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Selb st bewußtsei n.
Lieutenant (dem in einer Gesellschaft durchweg die Damen nicht gefaxten, resignirt
Selbstbewußtsein.
zu seinem Kameraden): „Na! Heute sind
wir das schöne Geschlecht!"
Widerspruch.
(Bei der Kaffeeschlacht.)
Sie klagen sich, daß sie nervös sind,
Die Guten, und darum so schwach —
Dabei aber werfen den Nächsten
Die schwersten Steine sie nach!
,_ M.
Auch ein SteigcrungSgrund.
Der Herr Sekretär bezahlt seine Viertel-
jahrsmiethe, wobei ihn der Hausherr fragt,
warum es denn bei ihm jetzt gar so still
ist. „Meine Schwiegermutter ist abgereist!"
antwortet der Herr Sekretär!
„So!" schreit der Hausherr vergnügt,
„gesteigert sind S' um 200 Mark!"
Frommer Wunsch.
Sie (schwärmerisch): „Wenn ich ein
Böglein wär'!" Er (verdrießlich): „Und
die Katz' Flügel hätt'!"
Der Contract mit dem Teufel.
Ein junger Mann stand am Fenster und sah mit leiden-
schaftlicher Spannung einem Mädchen entgegen, welches eben
unten auf der Straße ging. O, sie war so schön, schön in
Schmerzen; denn ein seidenes Tüchlein, das sie auf die Wange
gepreßt hielt, ließ auf heftiges Zahnweh schließen. War's
Mitleid, was die Blicke des jungen Mannes auf das Mädchen
richtete? War's Liebe? — —
Kaum war die Schöne an dem Hause vorübergekommen,
da wandte er sich um und machte mit einem kräftigen Fluche
seinem Zorne Luft: „Schon wieder vergeblich gewartet! Und
dafür studirt man zwölf Semester Medicin, daß man drei
Monate nach Eröffnung seiner Praxis noch nicht das Salz auf
die Suppe sich verdient!"
Doch wie erschrack er, als er einen Mann erblickte, der
hinter ihm stand, und ihn mit verschmitzt submissen Blicken
begrüßte: „Sie entschuldigen meine Freiheit, daß ich so un-
angemeldet hier mich einfand. Ich bin Mephistopheles, der
Geist, der stets verneint, u. s. >v. Sie kennen meine Macht •
aus Goethe's „Faust"; Alles ist mir nnterthan, ja sogar mit
dem Himmel vermag ich's anfzunchmcn!" — „Wer's glaubt;
Faust's zweiter Theil am Schluß beweist das Gegentheil!" —
„Faust's zweiter Theil? Kenne ich nicht; den zweiten Theil
liest kein Teufel! Doch Spaß beiseite; ich erbiete mich, Ihnen
eine schöne Praxis zu verschaffen. — Sie zögern?
Gut! So verhungern Sie!" •— Was blieb unser'm Arzte
übrig? — —
Ein Viertelstündchen später, und wir finden Freund Mephisto
damit beschäftigt, in seiner höllischen Kanzlei den vom Arzte
eigenhändig unterschriebenen Contract zu deponiren, der ihm die
Seele desselben auf den 25. März 18 . . Mittags, als dessen
fünfundsiebzigsten Geburtstag, versprach. Mit Grinsen kleidete
er sich ans und ging an seine weiteren Tagesgeschäfte.-
Fünfzig Jahre sind inzwischen verflossen. Am Abend des
verhängnißvollcn Tages saßen die Freunde, nachdem sie Tags
vorher rührenden Abschied genommen, am trauten Stammtisch
beisammen und bejammerten das trübe Geschick ihres Freundes,
der so früh die schöne Welt verlassen mußte; da ertönte Plötzlich
aus dem Munde des mageren Landgerichtsrathes der grauenvolle
Ruf: „Alle guten Geister! Da ist ja unser Freund, der Doktor
Ziegel!" — „Ja, ja", sprach der Eingetretene, „das bin ich;
Seine höllische Excellenz haben nicht für gut befunden, mich
heute Mittags abzuholcn!" — „Wie kommt denn das?" schallte
es durcheinander. — „Das weiß der Teufel — vielleicht hat er
den Contract verloren." — „Vielleicht ist er durch das Podagra
am Kommen verhindert", meinte der dicke Privatier Häckel. —
„Das thut gar nichts zur Sache", ließ sich da der Rechtsanwalt
Pünctle vernehmen, „jetzt sind Sie des Contractes ledig! Der
Teufel war berechtigt, Sie am 25. März Mittags zu holen;
er hat es nicht gethan, ergo hat er seine Forderung verloren:
Disi adjectio pro reo est."
Mephisto kam nicht mehr, um seine Forderung geltend zu
machen; am Morgen des 25. März saß er drinnen in seiner
höllischen Kanzlei und blickte mit stieren Augen auf den vor
ihm ausgebreiteten Contract mit dem Doktor. Schon zehnmal
hatte er den Text des Vertrages gelesen bis zu dem letzten
Worte rechts unten — der Unterschrift des Arztes.
Bald glaubte er, es heiße Müller, bald schienen ihm
die räthselhasten Züge eher Hörl zu bedeuten; einer seiner
Selb st bewußtsei n.
