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Mancher hat nicht — 's ist zu toll
Sonntags was zu nagen!

Jeder müßte Tag für Tag
Seinen Speck sich rösten,

Aber ich, weil ich ihn niag,

Ich bekam' den Größten.

Abends laß' ich durch den Schlund
Mir mein Weißbier laufen,

And're seh' ich Stund' für Stund'
Nur Champagner saufen.

Mirike's Gedanken über Gleichheit.

Kinder, das soll anders sein,

Wenn Ivir erst hier Ivaltcn.

Jeder trinke fortan Wein —

Ich den besten, alten.

Der hat eine schöne Frau,

Putzt sie wie 'ne Puppe;

Meine, tvie ein Besen rauh,

Wascht und kocht mir Suppe.

Daß das Loos entscheide d'rum,

Ich als Ordnung setzte —

Ich allein — ich war' nicht dnnnn -
Name mir die N e t t' st e!

Allen sollen weit und breit
Gleiche Rechte werden,

Dann erst ist die gold'nc Zeit,
Wieder hier auf Erden!

Keiner habe 'was voraus —

Lauter gleiche Gäste —

Ich allein — m i ch nehm' ich aus
Nehme mir das Beste!

6.

Ein Abenteuer in der Residenz.

^cr Provisor Nikodemus Käserling
receptirte schon seit einem guten
Decennium in der Apotheke „zum
Hirschen", der einzigen in dem
kleinen Provinzialstädtchen Messer-
witz. Käferling war eine beliebte
und geachtete Persönlichkeit im
Städtchen bei Jung und Alt,
denn er regalirte die Buben, welche
die Medicin für die kranke Mutter holten, mit Süßholz
ntid Johannisbrod, und die kleinen Mädchen mit Eibisch-
zucker, und sie Alle zogen ihre Mützen und nickten ihm freund-
lich zu, wenn er in seinen freien Stunden die Straße hinab-
schritt, um sich auf einer der vier Chausseen, die in das Städt-
chen einmündeten, von des Tages Last und Hitze zu ergehen.
Aber auch die Alten mochten ihn gar gern, denn er kannte in
Folge seiner Thütigkeit die Leidensgeschichte aller Familien in
Messerwitz, und er versäumte es nie, sich bei Herrn Hinz nach
dem Bcsinden der Frau Hinz und bei Frau Kunz nach der
Wirkung der letzten Medicin für Herrn Kunz theilnahmvoll zu
erkundigen. Aber Käferling war auch ein gern gesehener Gesell-
schafter, denn die Natur hatte ihm eine poetische Ader verliehen,
und bei allen Geburtstags-, Hochzeits- und Kindtanfsfestlich-
kcitcu in den ihm befreundeten Familien der Stadt ließ er
seiner Muse die Zügel schießen und besang in zierlichen Versen
den oder die Gefeierten. Die zahlreichen Triumphe, die er
solcher Art als Hauspoet feierte, hatten in dem Herzen des sonst
so bescheidenen Provisors einen ziemlich festen Glauben an seine
dichterische Mission in der Welt erzeugt, und um sich auch
äußerlich als den am meisten poetisch veranlagten Einwohner
von Messerwitz zu dokumentiren, ließ Käferling sein blondes
Haupthaar, das einen unzweifelhaften Stich in's Röthliche zeigte,
in langen Locken sein Haupt umwallen und fand nun, daß er
mit seiner hohen, blassen Stirn und der langen, etwas gebogenen
Nase eine unzweifelhafte Aehnlichkeit mit Schiller habe. Mfer-
ling hatte dieser Dichtermähne wegen im Gasthose „zum Adler",
>vo die Honoratioren von Messerwitz verkehrten, von den jungen
Referendaren und alten Assessoren des Landgerichts manchen
Spott zu erdulden, aber er wußte zu gut, daß die Welt das
Strahlende zu schwärzen liebt und zuckte mitleidig die Achseln

über die losen Spötter, besonders seitdem die Liebe in sein
Herz gezogen war, und Marie, des alten Kreisphysikus ältestes
Töchterlein ihm gestanden hatte, daß er sie mit seinem Blond-
haar bezaubert. Darüber waren aber schon Jahre vergangen;
Käferling hatte bereits Mitte der Dreißig bedenklich überschritten,
und auch Marie mußte es sich gefallen lassen, daß man sie in
Messerwitz trotz ihres allgemein be- und anerkannten Verhält-
nisses zu dem Provisor anfing, unter die zahlreich im Städtchen
vorhandenen alten Jungfern zu zählen. Käferling war nämlich
von Haus aus arm wie eine Kirchenmaus und Kreisphysikus'
Marie besaß ungefähr ebensoviel als er, und der Erwerb einer
Apotheke erforderte ein ganz respectables Kapital. Das sonst so
heitere Gemüth des Provisors begann unter diesen Verhältnissen
sich stark zu umdüstern, und die Kinder seiner poetischen Laune
nahmen immer mehr den Charakter des bekannten Heine'schen
Weltschmerzes an.

Da plötzlich brachten die Zeitungen die Nachricht, daß in
der mächtig angewachsenen Residenz vom Ministerium Concessionen
für nahezu ein Dutzend neuer Apotheken kostenlos verliehen werden
sollten. Alle Bedingungen, welche an die Bewerber gestellt wurden,
vermochte Käferling zu erfüllen, und eine Concession für eine
Apotheke in der Residenz ließ auch die Beschaffung der nöthigen
Kapitalien kinderleicht erscheinen. Des melancholischen Provisors
bemächtigte sich eine fieberhafte Erregung. Ihm lebte in der
Residenz ein alter Onkel als angesehener Arzt, und es war ganz
natürlich, daß er zunächst unter Schilderung seiner Qualitäten
und Herzensnöthen bei diesem anfragte, ob ec im Stande sei,
ihm irgend welche Mittel und Wege anzugeben, sich persönlich
der Gunst des Kultusministers empfehlen zu können. Die Ant-
wort des alten Medicinalraths fiel über Erwarten günstig aus.
Käferling möge nur seine Zeugnisse und sonstigen Empfehlungen
an ihn gelangen lassen, schrieb er; der Kultusminister sei sein
Schulkamerad, mit dem er ans bestem Fuße stände, und er
hoffe, seinem Neffen ohne Schwierigkeiten eine Audienz bei Sr.
Excellenz verschaffen zu können. Es versteht sich von selbst, daß
Käferling in derselben Stunde den Weisungen des Medicinal-
raths folgte und mit Ungeduld den ferneren Nachrichten des
Oheims entgegenharrte.

„Unter Hangen und Bangen in schwebender Pein" waren
seitdem vierzehn Tage in's Land gegangen und Nikodemus
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Ein Abenteuer in der Residenz"
Weitere Titel/Paralleltitel
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Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Albrecht, Henry
Entstehungsdatum
um 1885
Entstehungsdatum (normiert)
1880 - 1890
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
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Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 83.1885, Nr. 2103, S. 154

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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