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Ein sonderbarer Fund.

sorgfältig zusammengelegt war, schloß die Annahme, derselbe
sei von seinem Besitzer verloren worden, vollkommen aus; er
wurde jedenfalls geflissentlich auf diese Weise gelegt und >vir
ricthen lange hin und her, durch welch' ein Bewandtnis; er
wohl hierher gekommen sein mochte, ohne zu einem befriedigenden
Resultate zu gelangen. Endlich beschlossen wir, sowohl ihn,
als auch Hut und Kragen, welche sich noch an ihrer früheren
Stelle vorfanden, mit uns zu nehmen, um sic später dem

Eigenthümer unversehrt zustellen zu können.

Es dürfte begreiflich sein, daß wir von nun ab unsere

Aufmerksamkeit ans allenfalls noch weitere verstreute Gegenstände
richteten und ließ der Erfolg auch nicht lange aus sich warten,
da wir nach nicht nllzngroßer Entfernung z» unserem größten
Erstaunen ein paar Herrenstiefel auf der Straße, hart am
Rande derselben stehend, entdeckten, welche allem Anscheine nach
wieder geflissentlich so neben einander gestellt wurden, wie wir
sie vorfanden und im weiteren Verlaufe noch eine Weste und

ein Beinkleid, ebenso sorgsam gefaltet, wie gelegt. Unser

Staunen ivuchs bei jedem neuen Fund; wir dachten an Todt-
schlag, Raub und Mord und kamen endlich, beladen lvie
Schncidcrjungen am Sonntagmorgen, in unserer Behausung an,
woselbst wir noch lange über das sonderbare Ereigniß sprachen,
uns in den verschiedensten Muthmaßungen ergingen und endlich
übereinkamen, anderen Tages sämmtliche Gegenstände aus dem
Gemeindehaus 51t dcponiren, soweit möglich Erkundigungen ein-
zuziehen und eventuell für Anzeige an die Gendarmerie Sorge
zu tragen.

Der frühe Morgen des andern Tages brachte uns die |
aufregende Nachricht, daß während der Nacht im Hause des
Lehrers ein Diebstahl verübt und demselben nahezu alle seine
bewegliche Habe gestohlen worden sei. Der Herr Lehrer, Namens
Tipfl, war mein nächster Nachbar. Ich hatte ihn als einen
fleißigen, tiichtigen Mann kennen gelernt, der es mit seltener
Geduld und Ausdauer zu Wege brachte, unter den schwierigsten
Verhältnissen den begriffstützigen Kindern, die ihre Eltern nur
mit Widerwillen zur Schule schickten, die nöthigsten Kenntnisse
einzuprügen und vor Allem verdiente sein tadelloser Lebenswandel
besonderes Lob. Man sagte zwar, Herr Tipfl pflege an Sonn-
tagen hin und wieder ein imd das andere Glas über Durst
zu trinken, aber das schien mir eine unbegründete üble Nachrede
zu sein, konnte ich doch die Woche über beobachten, wie Herr
Tipfl sich mit purem Ouellwasser begnügte und auch sonst ein
Muster der Ordnungsliebe und Nüchternheit war. Daß gerade
diesem Manne ein so frecher Diebstahl zugefügt werden mußte,
erregte mein wärmstes Mitgefühl. Als ich, um nähere Erkundigung
einzuziehen, an das Schulhaus kam, stand die Frau Lehrerin
weinend im Hausgange vor ihrem Manne und bestürmte den-
selben mit tausend Fragen über die Stunde seines Heimkommens,
über seine Vornahmen unmittelbar darnach, über die Art und
Weise wie er zu Bette ging, ob er Niemand im Zimmer bemerkt
oder die Thüre hätte gehen hören und dergleichen mehr und
konnte ich aus dem Gespräche entnehmen, daß des Herrn Lehrers
ganzer Sonntagsstaat während der Nacht abhanden gekommen war.

Auf die Stunde der Heimkunft konnte Tipfl sich nicht ent-

sinne», wohl aber war ihm genau erinnerlich, daß er bei seinem
Entkleiden den Hut und Hemdkragen auf den Kasten, den Rock
mit dem Halstuche in der Tasche, sotvie Beinkleider und Weste,
sorgfältig zusammengelegt, wie es seine Gewohnheit war, auf
den Stuhl, sich selbst aber in das Bett gelegt habe.

Mir wurde bei dieser drolligen Scene sofort klar, daß ich
Nachts die Ehre gehabt hatte, Herrn Lehrer Tipfl's vollständige
Sonntagsgarderobe nach Hause zu schleppen. Die sämmtlichen
Kleider wurden schleunigst herbeigeholt und als Eigenthum Tipfl's
rekognoszirt.

Als ich erzählte, in welcher Weise ich dieselben gefunden
hatte, faßte den Herrn Lehrer anfänglich ein stummes Staunen,
allmählich dünnnerte aber in seinem Gehirne jetzt eine dunkle
Erinnerung über mehrmaliges Niederlegen in der Meinung
glücklichen Angekommenseins an der Ähnlichst herbeigewünschten
heimathlichen Lagerstätte und wiederholter Aufnahme des Weges,
in Folge sich fühlbar machender Kälte, auf, und löste uns das
dunkle Räthsel der vergangenen Nacht. Herr Tipfl hatte am
gestrigen Sonntage — es war also doch keine Verleumdung —
im Wirthshause etwas über Durst getrunken und auf dem
Heimwege sich bei jedem vermeintlichen Zubettegehen einzelner
Kleidungsstücke entledigt, welche er gewohntermaßen sorgfältigst
zusammenlegte. Er hatte vier Entkleidungs- und Schlafstationcn
genommen und da die letzte mindestens eine Viertelstunde von
seiner Behausung entfernt war, eine gleiche Strecke lediglich in

Unterbeinkleidern und ohne Stiefel zurückgelegt.

Von dieser außergewöhnlichen Wirkung des Bieres war

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Ein sonderbarer Fund"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Flashar, Max
Entstehungsdatum
um 1885
Entstehungsdatum (normiert)
1880 - 1890
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 83.1885, Nr. 2101, S. 139

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