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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — N.F. 1.1936

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Fleischmann, Benno: Eine deutsche Kleinmeisterzeichnung
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Tietze-Conrat, Erika: Echte und unechte Tintorettozeichnungen: (Plastisches Modell und Kompositionsbehelf ; Spiegelverkehrung ; rhythmische Wiederholung)
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https://doi.org/10.11588/diglit.6336#0097
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Raum, in dem die Szene spielt. Gleichwie bei unserem Blatt mit dem Hieronymus ist liier
eine Fülle von Variationen in der vertikalen Gliederung der Bildebene angebracht (nebenbei
bemerkt, eine Eigenart, die sich im Werk des Carpaccio und des Cima da Conegliano zur
gleichen Zeit findet: der Bereicherung in der Richtung normal zur Bildebene wird eine gleiche,
parallel zu ihr gesellt). Podeste, Treppen, dunkle Winkel, Durchblicke, möglichst verschieden
in ihrer Zueinanderordnung sind wesentlich für die Raumgestaltung des Blattes. Bemerkens-
wert ist ferner, daß es bei der Bremer Zeichnung möglich ist, eine unmittelbare italienische
Vorlage nachzuweisen. Edmund Wilhelm Braun hat in einem Aufsatz (Eine Nürnberger Gold-
schmiedewerkstätte aus dem Dürerkreise, Mitt. d. Ges. f. vervielf. Kunst, Jg. XXXVIII,
1915, S. 38 f.) auf einen Holzschnitt des Polifilo-Meisters im Venezianer Ovid von 1497 hin-
gewiesen. Hier liegt nun, was wir für das Albertina-Blatt vorsichtig und mit Einschränkung
annehmen möchten, greifbar und eindeutig vor. Auch für den Hieronymus nämlich kann eine
italienische Darstellung eindruckgebend gewesen sein, wenn anders wir nicht annehmen
wollen, es handle sich um eine frei rekonstruierende Zusammensetzung der italienischen Ele-
mente, die wir feststellen konnten. Mit Vorsicht soll auch die Zuschreibung des Blattes an
Ludwig Krug und die Datierung in die ersten Jahre des zweiten Jahrzehntes ausgesprochen
werden. Das Zeichnungsmaterial der Nürnberger Kleinmeister ist, abgesehen von der Unvoll-
ständigkeit, in der es uns erhalten ist, noch so wenig durchgearbeitet, teilweise unbekannt,
teilweise in fremdes, wie im Falle der Bremer Blätter in Dürers Werk eingegliedert, daß eine
restlos eindeutige Bestimmung vorläufig wohl kaum möglich ist.

E. TIETZE-CON R AT / ECHTE UND UNECHTE
TINTORETTOZEICHN UNGEN

(PLASTISCHES MODELL UND KOMPOSITIONSBEHELF; SPIEGELVERKEHRUNG;

RHYTHMISCHE WIEDERHOLUNG)

Hadeln hat 1922 aus der Fülle der in öffentlichen und Privatsammlungen aufbewahrten
Zeichnungen Tintorettos eine Auswahl von 70 Blättern veröffentlicht; die Vorarbeit hiezu
war sein ausführlich begründender Aufsatz im Preußischen Jahrbuch, 42. Bd., S. 82 ff. und
169 ff. Im Burlington Magazine 1924 (Juni) hat er weitere acht Zeichnungen publiziert. Etwa
ein Dutzend dieser Blätter sind Studien nach Plastiken; mit Ausnahme jener nach dem Crepus-
colo und der Aurora der Mediceerkapelle, die Tintoretto an die Fassade des Palazzo Gussoni
am Canal Grande malte (Marco Boschini, Le rieche Minere della Pittura Veneziana). war für
keine dieser Studien der Nachweis der Verwendung im malerischen Oeuvre möglich. Unter
den zeitgenössischen Bildhauern, für deren Arbeiten Tintoretto sich interessierte, wird in den
Quellen auch Giovanni da Bologna genannt. Ich weise auf die auffallende Übereinstimmung
zwischen Bolognas Relief „Raub der Sabinerinnen" (Abb. 2) vom Sockel des 1583 aufgestellten,
aber schon mehrere Jahre vorher begonnenen Denkmals mit Tintorettos „Kindermord"
(Abb. 1) hin, der (nach von der Bercken-A. L. Mayer, Tintoretto, München 1923) um 1583—1587
angesetzt wird. Gerade weil das gegenständliche Thema verschieden ist und kein einziges Motiv
aus dem Relief übernommen wird, geht die Anregung tiefer; wir können uns vorstellen, daß
der Gipsabguß an der Wand des Ateliers dem Meister so lieb wurde, daß er sich die Komposition
assimilierte. Mir ist ein einziges Beispiel bekannt, daß Tintoretto eine Plastik in verschiedenen

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