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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931

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Heft 11
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NEUE BUCHER

Max J. Friedländer: Die altniederländische Ma-
lerei, Band VIII: Jan Gossart und B. van Orley. Paul
Cassirer, Berlin 1930.

Was nützt alle Methode und wissenschaftliche Ambition
in der Kunstgeschichte, wenn nicht ein begabtes Auge und
ein durchdringender Verstand vorhanden? Und kommt zu
diesen seltenen Voraussetzungen die noch viel seltenere, daß
eine Persönlichkeit mit einem scharfen geistigen Profil am
Werke ist, so dürfen wir getrost etwas Ungewöhnliches er-
warten. — Max J. Friedländer hat zum Jahresende den VIII.
Band seiner altniederländischen Malerei, der über Gossart
und van Orley handelt, erscheinen lassen und damit das
zweite Drittel seiner groß angelegten Monographienreihe zur
Geschichte der altniederländischen Malerei vollendet. Der
Typus von Monographie, den er mit diesem Werk geschaffen,
ist von verblüffender Einfachheit, ja Selbstverständlichkeit
und dennoch ungewöhnlich sowohl durch die Durchsichtig-
keit im Aufbau der Erkenntnisse wie auch durch die Art,
den Leser zu führen: Der Autor läßt ihn mitarbeiten auch
an den kleinsten Ergebnissen. Es werden keine Ideen als
Plakate in dieser geistigen Werkstatt angeschlagen, sondern
alle Erkenntnis ist unmittelbar aus derBeobachtungderObjekte
gewonnen. Eine zuverlässigere Art der Forschung als diese
gibt es nicht.

Daß Friedländer ein von unten aufbauender Historiker
ist, beweist wieder dieser sein VIII. Band. Wie viel ist über
„Manierismus" in den letzten zehn Jahren geschrieben wor-
den! Hier endlich die Aufdeckung einer entscheidenden Tat-
sache: daß Gossart schon um 1503 als Begründer (oder Mit-
begründer) des Antwerpener Manierismus auftritt in dem
bisher „Herri met de Bles" zugeschriebenen Lissaboner Flügel-
altar mit der heiligen Familie. Dadurch verschiebt sich das
ganze Bild seiner Entwicklung. Was bisher als früh angesehen
wurde : das Malvagna-Triptychon und die Londoner Anbetung
der Könige, rückt nun mehr in die Mitte, unmittelbar hinter
die italienische Reise von 1508, und die Wirkungen derselben
werden ganz anders deutlich und überaus fein psychologisch
motiviert. Uberflüssig, das Treffsichere, die vorzüglichen
Formulierungen in Friedländers Charakteristik der Persön-
lichkeit Jan Gossarts hervorzuheben.

Auch von B. van Orley, dessen Werke Friedländer bereits
1908 und 1909 in zwei großen Jahrbuchaufsätzen zusammen-
gestellt hat, entsteht ein viel umfangreicheres und durchgeglie-
derteres Bild. Friedländer ordnet das Werk des Meisters in
vier Epochen, von denen die dritte, durch den Hiobsaltar ge-
kennzeichnete (1 521 — 1 526) als die interessanteste und schick-
salsreichste erscheint durch Orleys Begegnung mit drei stär-
keren Künstlerpersönlicheiten: Gossart, Raffael und Dürer. Ihre
verschiedenartigen F^inflüsse werden formal und psychologisch
höchst feinsinnig aufgespürt und analysiert. Orley endet als ge-
feierter Tapisseriezeichner und Leiter einer großen Werkstatt
und gelangt in dieser „zwitterhaften" Kunst zur glücklichsten
Entfaltung seiner dekorativen Begabung. — Ein kurzes Schluß-
kapitel handelt noch von den wenig bekannten Mitgliedern
der Brüsseler Malerfamilie van Coninxloo, deren eines: Pieter

von Friedländer vermutungsweise mit dem Meister der
Magdalenen-Legende identifiziert wird. Jakob Rosenberg

Jules Destree, Rogier de la Pasture — van der
\\ eyden. Text- und Abbildungsband 40. Van Oest S: Co.,
Brüssel 1930.

Im Brennpunkt der Rogier-Forschung steht immer noch
das Flemalle-Meister-Problem: Ist der Flemalle-Meister iden-
tisch mit Robert Campin, dem urkundlich überlieferten Lehrer
Rogiers? Wenn ja (was heute auch Max J. Friedländer für
das Wahrscheinlichste hält), wo ist die Grenze zwischen dem
Werk des Lehrers und dem des Schülers zu ziehen, die sich
in einzelnen Schöpfungen fast untrennbar nahe stehen? Der
Kampf um diese Fragen ist neuerdings in Belgien selbst be-
sonders heftig entbrannt, nicht ganz unabhängig von poli-
tischen Empfindungen. Zwei Parteien stehen sich gegenüber:
eine wallonische, die die Schule von Tournay mit Robert
Campin an der Spitze und seinem bedeutendsten Schüler
Rogier nicht preisgibt — und eine flämische, die der Tournayer
Schule ihre Bedeutung nimmt, indem sie Robert Campin bzw.
den Flemalle-Meister ins Nichts zurückfallen läßt, seine Werke
Rogier gibt und Rogiers künstlerischen Werdegang erst von
seinem Aufenthalt in Flandern ab rechnet. Der Tatbestand
ist recht kompliziert, nicht nur durch das Werk, auch durch
Urkunden. Der Verfasser gehört zur wallonischen Partei, die
starke Argumente auf ihrer Seite hat, als stärkstes wohl dieses,
daß in der Mehrzahl der Werke des Flemalles eine andere
künstlerische Persönlichkeit spricht als Rogier. In dem etwas
breit geratenen Buche, das vorwiegend einen kompilatorischen
Charakter hat, werden sorgfältig alle Urkunden in Faksimile
und Ubersetzung zusammengetragen und bei ihrer Erörterung
die französischen und belgischen Autoren besonders gründ-
lich zitiert. Schwächer als dieser, die Lebensnachrichten be-
handelnde Teil ist der über das Werk, wo des öfteren ohne
überzeugende Gründe Zweifel ausgesprochen werden (so bei
der Haager Kreuzabnahme, den beiden weiblichen Heiligen
in Berlin u. a.) und man ein eindringendes stilkritisches
Urteil vermißt. Wertvoll ist der Abbildungsband trotz einiger
Fehler. Hier sind reichlicher als in den bisherigen Werken
die Rogier und seinen Kreis betreffenden Bilder in 156
großen Lichtdrucken reproduziert. Jakob Rosenberg

Schlesische Malerei und Plastik des Mittelalters.
Kritischer Katalog der Ausstellung in Breslau 1926. Heraus-
gegeben von Heinz Braune und Erich Wiese. Alfred Kröner
Verlag in Leipzig.

Wenn Schlesien früher in der zusammenfassenden wissen-
schaftlichen Bearbeitung seiner alten Kunstwerke anderen
deutschen Gebieten gegenüber zurück war, so hat es in den
Jahren seit dem Krieg diesen Vorsprung rasch und reichlich
eingeholt. Um die vorliegende monumentale Veröffentlichung
dürfte manche Provinz es beneiden. Sie bringt die Werke,
die 1926 auf der Breslauer Ausstellung vereinigt waren, in
ausgezeichneter Wiedergabe und mit einem kritischen Katalog-
text, der in jeder Zeile die Erfolge emsiger Forschung er-
kennen läßt. Braune und Wiese — der letztere hat in der

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