Lieutenant (dem in einer Gesellschaft durchweg die Damen nicht gefaxten, resignirt
Selbstbewußtsein.
zu seinem Kameraden): „Na! Heute sind
wir das schöne Geschlecht!"
Widerspruch.
(Bei der Kaffeeschlacht.)
Sie klagen sich, daß sie nervös sind,
Die Guten, und darum so schwach —
Dabei aber werfen den Nächsten
Die schwersten Steine sie nach!
,_ M.
Auch ein SteigcrungSgrund.
Der Herr Sekretär bezahlt seine Viertel-
jahrsmiethe, wobei ihn der Hausherr fragt,
warum es denn bei ihm jetzt gar so still
ist. „Meine Schwiegermutter ist abgereist!"
antwortet der Herr Sekretär!
„So!" schreit der Hausherr vergnügt,
„gesteigert sind S' um 200 Mark!"
Frommer Wunsch.
Sie (schwärmerisch): „Wenn ich ein
Böglein wär'!" Er (verdrießlich): „Und
die Katz' Flügel hätt'!"
Der Contract mit dem Teufel.
Ein junger Mann stand am Fenster und sah mit leiden-
schaftlicher Spannung einem Mädchen entgegen, welches eben
unten auf der Straße ging. O, sie war so schön, schön in
Schmerzen; denn ein seidenes Tüchlein, das sie auf die Wange
gepreßt hielt, ließ auf heftiges Zahnweh schließen. War's
Mitleid, was die Blicke des jungen Mannes auf das Mädchen
richtete? War's Liebe? — —
Kaum war die Schöne an dem Hause vorübergekommen,
da wandte er sich um und machte mit einem kräftigen Fluche
seinem Zorne Luft: „Schon wieder vergeblich gewartet! Und
dafür studirt man zwölf Semester Medicin, daß man drei
Monate nach Eröffnung seiner Praxis noch nicht das Salz auf
die Suppe sich verdient!"
Doch wie erschrack er, als er einen Mann erblickte, der
hinter ihm stand, und ihn mit verschmitzt submissen Blicken
begrüßte: „Sie entschuldigen meine Freiheit, daß ich so un-
angemeldet hier mich einfand. Ich bin Mephistopheles, der
Geist, der stets verneint, u. s. >v. Sie kennen meine Macht •
aus Goethe's „Faust"; Alles ist mir nnterthan, ja sogar mit
dem Himmel vermag ich's anfzunchmcn!" — „Wer's glaubt;
Faust's zweiter Theil am Schluß beweist das Gegentheil!" —
„Faust's zweiter Theil? Kenne ich nicht; den zweiten Theil
liest kein Teufel! Doch Spaß beiseite; ich erbiete mich, Ihnen
eine schöne Praxis zu verschaffen. — Sie zögern?
Gut! So verhungern Sie!" •— Was blieb unser'm Arzte
übrig? — —
Ein Viertelstündchen später, und wir finden Freund Mephisto
damit beschäftigt, in seiner höllischen Kanzlei den vom Arzte
eigenhändig unterschriebenen Contract zu deponiren, der ihm die
Seele desselben auf den 25. März 18 . . Mittags, als dessen
fünfundsiebzigsten Geburtstag, versprach. Mit Grinsen kleidete
er sich ans und ging an seine weiteren Tagesgeschäfte.-
Fünfzig Jahre sind inzwischen verflossen. Am Abend des
verhängnißvollcn Tages saßen die Freunde, nachdem sie Tags
vorher rührenden Abschied genommen, am trauten Stammtisch
beisammen und bejammerten das trübe Geschick ihres Freundes,
der so früh die schöne Welt verlassen mußte; da ertönte Plötzlich
aus dem Munde des mageren Landgerichtsrathes der grauenvolle
Ruf: „Alle guten Geister! Da ist ja unser Freund, der Doktor
Ziegel!" — „Ja, ja", sprach der Eingetretene, „das bin ich;
Seine höllische Excellenz haben nicht für gut befunden, mich
heute Mittags abzuholcn!" — „Wie kommt denn das?" schallte
es durcheinander. — „Das weiß der Teufel — vielleicht hat er
den Contract verloren." — „Vielleicht ist er durch das Podagra
am Kommen verhindert", meinte der dicke Privatier Häckel. —
„Das thut gar nichts zur Sache", ließ sich da der Rechtsanwalt
Pünctle vernehmen, „jetzt sind Sie des Contractes ledig! Der
Teufel war berechtigt, Sie am 25. März Mittags zu holen;
er hat es nicht gethan, ergo hat er seine Forderung verloren:
Disi adjectio pro reo est."
Mephisto kam nicht mehr, um seine Forderung geltend zu
machen; am Morgen des 25. März saß er drinnen in seiner
höllischen Kanzlei und blickte mit stieren Augen auf den vor
ihm ausgebreiteten Contract mit dem Doktor. Schon zehnmal
hatte er den Text des Vertrages gelesen bis zu dem letzten
Worte rechts unten — der Unterschrift des Arztes.
Bald glaubte er, es heiße Müller, bald schienen ihm
die räthselhasten Züge eher Hörl zu bedeuten; einer seiner
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Selbstbewußtsein"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 91.1889, Nr. 2297, S. 43
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg