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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931

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Heft 5
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Beenken, Hermann: Kunstwissenschaft und Expertise, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7610#0241

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JOSEF SCHARL, SELBSTBILDNIS 1930

MIT ERLAUBNIS VON J. B. NEUMANN UND GÜNTHER FRANKE, MÜNCHEN

ren Maler zuschreiben läßt, auf den großen und reinen Namen
dieses Künstlers gehäuft ist.

Der Kenner hat sich auf Grund langjähriger Erfahrung und
langjährigen Vertrauens, das in ihn gesetzt wurde, eine Macht-
stellung geschaffen, der Mangel an Widerspruch hat sie er-
möglicht. Es ist üblich zu schweigen, weil jedem, der dem
Spezialisten entgegentritt, die zahlenmäßig geringere Bilder-
kenntnis leicht nachzuweisen ist. Wer einen beträchtlichen
Teil der Werke, über die zu urteilen ist, nur aus Photo-
graphien kennt, scheint der Schwächere. Aber es ist irrig,
daß Photographien grundsätzlich täuschten, es gibt Fälle, wo
gerade sie die Falschheit einer stilkritischen Bestimmung
deutlicher als die Originale enthüllen, und schließlich kennt
einige Originale wohl auch der Nichtspezialist. Wir haben zu
der nur zahlenmäßig umfassenden Bilderkenntnis kein Zu-
trauen mehr, da sie so häufig, wo es auf Erkenntnis des Wesens
ankam, versagt hat.

Es gibt einen Weg, der immerhin eine gewisse Kontrolle
stilkritischer Zuschreibungen erlaubt: man ordnet das Ge-
samtwerk eines Künstlers chronologisch, der Vorstellung einer
sinnvollen organischen Entwicklung gemäß. Auch in Gronaus
Band scheint die Abbildungen-Folge der zeitlichen ungefähr
entsprechen zu sollen. Aber schon flüchtiges Blättern zeigt,
wie hier überall stilistisch, zeitlich, qualitativ Unvereinbares
zusammen- und durcheinandergebracht ist. Im Text heißt
es, Datierungsfragen seien bei Bellini ungemein schwie-
rig, weil der Meister so häufig die Typen wechsele, dies er-
kläre „die gelegentliche große Diskrepanz der Meinungen".
In der Tat muß die Schwierigkeit groß sein, wenn man den

unsinnigen Versuch macht, sich alles, was Gronau abbildet,
auf der Entwicklungsbahn eines Meisters zu denken. Wenn
es so schwierig ist, warum denn Bellini, wo sind die Kri-
terien"' Daß die Signatur „Joannes Bellinus" nur eine Werk-
stattmarke ist, wissen wir längst. Ihre Häufigkeit erleichtert
freilich jene Dehnung des Werkes, die einem außerwissen-
schaftlichen Interesse willkommen ist.

Das Bestehen eines solchen Interesses wird man nicht
leugnen wollen. Der Markt will den Namen Bellini in Geld-
werte umsetzen, und nach Verkauf das Vertrauen des Kunden
in Bild und Etikette erhalten. So ist ein Abbildungsband aller
Bellinis, der echten und derer, die echt sein müssen, wenn
die als echt verkauften oder noch zu verkaufenden ihren
Anspruch weitererheben wollen, willkommen. Auf kritische
Sichtung kommt es nicht an. Mitzuteilen, wie die Bilder er-
halten sind, was an ihnen alt und was neu ist, wäre ge-
fährlich.

Aus der Stuttgarter Galerie wurde vor ein paar Jahren ein
venezianisches Bildnis herausgetauscht, da vom Wesentlichen,
vom Antlitz nichts mehr ursprünglich war. Im Handel
frisch aufgefälscht, ist es dann als Bellini veröffentlicht wor-
den. Eine sich anschließende Diskussion (Burl. Magazine 1927,
S. 152; Schwäb. Merkur 1927, 18. VII., 2. u. 19. VIII.) machte
den Sachverhalt öffentlich, das Bild blieb wohl unverkauft.
Gronau bildet es wieder ab (S. 164), ohne auf den bedenk-
lichen Erhaltungszustand oder auf die Erörterung über ihn
in der Literatur auch nur hinzuweisen. Die Beziehungen Gro-
naus zum Kunsthandel sind zu bekannt, um noch bestritten
werden zu können.

JOSEF SCHARL, DER MANN IM SPITZENKLEID. 1930

KIT ERLAUBNIS VON J. B. NEUMANN UND GÜNTHER FRANKE, MÜNCHEN

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