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Die Gartenkunst — 33.1920

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Högg, Emil: Gedanken zur Neugestaltung des Studiums der Gartenkunst
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Maurer, Erich: Die Gärten von Sanssouci in Gefahr
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https://doi.org/10.11588/diglit.20812#0120

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Die Gartenbauschule müßte das Ziel
haben, Gartenbautechniker mit abgerundeter
Geschmacksbildung, aber ohne die Befähigung
und den Ehrgeiz zu selbständigem künstlerischen
Gestalten zu erziehen. Der Lehrplan müßte also
alle Fächer ausschalten, die über diese Grenzen
hinausführen, dagegen fehlende wichtige Fächer
allgemein bildender Art wie Volkswirtschafts-
lehre, kaufmännische Wissenschaften, Deutsch-
kunde, Geschichte, Rechtslehre usw. einführen
und vertiefen.

Das G artenkunst-Seminar hätte un-
mittelbar da einzusetzen, wo die Gartenbau-
schulen Halt machen, nämlich bei der Erziehung
zur selbständigen künstlerischen Gestaltung.

Der Lehrplan des Gartenkunst-Seminars
könnte demnach etwa wie folgt aussehen:

1. Geschichte der Gartenkunst in wissen-
schaftlicher und künstlerischer Vertiefung
gegenüber dem mehr einführenden Unter-
richt an der Gartenbauschule.

2 Stunden. Winter- u. Sommersem.

2. Entwerfen von Garten-Plänen, räum-
liche Gestaltung, Garten-Architektur.

8 Stunden. Winter- u. Sommersem.

3. Angewandte Gartenkunst (Siedlungs-
garten, Privatgarten, Friedhof, städtische
Anlagen).

4 Stunden. Winter- u. Sommersem.

4. Künstlerische Baustofflehre der Garten-
kunst (Boden, Wasser, Pflanzen).

2 Stunden. Winter- u. Sommersem.

5. Pflanzenleben in der Natur.

2 Stunden. Sommersemester.

6. Künstlerische Darstellung.

5 Stunden. Winter- u. Sommersem.

7. Ergänzende Fächer aus dem Städtebau-
Seminar.

3 Stunden. Winter- u. Sommersem.

8. Kunstgeschichte, Baugeschichte, allgemein
bildende Fächer. Nach freier Wahl.

Das wäre ein Anfang und Rahmen. Seine
Verwirklichung durchzusetzen, ihn zu füllen und
zu erweitern, wäre Aufgabe der Zukunft.

Die Gärten von Sanssouci in Gefahr

„Die Gartenintendantur und
die Gartendirektion sind seit
1. Juli 1920 aufgelöst. In
Gartensachen wende man sidi
an das Finanzministerium
Berlin."

Als ich im Jahre 1904 das erste Mal die
Versailler Gärten besuchte, da glühten Geranien
in den großen Prachtvasen der Hauptachse dieser
unvergleichlichen Parkschöpfung wie Fackeln im
Hain! — Als ein vom Odem dieser Stätte be-
rauschter Wallfahrer zog ich heim.

Wenige Wochen später fand ich an Stelle
jener feurigen Farben nur noch vertrocknete
Blütenstände und vergilbtes Blattwerk. Und bei
meinem letzten Besuche Ende August hatte Un-
kraut jene Pflanzen überwuchert.

Im Weiler der Marie-Antoinette, jenen zier-
lichen Gutshäuschen im Park, war kaum eine
Fensterscheibe unversehrt, und hinter den Ge-
bäuden herrschte eine Lodderwirtschaft, die aller
Hygiene und den einfachsten Ordnungsgesetzen
Hohn sprach.

Die zu wuchtigen Naturdenkmälern heran-
gewachsenen Baum-Massen Lenotre's befanden
sich zum großen Teil in einem solchen Zustand
der Vernachlässigung, daß in den nächsten Jahr-
zehnten unersetzliche Lücken in den monumen-
talen Linien dieses Riesenkunstwerkes voraus-
zusehen waren. Nicht Rost mehr, sondern offen-
sichtlicher Verfall am großen Werke! —

Dies alles 35 Jahre nach dem Ende des
napoleonischen Kaisertumes!

Nach Kriegs- undRevolutionswirrsal ließ mich
heute unfreiwillige Muße das erste Mal wieder

auf der Terrasse von Sanssouci weilen. Goldener
Sonnenschein lockte mich zu wehmutsvoller Ver-
senkung in die Vergangenheit und zu Vergleichen
zwischen heute und einst. Mir kam der Wunsch,
daß das Juwel Sanssouci, in einem Schrein ver-
schlossen, in der Gruft der Potsdamer Garnison-
kirche verwahrt werden könnte, wo sein genialer
Schöpfer ruht, um es erst wieder hervorzuholen,
wenn das deutsche Volk wieder zu würdiger
Geschlossenheit nach innen und außen in eine
neue Zeit hineingewachsen ist.

Die am Kopfe dieser Ausführungen abge-
druckte Notiz ist zu lesen in Sanssouci am Ein-
gange zur einstigen Gartendirektion.

Der ehemalige Hofgartendirektor wohnt und
lebt, 1920 von seiner Regierung für fünf Jahre
auf Wartegeld mit darauffolgender Pension ge-
setzt, inmitten seines ehemals so weit ver-
zweigten Schaffensgebietes wie ein zur Untätig-
keit verdammter Gefangener. Und mit ihm
teilen dasselbe Los eine Reihe in ihrem Dienste
bewährter und von der gesamten Fachwelt ver-
ehrter Hofgärtner.

Es darf nicht verschwiegen bleiben, daß
andererseits eine wesentlich höhere Arbeiter-
zahl und bedeutende Mittel zur Verfügung ge-
stellt werden mußten, um wenigstens den histo-
rischen, vom Volke sehr geliebten Teil des
großen Werkes würdig zu erhalten.

Die Zuweisung erhöhter Arbeitskräfte und
Mittel ist aber seitens der Regierung zweifellos
nicht freiwillig nur um der Förderung dieser
Kunststätte willen geschehen, sondern unter dem
Zwange der Minderung der Arbeitsleistung und

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