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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931

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Heft 5
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Beenken, Hermann: Kunstwissenschaft und Expertise, [1]
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Waldmann, Emil: Neue deutsche Ausgrabungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7610#0242
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Die eindeutige Etikette, die dem Markt und den Besitzern
erwünscht ist, wird gegeben, alles Bedenkliche wird ver-
schwiegen. Hier wird deutlich, wo der Dienst an wirtschaft-
lichen Interessen anfängt, wo der Dienst an der Wissenschaft
aufhört. Fast die Hälfte der Seiten, die Gronau den Wer-
ken Bellinis widmet, zeigt Bilder, die offenkundig nicht von
ihm sind. Schlechte Werkstattarbeiten, durch Erneuerungen
Entstelltes, gänzlich Stilfremdes, Stücke, die Gronau selbst
und solche, die andere — vielfach Kenner von gleichgerich-
tetem Interesse — veröffentlichten, stehen in bunter Reihe.
Es gibt hier Werke, bei denen Bestimmung und chronolo-
gische Einordnung so handgreiflich falsch sind, daß auch
der Nichtkenner sich vor den Abbildungen ein Urteil —
über den Kenner — erlauben darf (S. i, 16, 23, 37, 451.,
87, 90, 96, 112, 126). L. Dußler (der selbst eine Bellini-Mo-
nographie vorbereitet, die jetzt nötiger als je ist) hat jüngst

ein paar der Bestimmungen Gronaus einer kritischen Ana-
lyse unterzogen, auf die hier verwiesen sei (Kunstwart, 1930,
S. 325ff.). Es gibt Zuschreibungen, über die, weil sie sich
selbst richten, zu diskutieren, die ernste Forschung sich wei-
gern darf. Es gibt Forscher, die durch den Mangel an Wider-
spruch sich gewöhnten, ihr Kenneramt so zu mißbrauchen,
daß sie uns alte Verdienste und den Respekt vor ihnen ver-
gessen machen.

Jedes wissenschaftliche Buch, das Behauptungen aufstellt,
mutet zu, das Behauptete als wahr, als vom Verfasser nach
gewissenhafter Prüfung verantwortet hinzunehmen. Diese Zu-
mutung wird zur Beleidigung des Lesers, wenn sie bei ihm
einen übergroßen Grad von Leichtgläubigkeit und Kritik-
losigkeit voraussetzt. Sie nötigt zum Angriff, der in Wahr-
heit nur Abwehr ist.

II. Beenken

NEUE DEUTSCHE AUSGRABUNGEN

Als die Deutschen, die vor dem Kriege in der ersten
Reihe der ausgrabenden Archäologie in der Welt ge-
standen hatten, durch den Weltkrieg sowohl in Griechen-
land wie im vorderen Orient einen Posten nach dem anderen
verloren hatten, schien es einen Augenblick lang, als wür-
den sie die wissenschaftlichen Leuchtfeuer im Mittelmeer
nie wieder anzünden können. Aber die Regierung sowohl
wie das opferfreudige Eintreten der Notgemeinschaft deut-
scher Wissenschaft ermöglichten das Weiterarbeiten dennoch,
und heute ist es nicht einmal mehr verfrüht, wenn der Prä-
sident des Archäologischen Instituts des deutschen Reiches,
Professor Rodenwalt, einen Rechenschaftsbericht über die
Arbeit des deutschen Spatens vorlegt.* Uberall wird wieder
gegraben, nicht nur in Fortsetzung früherer Tätigkeit, son-
dern manchmal auch auf Neuland. Die Leiter der verschie-
denen Kampagnen berichten in einer Reihe von Einzeldar-
stellungen über ihre Tätigkeit, über ihre Ergebnisse und
weiteren Ziele bei den Grabungen, in Pergamon, Athen
und Aglna, Tirvns und Samos, in Angora, Aezani und
Ephesos, sowie in Palästina. Auch in Mesopotamien, das
in den letzten Jahren so besonders wichtig ward, ist man
wieder an der Arbeit. In Ägypten haben die Österreicher
auch wieder angefangen.

* Gerhart Rodenwalt: Neue deutsche Ausgrabungen.
In der von G. Scherber herausgegebenen Reihe „Deutschtum und Aus-
land . Münster i W., Aschendorflsche Verlagsbuchhandlung, 1930.

Es war ein sehr guter Gedanke des Herausgebers, der
doch klassischer Archäologe ist, auch die Tätigkeit der deut-
schen Archäologie in Deutschland einmal zusammenfassend
schildern zu lassen, diese sehr weitschichtigen Forschungen
auf dem Gebiete der deutschen Vorgeschichte, des römisch-
germanischen Altertums, der deutschen Frühgeschichte und
des deutschen Mittelalters. Man erfährt sonst so wenig von
diesen außerordentlich bedeutsamen und in immer größerem
Zusammenhang alljährlich bedeutsamer werdenden Grabun-
gen und Funden. Berichte über das Einzelne geben meist
kein lebendiges Bild, da eben der Zusammenhang mit dem
Größeren nicht ersichtlich wird. Wie reich und vielverzweigt
die Fülle dieser Probleme ist, hat der Nestor der germani-
schen Altertumsforschung, Carl Schuchhardt, in einem diesen
zweiten, längeren Teil des Buches einleitenden Aufsatz klar
auseinandergesetzt, natürlich mit starkem Nachdruck auf
dem Umkreis alles dessen, was heute die „Indogermanische
Frage" heißt.

„Für eilige Leser": Der erste Aufsatz dieses Buches, be-
titelt „Die Ausgrabung einer antiken Stadt", geschrieben
von Dr. Armin von Gerkan, ist kein Tatsachenbericht, son-
dern eine Fiktion. Aber genau so, wie Gerkan es haarklein
mit Traumwahrheit schildert, geht es in Wirklichkeit zu,
wenn mau Knidos ausgräbt; und so ist diese Novelle die
beste Einführung in den ganzen Stoff, die sich der Laie
nur wünschen mag. E. Waldmann

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