so war das eine wahre Freude, zu sehen, wie
schön die Kerze zu ihm paßte, und nie war ich Abends so
vergnügt die Treppe heraufgestiegen, als jetzt, wo mich mein
Leuchter tagtäglich unten erwartete, und wo ich nun immer das
schönste Licht hatte, bis ich in meine Stube kam. Dann stellte
ich den Leuchter hübsch aus das Nachtkästchen, zündete meine
Arbeitslampe an und verlöschte die Kerze, damit sie mir am

andern Tage
ivicder dienen
konnte. Wie ich
so nun einmal
gerade daran
war, sie zu ver-
löschen, sehe ich,
wie die Kerze
traurig ihre
Flamme senkt,
und ich höre
einen Seufzer,
daß es wahr-
haftig zun: Er-
barmen war.
Nun bin ich von
Natur sehr mit-

leidig und fragte deshalb sofort: „Was ist Dir? Was fehlt
Dir? Kann ich Dir helfen?" — „Dumme Gans! Ihre Launen
hat sie wieder!" höre ich da eine Baßstimme grollen, und ich
sehe, ivie sich der Leuchter dehnt und streckt, als wollte er der
Kerze in die Flamme fahren. — „Da siehst Du, wie er wieder
roh ist!" flüstert sie furchtsam, „und an diesen Grobian soll
ich nun mein ganzes Leben lang gefesselt sein. Nein, nein,
wenn Du ein Herz im Leibe hast, dann mackst schnell und
trenne uns." — Die Geschichte ergriff mich natürlich, und ich
war nicht wenig erstaunt darüber, daß auch Kreaturen, die
keine Vernunft hatten, dermaßen dumm sein konnten. Zwei
Wesen, welche die Natur offenbar ganz für einander geschaffen
hatte, und dennoch nichts als Zank und Unfriede unter ihnen!
Sollte ich da helfen, so mußte ich doch zum mindesten die Ursachen
dieses häuslichen Krieges kennen, und so fragte ich denn, wor-
über sie sich eigentlich zu beklagen hätten. „Weiber sind eben
Weiber", brummte ingrimmig der Leuchter, „sie haben immer
ihren eigenen Kopf, und wollen immer die Herrschaft haben."—
„Und bin ich da nicht etwa in: Rechte?" zischelte die Kerze; „Di:
nennst Dich Leuchter? Wer aber ist es denn, der leuchtet?
Ich bin es, Ich — das kann mir Niemand bestreiten. Wenn
Ich nicht bin, was fängst Du denn an? Wer kümmert sich
denn um Dich? Wer nützt der Welt etwas. Ich oder Du?
Schäme Dich, daß Du nicht so viel Verstand hast.. .. " —
„Pst, pst", unterbrach ich die Kerze, „den Verstand wollen wir
hier ganz aus dem Spiele lassen. Was hast Du auf diese
Vorwürfe zu entgegnen?" — „Dummes Zeug", grollte der
Leuchter; „wenn Ich nicht bin, wer gibt sich denn mit einer
Kerze ab? Lächerlich! Ich bin es allein, der ihr Festigkeit,
Halt verleiht. Was hat sie für einen Zweck ohne mich. Lächerlich!
Darum bin Ich der Herr, und sie muß mir gehorchen, und
wenn sie nur ein bischen Verstand hätte..." - „Pst, pst,
vom Verstand ivollen wir nicht reden, aber das seist ich jetzt

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