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WALTER HOLZHAUSEN EINE ZEICHNUNG DES ADRIAEN DE
VRIES IM STAATL. KUPFERSTICHKABINETT ZU DRESDEN

Die aus dem Nachlaß der Sammlung Lahmann übernommenen Bestände brachten dem
Staatlichen Kupferstichkabinett zu Dresden als kostbare Neuerwerbung unter vielen Blättern
eine getuschte Federzeichnung mit der Darstellung des Herkules (Abb. 1). Sie trägt die Be-
zeichnung „per compiacere lamicho Adriano de fries Schultore 1615 Praga". Der Wortlaut
der Bezeichnung ließe an sich mehrere Deutungen seines Inhaltes zu. Aber abgesehen von
der Anwendung des ch statt c, die noch heute im Florentiner Dialekt geläufig ist und auf
florentinische Schulung der Sprache immerhin gewisse Schlüsse gestattet, schließt die grapho-
logische Übereinstimmung wesentlicher Züge in den Buchstaben der Bezeichnung mit der
authentischen Unterschrift des Adriaen de Vries 1 jeden Zweifel an der Eigenhändigkeit aus.
Wir haben es mit einer von ihm einem Freunde gewidmeten eigenhändigen Zeichnung mit
der Beschriftung von ihm selbst zu tun.

Die Zeichnung läßt den Meister auch als Zeichner von der Seite seiner genialen Virtuosität
erkennen, die bis in sein Alter Gesetz seines Schaffens ist. Mit souveräner Überlegenheit
sind die Konturen, aber auch die Binnenformen in ihrer anatomischen Struktur hingeschrieben.
Es fehlt die Beherrschung der Form im Abkürzen. Weglassen und Verfließenlassen nicht; sie
erhebt das Blatt zu einer meisterlichen Leistung.

Es handelt sich um eine, wenn man so sagen darf, hingeworfene Darstellung aus dem Kreise
seiner geläufigen Motive, vielleicht zum Zweck einer freundschaftlichen Dedikation, vielleicht
auch um ein aus Ideenskizzen ausgesuchtes Blatt. Den Charakter der eigentlichen Werk-
zeichnung oder reinen Bildhauerzeichnung mit der Absicht der Verwirklichung als Plastik
vermögen wir also in ihr nicht unbedingt zu sehen; sie erscheint vielmehr als losgelöste selb-
ständige Schöpfung, die allerdings die plastische Vorstellungswelt ihres Urhebers keineswegs
verleugnet.

Das Problem der Handzeichnung im künstlerischen Werk des Adriaen de Vries hat erst
Welcker nachdrücklich aufgenommen und für zwei Zeichnungen, die eine mit der Flora in
seiner Sammlung, die andere mit Triton und Najade in München,2 den Nachweis der Autor-
schaft des Adriaen de Vries zu führen gesucht. Diesem Nachweis haftet indes mancher Zug
des Konstruierten an. Jedenfalls sind die beiden von ihm veröffentlichten Blätter künstlerisch
durch eine fühlbare Kluft von der Dresdner Zeichnung des Adriaen de Vries getrennt. Wir
beschränken uns auf diesen Hinweis mit der Aufforderung zum Vergleich der Beproduktionen.
Es wäre nur denkbar, daß diese Kluft aus einem zeitlich weiten Abstand der von Welcker
veröffentlichten Zeichnungen von dem Dresdner Blatt — und dieses ergäbe sich schon aus
der Ansetzung durch Welcker kurz nach der Florentiner Zeit des Adriaen de Vries für die
eine3 und die „späte" Einordnung für die andere — und dem Zweckdienlichen von Werk-
zeichnungen erklärt würde. Jedenfalls besitzt das Dresdner Kabinett in dem hier vorgelegten

1 Vgl. Mb. 3 in Welcker, A. Adrianus de Vries Hagiensis Pictor et Statuarius, Oud Holland Jaarg. LV 1938.
S. 193 ff. Vor allem die Übereinstimmung mit seiner Unterschrift von 1613!

2 Auf dieses Blatt — Triton und Najade — im Kupferstichkabinett zu München machte zuerst A. E. Brinck-
mann, Südd. Bronzebildhauer des Frühbarocks, aufmerksam (Abb. 88).

3 Die „Signatur" auf diesem Blatt in München — bei Welcker Afb. 2 zu sehen — ist keinesfalls, wie auch
Welcker beobachtete, eine solche handschriftlicher Eigenhändigkeit, wie auf der Zeichnung von 1615. Von dieser
aus gesehen, bleiben gerade entscheidende Teile der Darstellung des Blattes in München oberflächlich und fahrig,
so daß ich in ihr eine Nachzeichnung der Gruppe in der Slg. Pierpont Morgan Afb. 5 bei Welcker sehe. Die
Flora der Afb. 4 bei Welcker erscheint als Zeichnung, verglichen mit dem Dresdner Blatt, merkwürdig zahm,
obgleich gerade diese nach Welckers Mitteilung eine eigenhändige Namensunterschrift Adriaens de Vries aufweist!

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